Hi eKy!
Vielen Dank für Deine Überlegungen!
Ich muss sagen, dass mich bei der Diskussion sogar Kubickis Einschätzung zur Funktion von Künstlern im Allgemeinen oder Poeten im Besonderen ("Stachel im Fleisch der Mächtigen") bisher am meisten irritiert hat. Denn ich finde, dass K. den Künstlern hier
eine ganz dezidierte Aufgabe
zuweist und die Leistungen von Kunst damit einerseits deutlich unterschätzt (Kunst kann m. E. so viel mehr leisten, als nur die Mächtigen ein bisschen zu zwicken) und andererseits gerade (auf eine etwas listig hinterrückse Weise) die Autonomie der Kunst einschränkt, in dem er sie auf die Rolle des Hoffnarren beschränkt.
Zugegeben: Die Einschätzung von K. klingt ja erstmal ganz nett und freiheitlich, aber wie sähe er denn eigentlich die Sache, wenn Kunst nicht die Mächtigen ärgert, sondern die breite Masse zum Widerstand aufruft, sich also nicht an die Machthaber wendet, sondern an "das Volk"? Da würden wohl die meisten Mächtigen ein Problem haben, denke ich mal ganz unschuldig
, und dem Künstler vorwerfen ein populistischer Agitator, ein Demagoge und Massenverführer zu sein, der nur Unfrieden stiften will.
Solche "bösen" Künstler, die eine eigentlich ganz "okaye" Gesellschaftsordnung korrodieren und zu ihrem Totengräber werden, gab und gibt es ohne Zweifel. Tucho wurde z.B. durchaus ernsthaft schon der Vorwurf gemacht, er habe die Weimarer Republik ähnlich systematisch untergraben, wie es die Hetzredner von den politischen Rändern her unternommen hätten - ein böser Vorwurf, sicher nicht wirklich gerecht, aber doch auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ein besseres Beispiel für das zersetzende, "böse" Wirken von Künstlern ist vielleicht Céline, der einen der wichtigsten Romane des 20. Jh. geschrieben hat, aber zugleich ein wütender Antisemit und Antidemokrat war.
Aber wie sieht es mit Künstlern aus, die sich im Sinne einer "guten Sache" nicht etwa an die Mächtigen sondern die breite Masse wenden? Bertha v. Suttner ("Die Waffen nieder!") oder Remarque ("Im Westen nichts Neues") könnten einem hier in den Sinn kommen.
Was Deine Idee von Lobesgesängen für die "Guten" unter den Mächtigen angeht, lieber eKy, fallen mir tatsächlich sehr wenige literarisch gültige Beispiele aus dem Bereich der Lyrik ein... auf Anhieb eigentlich höchstens "O Captain, my Captain" von Whitman (über Abraham Lincoln) und im Deutschen (und literarisch ein paar Nummern kleiner) "Der tote Liebknecht" von Rudolf Leonhard.
Beide Werke schätze ich übrigens im Hinblick auf ihren literarischen Gehalt nicht (mehr) allzusehr... Whitman's ikonisches Werk flößt mir naturgemäß etwas mehr Respekt ein und als ganz junger Mensch habe ich es (noch vor dem Film "Club der toten Dichter"!) sogar recht entflammt auswendig gelernt... aber das Verhältnis zu diesen Zeilen ist mittlerweile ein wenig abgekühlt... mehr Nostalgie als Begeisterung.
LG!
S.