Autor Thema: Karriereknick  (Gelesen 1434 mal)

hans beislschmidt

Karriereknick
« am: Mai 31, 2021, 09:34:37 »
Karriereknick
Früher waren sie Gladiator, Terminator, Imperator - mit kühnem Kinn und stolzem Blick. Heute, nach Karriereknick, welch Missgeschick, für solche Rollen viel zu dick. Anstelle Muskeln ist der Bauch verdichtet, volles Haar gelichtet und ein Doppelkinn gesichtet. Der Leinwandstar und Frauenschwarm ist oft genug noch altersarm und was vom Siegertyp noch übrig blieb, sind Altersflecken, Rettungsringe, alles Dinge zum Erschrecken. Selbst Brad Pitt macht nicht mehr mit – zu viel Pommes Frites - und das will schon was heißen, denn der konnt’ wirklich mal was reißen, hatte Weiber noch und nöcher zum Verschleißen. Hatte Schlösser, Rösser, Jachten, Villen, derentwillen Richter lachten und alles seiner Ex vermachten. Doch wenn der Bauch nicht mehr so flach, switcht man einfach ins Charakterfach, wird im Thriller Killer oder Detektiv, weil’s als Hero nicht mehr lief – ach, ein guter Rat ist Psychopath, so richtig irre und der Blick so kirre, wie Kinski, Hopkins, Perkins ... Gut, das war jetzt erste Wahl - zur Not geht’s auch mit Axel Prahl. Der ist zwar nur ein Kommissar, doch wenn Hollywood nicht will und man nicht mobil - tut’s auch ZDF und ARD, das macht per se ein hübsches Sümmchen übers Jahr, auch wenn man nicht beim Oscar war. Es sei denn, man heißt Hallervorden, wohnt im Norden, dann braucht man nicht zu morden, kann schielen und dementen Opa spielen.
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Locker geslamt
Gedichte Hans Beislschmidt 04.2017
« Letzte Änderung: Mai 31, 2021, 09:36:18 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Karriereknick
« Antwort #1 am: Mai 31, 2021, 17:36:55 »
Hi Hans!
Bei Prosatexten bin ich nicht so firm und deshalb sparsamer im Kommentieren als bei Gedichten. Dein Text ist aber durch die starke Reimbetonung mindestens eine Hybridform. Wobei ich den Reim ja - oft hab ich das erwähnt - keineswegs als notwendige oder hinreichende Voraussetzung für Lyrik (Gedichte) auffassen würde. Ein berühmter Prosatext, der mit einer geradezu überbordenden Fülle von Reimen aufwartet ist der Koran, in Friedrich Rückerts Eindeutschung ist das gut nachzuvollziehen, dennoch handelt es sich hierbei für nicht um ein (Lang-)Gedicht, sondern eben um Reimprosa. Umgekehrt ist die Mehrzahl der in unserer eurozentristischen Perspektive (das stelle ich wertfrei fest) kanonisierten Gedichte zumindest auf den Endreim bezogen ungereimt (weil sich viele Sprachen wie das Lateinische oder Griechische nicht so besonders für einen Endreim eignen und in prinzipiell geeigneten Sprachen oft über lange Zeiträume andere "Moden" vorherrschten (Stabreimlyrik, Blankverse, moderne ungereimte Lyrik).
Warum ich bei diesem Werk von Dir aber dazu tendiere, es trotz des "Prosasatzspiegels" als "Gedicht" wahrzunehmen, das hängt mit dem mündlichen Vortrag zusammen. Wenn man den Text (Du schreibst ja von Slam) auf der Bühen vortrüge, dann würde er wie ein Gedicht "klingen" und man würde automatisch Zeilenumbrüche "hören". Daher also: Ein Gedicht in Verkleidung. :)
Zum Inhalt gäbs auch noch viel zu schreiben... aber jetzt muss ich erstmal einkaufen... ;) ... also zu gegebener Zeit gerne mehr! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Karriereknick
« Antwort #2 am: Mai 31, 2021, 19:23:32 »
Hi Hans!

"Und ist der Bauch nicht mehr so flach, rutscht leicht man ins Charakterfach!"

Dies als metrisch passendere Alternative zum obigen entsprechenden Satz. Deine Version wirft einen leider wirklich grob holpernd aus den Leserhythmus (mit "switcht man" als Nogo-Senkungsprall!) - und ja, auch Prosatexte sollten den haben, vor allem und gerade wenn sie heimlich gereimt daherkommen!  ;) 8)

Gern gelesen und geschmunzelt!  >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Karriereknick
« Antwort #3 am: Mai 31, 2021, 21:12:27 »
Lieber Suf, lieber Erich,
Vielen lieben Dank für eure Einschätzung des kleinen Rapper Slam. Die sprachwissenschaftliche Analyse war wie gewohnt brilliant, ebenso die Warnung vor dem Senkungsprall. Das funzt natürlich nur als Performance. Ich musste allerdings einmal selber lachen bei dem Reim ... Brad Pitt Pommes Frites. Schuld war sicher der Tempranillo.
Schöne Restwoche noch. Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)