Autor Thema: Veränderungen  (Gelesen 1043 mal)

hans beislschmidt

Veränderungen
« am: Oktober 05, 2021, 19:21:08 »
Veränderungen

Mit Dummheit und Vorsatz betrieben,
die Bücher klammheimlich verändert,
vergewaltigt und nach Belieben
wird Sprache zu Tode gegendert.
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Veränderungen
« Antwort #1 am: Oktober 05, 2021, 23:04:41 »
Hi Hans!

Wahrlich eine Unsitte, diese überkandidelt gutmenschelnde Sprachvergewaltigung! Seit Pipi Langstrumpfs Papa nicht mehr "Negerkönig im Taka-Tuka-Land" sein darf, greif ich mir ohnehin nur noch an den Kopf, den ich ungläubig schüttele!

Okay, bei "Mohr im Hemd" oder "Negerküssen" habe ich ein Einsehen, die kann man herabwertend interpretieren - obwohl sie ursprünglich sicher nicht so gemeint waren. Auch dass manche Firmen ihre "politisch nicht mehr korrekten" Logos ändern, weil sie Einbußen oder Shitstorms befürchten.

Aber dass man im Nachhinein wagt, klassische Literatur umzudichten, bloß um ja niemand Oberbetulichen zu echauffieren - das ist ein zu starkes Stück!

Was kommt als Nächstes? Darf der Faust'sche Pudel (um dessen Kern es geht) nicht mehr schwarz sein, weil sich irgendein strunzpieseldämlicher Beschwichtigungsneurotiker aufregen könnte über die "womöglich rassistisch missverständliche Farbgebung"!?

Jahrhunderte war es allen einfach nur wurscht, oder man fand es einfach okay - und jetzt plötzlich überschlagen sich alle mit vorauseilenden Quasientschuldigungen per Sprachverordnung für all die ach wie unerträglichen Jahre rücksichtsloser Genderlosigkeit, so als wäre es ihre persönliche Aufgabe, Wiedergutmachung zu leisten - mit übereilten, sprachlich kruden Grausgeburten! Hat man überhaupt die gefragt, die es angeht? Was sagt die Mehrheit der ach so lang sprachlich unterreflektierten Frauenschaft dazu? Wollen die das überhaupt mehrheitlich?

Oder sehen sie darin zurecht den oberflächlichen Versuch, mit oberflächlichen Bekenntnissen und Sprachverdrehungen ebenso oberflächliche Sympathiepunkte zu sammeln für ihre eigenen oberflächlichen Karrieren?

Ich sage: Wer Frauen respektiert, hat sie auch vor dem Genderwahn respektiert, ohne diese verbalen Pseudobeschwichtigungen für ein paar aggressive Extremanzen! Und wer Frauen nicht respektiert, wird es trotz der verordneten neusprachlichen Lippenbekenntnisse ebensowenig tun. Und Frauen, die wirklich glauben, dass irgendwelche krude aufgepfropften Floskeln ihre Respektabilität tatsächlich gesellschaftlich befördern, sind so dumm, dass man sie nicht respektieren KANN!

All das fußt also im Grunde nur auf dem schlechten Gewissen und der allzu eilfertig gerechtelnden Botmäßigkeit gutmenschelnder Betulichkeitslametta-Raschler, denen scheinbar sonst gar nichts mehr eingefallen ist, womit sie sich sonst hätten profilieren können! Und die Sprache muss es ertragen, und alle, die sie schätzen und lieben ...

Man kann nur inständig hoffen, dass sich dieser Fehlgriff irgendwann wieder verschleift, oder den meisten einfach mal zu blöd wird.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 06, 2021, 11:35:00 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Veränderungen
« Antwort #2 am: Oktober 06, 2021, 03:37:13 »
Hallo Hans,

ich finde das Gendersternchen gut, schließt es doch alle Menschen mit ein. Beim sog. generischen Maskulin hat man doch immer Männer vor den Augen, bei den sehr geehrten Damen und Herren nur Männer und Frauen. Wie wir aber heute wissen, ist unsere Gesellschaft divers. Diese Vielfalt sucht auch in der Sprache ihren Ausdruck. Seit Jahren wird in den Behörden mit einer gendergerechten Schreibweise experimentiert. Bin gespannt, welche Form sich am Ende durchsetzt.

