Autor Thema: Vor Gottes Ohr  (Gelesen 977 mal)

a.c.larin

Vor Gottes Ohr
« am: Oktober 30, 2021, 07:01:22 »
Ich will dich zwingen, Schicksal,
will dich niederringen,
weil du so unvorstellbar grausam bist!
Will dieses Leiden, das du mitführst, endlich zwingen
uns freizugeben. All die Hinterlist

mit der du unsrem Glück die Tür gewiesen,
soll rasch verenden wie die Nacht im Tag!
Ich will dich, böses Schicksal, glückhaft wenden!
Hoffnung sieh her, wie sehr ich klag!

Aus tiefster Seele rufe ich: Vergehe!
Aus tiefstem Grunde: Mache auf das Tor!
Da ich mich niederwerfe und nun flehe -
die Klage eingebracht vor Gottes Ohr....

Erich Kykal

Re: Vor Gottes Ohr
« Antwort #1 am: Oktober 30, 2021, 10:27:34 »
Ich will dich zwingen, Schicksal,
will dich niederringen,
weil du so unvorstellbar grausam bist!
Will dieses Leiden, das du mitführst, endlich zwingen
uns freizugeben. All die Hinterlist

mit der du unsrem Glück die Tür gewiesen,
soll rasch verenden wie die Nacht im Tag!
Ich will dich, böses Schicksal, glückhaft wenden!
Hoffnung sieh her, wie sehr ich klag!

Aus tiefster Seele rufe ich: Vergehe!
Aus tiefstem Grunde: Mache auf das Tor!
Da ich mich niederwerfe und nun flehe -
die Klage eingebracht vor Gottes Ohr....


xXxXxXx
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Hi larin!

Schöner Text mit metrischen Schwächen - die sicher wieder mal gewollt waren, aber du kennst mich ja - ich kann nicht anders!

Erst mal die erste Strophe: Warum ist Z1 abgeteilt? Abgesehen vom so unnötigen betonten Auftakt in der so 2. Zeile passt es auch nicht zum Rest. Also:

Ich will dich zwingen, Schicksal, will dich niederringen,
weil du so unvorstellbar grausam bist!
Will dieses Leiden, das du mitführst, endlich zwingen
uns freizugeben. All die Hinterlist

xXxXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX


Was dann noch eindeutig zu bemängeln bliebe, wäre der betonte Auftakt mit folgendem Senkungsprall in S2Z4. Und natürlich die Überlänge um einen Heber in S1Z1 und 3.

Vorschlag einer sauberen Version:


Ich will dich zwingen, Schicksal, niederringen,
weil du so unvorstellbar grausam bist!
Will dieses Leiden, das du mitführst, zwingen
uns freizugeben. All die Hinterlist

mit der du unsrem Glück die Tür gewiesen,
soll rasch verenden wie die Nacht im Tage!
Ich will dich, böses Schicksal, glückhaft wenden!
Gequälte Hoffnung sieh, wie sehr ich klage!

Aus tiefster Seele rufe ich: Vergehe!
Aus tiefstem Grunde: Mache auf das Tor!
Da ich mich niederwerfe und nun flehe -
die Klage eingebracht vor Gottes Ohr....


Alle Strophen nun fünfhebig mit unbetontem Auftakt und wechselnden Kadenzen:

xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX


Es waren nur vier Wörtchen zu streichen und eines hinzuzufügen.

Bei so minimalen Änderungen mit so gravierender metrischer Wirkung frage ich mich ernstlich, was eigentlich die von dir bezweckte lyrische Intention bei diesen bewusst gesetzten Ungleichgewichten war.
Für mich jedenfalls hat es nur den Lesegenuss holpriger gemacht, ließ die erste Str. übergewichtig wirken ( ;) und davon verstehe ich was!!) und warf mich am Ende der 2. Strophe beim Anlesen der letzten Zeile aus dem Lesefluss. Hier ist mir klar, dass du einen lyrischen Aufschrei setzen wolltest, daher der betonte Zeileneinstieg. Bei mir hatte dieser allerdings nicht die erhoffte Wirkung.

Andenkenswert hingegen wäre mE., in S2 das Kadenzenschema wmwm bewusst zu durchbrechen, um die hemdsärmelig wirkende Verkürzung "klag" zu vermeiden. Da es sich um die mittige Str. handelt, litte nicht die Symmetrie des Werkes insgesamt. Ich erlaube mir, auch dies in den obigen Vorschlag einzufügen.


Sehr gern gelesen und mitgebastelt!  ;) :)


LG, eKy




Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Vor Gottes Ohr
« Antwort #2 am: November 02, 2021, 10:10:55 »
Hi Erich,

danke für deine lange, differenzierte Rückmeldung! Hast dir echt viel Arbeit damit gemacht.

Die X-chen scheinen dich wirklich fest im Griff zu haben.😂 Mich nicht so - daher passieren schon mal " metrische Schnörkel".
Mich stören sie aber gar nicht so.

Mir war dieses Gedicht nur Ausdruck  und Expression von Emotion, eine Intention habe ich nicht damit verfolgt, desgleichen keine "erhoffte Wirkung".
Meine Hoffnung und Intention ging doch mehr in Richtung "Schicksal" - und : Nein, es lässt sich nicht zwingen. Auch von mir nicht.🙄

Dass du beim Lesen stolpern musstest, tut mir leid- passt aber ( für mich) irgendwie zum Thema: Sehr oft lässt uns das Schicksal nicht bloß nur stolpern....
Da könnten wir froh sein, wenn es bloß das wär!

Die flurchschadenbereinigte Fassung des Lebens wäre uns zwar allen lieber, aber leider, leider: Des spielts ned!

Ich belasse es daher bei der "Stolperfassung".😉- aus Gründen der Aufrichrigkeit.
Ich wage es, unvollkommen zu sein..

Lg, larin

Seeräuber-Jenny

Re: Vor Gottes Ohr
« Antwort #3 am: November 02, 2021, 15:24:44 »
Liebe larin,

stark. Geht unter die Haut.

Gerade die kleinen Unregelmäßigkeiten sind es meiner Meinung nach, die deinem Aufschrei Intensität verleihen. Da plätschert nichts dahin, und wenn ich mir das Gedicht laut gelesen vorstelle, ist trotzdem alles im Fluss. Wenn auch nicht von dir erhofft, so hat es doch seine Wirkung nicht verfehlt.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: November 02, 2021, 16:11:42 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz