Hallo Ihr Lieben!
Vielen Dank für das vierstimmige Echo!
Damit ist das Feedback schon weitaus wortstärker als meine kurzen Zeilen.
Interessant finde ich, dass gum, Agneta und eKy die Zeilen metaphorisch auffassen und Rocco ganz "unbildhaft" bei den geschilderten Fakten zu bleiben versucht.
Ich bin nun - oft habe ich darauf hingewiesen - ein starker Anhänger von einer großzügig ausgelegten Lese-Automie. Wäre ich ein Deutschlehrer würde ich daher, z.B. beim Thema Lyrik, den Schülern eine große Freiheit belassen, wie ein Gedicht aufzufassen ist. Aber eine Grenze würde ich da ziehen, wo eine Lesehaltung in sich unschlüssig oder in Bezug auf das Gedicht völlig unnachvollziehbar ist.
Ich könnte mir zum Beispiel eine Fülle von völlig unterschiedlichen Angängen zur Erlkönig-Ballade vorstellen: "Hier geht es um das Thema Kindsmissbrauch" oder "Hier wird der Zwiespalt von Kulturmenschen und Vor-zivilisatorischen Lebensweisen geschildert" oder "Hier geht es um die pathophysiologischen Folgen einer Fieber-Reaktion im Rahmen einer systemisch entzündlichen Erkrankung des Kindes" oder "Hier wird die Unfähigkeit von Erwachsenen geschildert, sich in das kindliche Erleben einzufühlen" oder "In dem Gedicht macht sich der Autor über eine unkritische Haltung zur Natur lustig". Das fänd ich alles völlig ok und begründbar.
Gemischte Bewertungen ergäbe es für: "Goethe parodiert hier den romantischen Gestus der Lyrik von Robert Burns", weil dies zwar hochoriginell aber zeitlich schwer haltbar wäre. Und bad vibrations gäb es für: "Hier kritisiert der Autor die zunehmende Nutzung des Individualverkehrs in Innenstädten".
Dies als Veranschaulichung meiner Haltung zur "Freiheit der Interpratation". Und auf dieser Basis würde ich Roccos Ansatz vorsichtig kritisieren, weil er Teile des Gedichts willkürlich ausblendet, eine unlogische Begründung für den Interpretationsansaz liefert und in seiner Deutung letztlich etwas inkonsistent ist.
1) Stichwort "Ausblenden": Aus der Sichtweise als Schilderung eines konkreten Fußballspiels geht nicht hervor, warum in Z1 vom Herz die Rede ist und warum das Gedicht unter "Liebe und Romantik" einsortiert wurde.
2) Stichwort "unlogisch": Roccos Begründung ist, dass es vom Ball heißt, dass "er" (der Ball) zurückgespielt wurde und nicht, dass "ich" (das Lyrische Ich) ihn zurückgespielt hat. Aber warum sollte ein Spieler, der den Ball ins Toraus geschossen hat, diesen wieder eigenfüßig ins Feld zurückspielen? Entweder der Spieler hat den Ball ins gegnerische Toraus gespielt, dann kümmert sich ein Spieler der anderen Mannschaft darum, das Spielgerät wieder zurück aufs Feld zu schicken oder das Lyrische Ich hat den Ball ins eigene Toraus befördert, dann wäre wiederum die Gegenmannschaft dafür zuständig, den Ball per Ecke ins Feld zurückzuschießen. Gerade eine Ich-Perspektive würde also formulierungstechnisch keinen Sinn ergeben.
3) Stichwort "Inkonsistenz": Wenn hier eine Außenperspektive auf das Spielfeld von der Zuschauertribüne aus geschildert würde, warum ist dann das Lyrische Ich in Z1 in Ballbesitz? Der Ball müsste demnach zuvor aus dem Spielfeld in die Zuschauerränge geschossen worden sein. Das ist zwar denkbar, aber wie kommt er dann von der Tribüne ins Toraus und warum heißt es anschließend "zurück ins Feld"? Letztere Formulierung bedingt, dass der Ball aus dem Spielfeld ins Toraus gespielt wurde und anschließend eben wieder von dort
zurück ins Spielfeld. Und schließlich und am Wichtigsten: Wenn hier eine Außenperspektive eingenommen wird, warum heißt es dann "das Bein ist schwer" und nicht "die Beine sind schwer"? Offenbar ist hier nur von einem Spieler mit schwerem Bein die Rede und entsprechend Ockham's Razor ist die ökonomischste Erklärung dafür, dass dieser Spieler mit dem Lyrischen Ich identisch ist.
Summasummarum würde ich bei aller Sympathie für autonome Lesarten Roccos Deutung nicht für stichhaltig erachten.
Der Sinn meiner langen Ausführungen ist dabei natürlich nicht, Roccos spezielle Deutung zu bashen sondern ganz allgemein einmal darzulegen, wie ich Interpretationsfreiheit (und ihre Grenzen) verstehen wollen würde.
LG!
S.
P.S.:
Ein distinktes Dankeschön aber noch an Rocco für den Hinweis auf die doppelte Lesart von Fortuna. Es könnte hier in der Tat ein Verein gemeint sein oder die Glücksgöttin. Rahn hätte dabei durchaus im Hinblick auf seine NRW-Verortung für Düsseldorf spielen können, ist aber (sozusagen ganz im Gegenteil) stattdessen mal kurzzeitig für den 1. FC Köln (leider nicht: Fortuna Köln, das hätte natürlich auch schön gepasst) aufgelaufen. Ansonsten war er vereinstechnisch eher ein Kind des Ruhrpotts als des Rheinlandes.