Sprache war immer im Wandel begriffen. Niemand würde heute mehr von der "gnädigen Frau" oder der "Frau Gemahlin" sprechen. Und wenn ich ein altes Buch lese, sehe ich, wie sich die Rechtschreibung im Lauf der Zeit immer wieder verändert hat. Selbst die letzte Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 wurde schon zweimal nachgeändert, was neue Regelwerke zur Folge hatte. Vermutlich wird irgendwann noch eine Reform kommen, die uns die seit langem diskutierte Kleinschreibung beschert, die im Zeitalter der neuen Medien halt am praktischsten ist.

Lieben Gruß
Jenny

« Letzte Änderung: Oktober 06, 2021, 03:46:28 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

hans beislschmidt

Re: Veränderungen
« Antwort #3 am: Oktober 06, 2021, 12:41:42 »
Ihr Lieben,
Die Sparbüchse von früher mit dem kleinen Neger, der brav mit dem Kopf genickt hat auch bei kleinen Pfennigbeträgen, so als wolle sagen " Danke weißer Mann" ist völlig verschwunden, genauso wie Uncle Ben und seine Reiskundschaft, was für mich irgendwo verständlich ist. Schwierig wird's bei bipolarer Geschlechterzuordnung, von denen es über 70 geben soll. Wie soll man sich da noch auskennen? Das Substituieren der Geschlechter wäre gar nicht mal schlimm, viel mehr verhageln die Sternchen*** und die Anhängsel """Innen""" die Schriftsprache. Deklamiert und gesprochen, befänden wir uns in einem fortgesetzten Hebungs oder Senkunkungsprall. (Erichs Lieblingsthema  ;D). Das heißt andererseits, ohne harmonisch wechselnde Kadenzen ist Sprache ein einziges Geholpere und Gestottere. Gerade bei Songtexten kann ich mir nicht vorstellen, dass Künstler (wie z.B. Maffay) freiwillig ihr Lied dermaßen verhunzen. Die gut gemeinte Vergenderung wird wohl im Juristen und Behördendeutsch hängen bleiben - hoffe ich zumindest.

Oder aber wir anglisieren uns mit "" the """, dann hätten sich unsere Artikel der/die/das von selbst erledigt.
Oder aber wir streamen künftig Neudeutsch im Trainingshosenlook """dem""", wie dem Tuss oder dem Vollspast.  ;D
Oder aber wir versaarländischen alles mit """de""", wie de Budder, was schon fast englisch klingt. Oder "s", Kurzform für "das"   .... 's Marie ist heit nochemol rollig...

Bis dahin aber bleibt hoffentlich Sprache in der Kunst genderbefreit, weil künstlerische Menschen sehr wohl unterscheiden können zwischen Rhythmus und Gemurkse..... Danke für Kommi und Gedanken, Gruß vom Hans 
« Letzte Änderung: Oktober 06, 2021, 12:49:15 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Veränderungen
« Antwort #4 am: Oktober 06, 2021, 22:46:59 »
Was wurde aus dem "Sarotti-Mohr"? Hat Jakobs-Kaffee noch immer den züchtig gesenkten Negerjungenkopf im Profil mit Fes als Logo?

Die Flasche von "China-Gold" Minzöl ist allerdings immer noch ein stereotypischer, dienernder, extrabreit grinsender Schlitzaugenchinese mit konischem Reispflückerhut, langem Zopf und Händen in den Ärmeln vor der Brust ... - dieselbe Figur findet sich auch als Zeichnung auf der Kartonverpackung. An manchen Firmen perlt jeder Shtistorm offenbar einfach ab - oder sie geraten nie in den Fokus der diesbezüglichen Aufmerksamkeit ...

Was mich eher unangehehm berührt ist die Betulichkeit gewisser Kreise, die jeder egal wie harmlosen Anspielung auf kulturelle Eigenheiten, sei sie auch noch so ironisch zitiert, sofort bösartigen ud bewussten Rassismus unterstellen - und sich persönlich berufen sehen, die aufgeplusterten Moralritter zu mimen, lautstark, polarisierend, unterstellend, vorverurteilend.
Blindwütige Agitatoren und Netzdemagogen in vorauseilendem pseudointellektuellem Fremdschämdauerorgasmus ... - was für armselige Sackpfeifen! Und dann noch jene, die dumm oder borniert genug sind, diesen selbstdarstellerischen Fräulein Rottenmeiers für geistig Arme willfährig nachzueifern!

