Hi Suf!
Shakespeare, Romeo und Julia, Balkonszene - Romeo leugnet den nahenden Morgen, um länger bei Julia verweilen zu können. Danke. Tagelied also. Wäre der Titel gleich in Deutsch nicht hilfreicher gewesen?
Warum nicht einfach NUR deine letzte Antwortzeile oder meinen ersten Satz hier klar als Lösung mit einem einzigen Satz schreiben, wenn jemand um Erläuterung ersucht? Warum per Kommi zuerst die wohlwollende indirekte Abmahnung für die "offensichtliche verständnistechnische Beschränktheit", danach noch eine weitere inhaltliche Schnitzeljagd mit pädagogischem Sendungsbewusstsein, so als wäre der Leser ein leicht renitenter zu unterrichtender Schüler, dem unbedingt ein behaupteter Lernprozess abgerungen werden soll?
Da fühlt man sich zwangsläufig ein wenig geschulmeistert, von der beschwichtigenden Attitüde sich intellektuell überlegen Glaubender gegängelt ...
Ein näher an die erwünschte Deutung heranführender Titel wäre wünschenswert gewesen: zB "Balkonszene", "Lerche oder Nachtigall?", "O Romeo!", ...
Einen Text allzu sehr zu verklausulieren, mit zu vielen Türen zu versehen, zu denen nur bestimmte Leser ad hoc die passenden Schlüssel haben, kann der allgemeinen Verständlichkeit eben durchaus abträglich sein. Dazu muss der Leser kein bildungsferner Dummkopf sein.
Da stellt sich die Frage: WILLST du so kryptisch schreiben, wie um elitär nur ein Publikum mit entsprechendem Bildungshintergrund zu bedienen, dem die Hintergründe der jeweiligen Anspielungen auch jederzeit so präsent sein sollen, dass sie sofort die korrekten Schlüsse ziehen?
Soll der "normale", geistig zu Fuß gehende Leser den Text verstehen, so sollte er dies beim ersten Lesen bereits können! Die Wenigsten genießen es, einen Text mehrmals lesen zu müssen, oder sich über schlimmstenfalls Tage hinweg Gedanken über mögliche Deutungen machen zu sollen, weil der Autor es möglicherweise darauf anlegt.
Mir ist durchaus klar, dass ich diesbezüglich selbst zuweilen im Glashaus sitze! Lese ich zB. alte Texte von mir mit einigen Jahren Abstand wieder, muss ich ab und an durchaus eine Weile überlegen, worauf genau ich damals, als ich es schrieb, eigentlich hinaus wollte. Bei diesen Werken muss ich mir dann eingestehen, dass ich es da nicht geschafft habe, meine eigene Prämisse einzuhalten: Zu viel Sprachspielerei, zu komplexe Formulierkunst, zu viel intellektuell versymbolisiertes Gekreise um die eigentliche klare Aussage, die ich rüberbringen wollte.
Bitte versteh diesen Kommi nicht als giftigen Vorwurf meinerseits - ich gedenke nur Denkansätze zu vermitteln, stelle allgemeingültige Fragen, die sich mir nahelegten im Verlauf einer Korrespondenz, ohne respektlos sein zu wollen. Ich weiß halt um die unzähligen Möglichkeiten in diesem beschränkten Medium, aneinander vorbei zu diskutieren, einander misszuverstehen, unlautere Motive zu vermuten und/oder zu unterstellen, böswillig Krtitk zu üben am lyrischen Stil eines anderen, wo man doch bloß versuchte, den kommunikativen Knoten durch Verständlichmachung der eigenen Gedankengänge dabei zu lösen.
Dichten ist immer eine Gratwanderung - für den Autor wie für den jeweiligen Leser. Wo ist die am ehesten allgemein verträgliche Grenze für die Symbolhaftigkeit von Texten? Ab wann verwischt der lyrsiche Anspruch der Sprachkunst die eigentlich gewollte Aussage für die statistische Majorität einer potentiellen Leserschaft? Wann wird man "zu komplex", "zu gedrechselt", "zu verklausuliert", um einen breiteren Geschmack, eine allgemeine Verständlichkeit zu treffen? Will man es überhaupt?
Nicht dass ich selbst mir beim Schreiben diese Fragen stellte - das tue ich immer erst hinterher. Meist ist einem unmittelbar nach dem Schreiben der eigene Denkprozess dabei aber noch so präsent, dass man das Geschriebene fast automatisch für allgemein gut nachvollziehbar hält. So zumindest meine eigene Erfahrung.
Dann reagiert man leicht mit Unverständnis, wenn ein Kommentator seinerseits Unverständnis zeigt: wie kann der nur NICHT erkennen, worum es da geht?! Macht er das mit Absicht!? Na warte!!
Man bemüht sich dessen eingedenk ja durchaus, nicht in diese Falle zu gehen - indes, man scheitert zuweilen an sich selbst, immer wieder. Entweder als Poet - oder als Kommentator.
LG, eKy