Ende einer Beziehung

[gummibaum]

Er biss mich zärtlich einst beim Schwimmen
im Teich. Ich nahm ihn mit nach Haus,
um Art und Gattung zu bestimmen
und ließ ihn dann nicht mehr hinaus.

Jetzt muss er mich sehr häufig beißen,
ich spende ihm so gerne Blut,
denn das Gefühl, wie er mit heißen
Gelüsten saugt, tut richtig gut.

Als könnte ich durchs Fenster schweben,
ist mir danach stets federleicht,
und er kann kaum den Kopf noch heben,
weil er dem satten Säugling gleicht.

Und doch, allmählich sinkt mein Pegel
an rotem Blutfarbstoff, ich fühl
mich so verwirrt, dass ich den Egel -
oh nein! im Klo hinunterspül…

[Erich Kykal]

Hi Gum!

Armer Egel! Dabei soll die Behandlung mit ihnen ja sogar heilsam sein für manch ein Leiden!

Ein Detail stimmt übrigens nicht: Kein Egel dieser Welt könnte allein so viel vom Blut eines einzigen Menschen saugen, dass die Gefahr einer Anämie bestünde. Und wenn er vollgesaugt ist, hat er für Monate genug.

Das Schicksal dieses Egels traf ihn also völlig zu Unrecht, einzig basierend auf Unwissen und Angst seines Entführers. So führt ein Unrecht zum nächsten ...

Ich fühle mit dem armen Tier!

LG, eKy

[gummibaum]

Danke, lieber Erich,

für dein tierliebes Mitgefühl und die Berichtung/Anprangerung von Fehlannahme/Fehlurteil mit Todesfolge.

Grüße von gummibaum

[Sufnus]

Hi gum!

Mir fallen Zeilen von Gottfried Benn ein, mit denen er sich - sehr bald - die amour fou zwischen dem ungestüm-ungeschlachten und kindheitstraumatisierten Provinzler aus einem engen Pfarrershaushalt und der Königin der expressionistischen Lyrik vom Leibe schrieb:

Du machst mir Liebe: Blutigelhaft:
Ich will von Dir.

Der Mittzwanziger Benn hat die Liebe zur Mitvierzigerin Else Lasker-Schüler am Vorabend des ersten Weltkrieges wohl als zutiefst überfordernd erlebt. Ein Jahr vor seinem Tod (und sieben Jahre nach ihrem) schrieb Benn von Lasker-Schüler als "der größten Lyrikerin, die Deutschland je hatte".

In Deinen Zeilen beschreibst Du sehr eindringlich und vielschichtig die Ambivalenz einer Liebesbeziehung und die völlige Zerrissenheit des lyrischen Ichs zwischen Liebestaumel, Beschützerinstinkt, grausamer Abwehr und dem Verlust der Selbstkontrolle bis zum zerstörerischen Ende.

Großes Kino!

LG!

S.

[gummibaum]

Hab Dank, lieber Sufnus,

für den tollen Kommentar, der das Gedicht als eines von Liebe und Lust zwischen ungleichen Charakteren auslegt. Die Deutung der Metaphern in diesem Sinne entspricht meiner Intention.

Liebe Grüße von gummibaum