Autor Thema: Lebensmatt  (Gelesen 865 mal)

Erich Kykal

Lebensmatt
« am: September 06, 2021, 12:04:26 »
Ich lebe still im Reigen meiner Räume,
ins raue Äußere verirre ich mich nie.
Ich gehe in mich, wo ich zärtlich träume,
und werde eins mit meiner Phantasie.

Ich wache stumm durch meine dürren Stunden,
nur meine Bücher sind mir Flucht und Halt.
An niemand anderen bin ich gebunden,
nur an des eignen Leibes Ungestalt.

Ich denke manchmal an die frühen Jahre,
das rege Kind, dem alles offen stand.
Es wurde alt, verlor das Wunderbare
und alle Gaben, die sein Glühen fand.

Ich kenne nun das Mühlwerk meiner Tage
zu gut seit langem, um noch froh zu sein.
Das wenige, das ich an Hoffnung wage,
macht bebend sich vor Ungesagtem klein.

Ich fürchte mich vor einem langen Sterben,
darin ich mir entgleite, Stück um Stück,
und kein Vermächtnis bliebe zu vererben,
und kein Gedanke an ein Fünkchen Glück.

Ich sehne mich zugleich nach jener Stunde,
die irgendwann als letzte übrig bleibt,
und mit dem Blut der nie verheilten Wunde
des Überlebens endlich „Ende“ schreibt.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Lebensmatt
« Antwort #1 am: September 06, 2021, 19:37:25 »
Das ist saustark mein lieber Erich.
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Lebensmatt
« Antwort #2 am: September 06, 2021, 23:31:05 »
Hi Hans!

Sei bedankt!  :)

Das glitt mir heute vormittag wie von selbst aus der Feder, entsprechend meiner niedergeschlagenen Stimmung - wie jedesmal zum Ende der großen Ferien hin! Nächste Woche geht es für mich wieder los mit der Fron! Noch mindestens acht weitere Jahre, so es die Gesundheit hergibt ... - und ich fühle mich eigentlich schon SEHR berufsmüde.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Lebensmatt
« Antwort #3 am: September 07, 2021, 14:32:56 »
Lieber Erich,

ein wunderbares Gedicht über den aller Freude und Hoffnung verlustig Gegangenen, der nur noch in sich selbst geborgen und vor anderen verborgen Angst vor kommenden Leiden und doch Sehnsucht nach dem Tod fühlt.

Mit Genuss gelesen.

Chapeau von gummibaum


 

Erich Kykal

Re: Lebensmatt
« Antwort #4 am: September 07, 2021, 14:37:10 »
Hi Gum!

Auch dir Dank für die verbale Akklamation!  :)

Wie ich schon Hans schrieb: Es geht mir immer etwas mieser zu dieser Zeit des Jahres, an den letzten Ferientagen. Du weißt warum!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Lebensmatt
« Antwort #5 am: September 19, 2021, 07:22:57 »
Lieber Erich,
ich kann deine Erschöpfung gut nachvollziehen - es erging mir nicht viel anders.

Mein Tipp: Nutze die Möglichkeit, auf Geld zu verzichten, weniger zu arbeiten....

Auch ein Jahr Berufspause kann etwas Erholung bringen. Notfalls mit ärztlicher Unterstützung. 😉

Ganz liebe Grüße,
larin

Erich Kykal

Re: Lebensmatt
« Antwort #6 am: September 19, 2021, 11:46:48 »
Hi liebe larin!

Vielen Dank für deine wohlwollenden Tipps. Natürlich habe ich mir schon lang Gedanken dazu gemacht. Allerdings bin ich ohnehin schon seit 12 Jahren auf eingeschränkter Lehrverpflichtung (16 Wochenstunden statt 21), erst wegen der nervlichen Belastung, dann wegen meiner Erkrankung. Das drückt mir die Pension schon mehr als genug! Zudem scheue ich den bürokratischen und organisatorischen Aufwand einer Berufspause, und wer weiß, wo ich hinterher lande, um meine letzten Jahre "abzusitzen"?  ::) :o

Was mich zur Zeit am meisten ärgert, ist die Zwangsverpflichtung zur Fortbildung über 20 Stunden in der unterrichtsfreien Zeit! Und das bis zur Pensionierung - als ob man nach über 30 Jahren Unterrichtspraxis immer noch Schulungsbedarf haben müsste wie ein berufsunmündiger Anfänger!
Abgesehen davon gibt es in der unterrichtsfreien Zeit, die zur Verfügung steht, meist nie genug fachspezifische Kurse, von persönlich interessant empfundenen ganz zu schweigen!
Ich finde, dass man mich auf meine letzten paar Jahre damit in Ruhe lässt, hätte ich mir längst verdient! Ich war sogar bereit, auf die Bezahlung für entsprechend so viele Stunden zu verzichten, nur um nicht mehr damit belästigt zu werden - aber das wurde mir von der Direktion verweigert! Warum auch immer.  >:(

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Lebensmatt
« Antwort #7 am: September 20, 2021, 19:18:06 »
Ach ja, die letzten Berufsjahre.....
Ich kann die wechselvollen Emotionen gut nachvollziehen - ich hab diese Zeit grad hinter mich gebracht.😅
(Hab mir zur Selbsthilfe ein 'Erschöpfungstagebuch" zugelegt, in das ich hineinsuderte, wenns mir nötig erschien.)

Irgendwann ist man einfach müde. Der Körper verbraucht sich, die Psyche auch. Das Nervenkostüm ist auch nicht grenzenlos strapazierbar.
Bei meinem Mann hat die Bildschirmarbeit zu Nackenverspannungen, Bluthochdruck und Augenproblemen geführt.
Da gibts halt in jedem Beruf andere Verschleißerscheinungen...
Irgendwann hat man genug - auch vom Guten!
Zu meinen Kollegen, die mich fragten, wie das so ist für mich, hab ich gesagt: Nach fünf Schnitzeln will ich kein sechstes mehr!
Das haben sie gut verstanden.
Genug ist einfach genug.
Ein Glas, das voll ist, kann nicht noch voller werden.

Pass gut auf dich auf!
Und sieh die Fortbildung gelassen.
Mitunter muss man seine Schulzeit einfach "absitzen". Machen manche deiner Schüler bestimmt auch nicht anders....😉

Lg, larin




Erich Kykal

Re: Lebensmatt
« Antwort #8 am: Oktober 04, 2021, 09:36:31 »
Hi larin!

Sonderlich auf mich aufgepasst habe ich nie - eigentlich tat ich fast alles, um diesen ungeliebten Körper, in dem ich leben muss, zu sabotieren und zu verwüsten!
Seltsam - ein Teil von mir freut sich sehnlichst, endlich nicht mehr darin bestehen zu müssen ...

Vielen Dank für die Einblicke in deine Lebenserfahrung!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Lebensmatt
« Antwort #9 am: Oktober 05, 2021, 20:11:51 »
.....sehr gut, dein Schnitzelvergleich liebe Larin. Nach 38 Jahren Gastro und Kleinkunst ist es genug. Alles hat seine Zeit und ich hätte eine spannende Zeit. Jetzt lasse ich es ganz gemütlich angehen und ertappe mich dabei einen kompletten Tag mit Nichtstun zu verbringen. Entspannt euch, Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)