Genau diese selbstgefällige Spießermafia steckt auch hinter dem grassierenden Genderwahn.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 06, 2021, 22:48:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Veränderungen
« Antwort #5 am: Oktober 07, 2021, 01:19:35 »
Hallo Hans,

also, ich finde es viel umständlicher, wenn ich "sehr geehrte Damen und Herren" oder "Lehrerinnen und Lehrer" sagen muss. Da geht doch ein "Lehrer_innen" viel leichter über die die Lippen. Als Zeichen finde ich das Sternchen sehr hübsch, das gilt auch fürs Handschriftliche. Es wird im übrigen nur ein Sternchen * geschrieben, nicht drei Sternchen ***, wie du suggerierst. Aber aktuell geht die Tendenz wohl zum Unterstrich _.

Das Geschlechterverständnis lässt sich nicht nur auf biologische Faktoren begrenzen. Es ist auch dem Kulturkreis entsprechend sozial geprägt. Das bei uns tradierte zweigeteilte Geschlechterverhältnis führt zu sozialen Ungleichheiten. Zudem zeigt die Geschlechtsidentität, "welchem Geschlecht eine Person angehört, ob sie sich ihrem biologischen Geschlecht entsprechend oder davon verschieden erlebt und das zum Ausdruck bringen kann ..." https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechtsidentit%C3%A4t Naja, ist alles neu und klingt reichlich kompliziert, aber ich habe kein Problem damit, die Menschen anzureden, wie sie es wünschen. Vor unseren Trash-Deluxe-Shows stellen wir uns vor und sagen, mit welchem Pronomen wir angesprochen werden wollen.

Auf Sternchen kann man in der Lyrik meines Erachtens verzichten, weil das lyrische Ich ohnehin jede beliebige Identität annehmen kann.

Lieben Gruß
Jenny

***

Hi Erich,

die Firma Sarotti wählte einst dieses Firmenlogo, weil sie ihren ersten Sitz in der Mohrenstraße hatte. Vor ein paar Jahren wurde der "Sarotti-Mohr" zu einem Magier mit goldener Hautfarbe. Die Mohrenstraße wurde vom Bezirk Mitte am 1. Oktober in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt, weil der alte Straßenname möglicherweise historisch belastet war. Der neue Namensgeber Amo wurde um 1707 versklavt und aus dem Gebiet des heutigen Ghana nach Europa verschleppt. Dort wurde er an Anton Ulrich von Braunschweig verschenkt, der ihn an seinen Sohn August Wilhelm weitervererbte.

Wir dürfen die deutsche Geschicht nicht nur aus der Sicht des Bio-Deutschen betrachten, des Privilegierten, gar des Ewiggestrigen, der seinen "Mohrenkopf" will, weil das "schon immer" so war. Denn auch unsere wahrlich nicht ruhmreiche Kolonialvergangenheit ist Teil der deutschen Geschichte. Gut, dass wir uns inzwischen dessen bewusst sind und das Kapitel Kolonialzeit kritisch hinterfragen. Das Ergebnis der Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit wird hoffentlich eine bessere Zukunft sein.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: Oktober 07, 2021, 02:04:05 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

hans beislschmidt

Re: Veränderungen
« Antwort #6 am: Oktober 16, 2021, 15:36:47 »
Man könnte noch vieles anmerken aber wenn ich in mich hineinhöre, dann stelle ich eine tiefe Ablehnung fest, die sich gegen jene Minoritäten richtet, die bleistiftspitzerisch der Mehrheit im Land erklären möchte wie die Welt funktioniert. Siebenschlau nannte man früher diesen Typus Mensch. Gruß vom Hans
« Letzte Änderung: Oktober 18, 2021, 19:48:51 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Veränderungen
« Antwort #7 am: Oktober 17, 2021, 11:06:57 »
Betuliche Moralitäter
verletzen die Sprache der Väter,
entstellen nach eiferndem Maß.

Sie achten im Eifer des Dranges
nicht würdig gewachsenen Klanges,
den all ihre Blindheit vergaß.

Erzogen, enteignet, verraten
verraten mit vorschnellen Taten
sie das, was nicht ihnen gehört.

Allein, um sich selbst zu gefallen,
erzwingen sie derb, was uns allen
das Ohr für den Wohlklang zerstört.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.