Autor Thema: Das Wort sagen  (Gelesen 1437 mal)

AlteLyrikerin

Das Wort sagen
« am: Mai 01, 2021, 11:53:27 »
Ich möchte das Wort sagen,
das sich mir schenkt,
unverziert.

Es trägt schon in sich
ein klares Lichtes,
scheu genug,
die Suchenden
nicht zu blenden

und stark genug
dem Gleißenden
sich zu versagen.
« Letzte Änderung: Mai 07, 2021, 10:45:41 von AlteLyrikerin »

Erich Kykal

Re: Das Wort sagen
« Antwort #1 am: Mai 01, 2021, 12:09:03 »
Hi AL!

Die Erhabenheit der Bescheidenheit, die Bescheidenheit der Erhabenheit - innere Größe ohne Größenwahn. Ein gutes Bestreben. Aber trägt die Bewusstwerdung seiner Erfüllung nicht schon einen Keim des Scheiterns in sich? Denn mündet die Selbstzufriedenheit über scheinbar Erreichtes in dieser Richtung nicht allzu oft in die Hybris eingebildeter Überlegenheit, in welcher man sich - und sei es unbewusst -  höher bewertet als andere?

Der freie Geist glaubt: Wenn du dir der darin bestehenden Gefahren stets bewusst bleibst, ist nichts Falsches daran, sich selbst höher zu bewerten als andere. Allein der Selbsterhaltungstrieb beinhaltet ja schon diesen Gedanken. Nur menschliches Denken in Begriffen wie "Demut der Gerechten" spricht von einem ideellen Konzept, da - die eigene Schwäche kennend - es automatisch davon auszugehen scheint, dass jeder sich überlegen Fühlende zwangläufig andere unterdrücken, ausnützen oder beseitigen will.
Aber ist dem wirklich so?  ;)


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Das Wort sagen
« Antwort #2 am: Mai 02, 2021, 14:54:02 »
das kriegt von mir 5 Dterne, liebe AL. Das Wort,. das sich nicht verbiegt, Das ist auch meines. LG von Agnbegte

AlteLyrikerin

Re: Das Wort sagen
« Antwort #3 am: Mai 06, 2021, 13:36:17 »
Hi Erich,

aus dem Text nimmst du Dir als Kernaussage "Erhabenheit der Bescheidenheit" bzw. vice versa, und verteidigst das Selbstbewusstsein der "Überlegenen". Mir ging es vor allem um einen sensibleren Gebrauch der Sprache im menschlichen Miteinander, aber auch in der Kunst. "Überlegenheit" ist für mich ein nutzloses Konstrukt, das uns angedient wird von den Erziehern eines falschen Menschenideals.
Was ich mit einer sensibleren Sprache meine, möchte ich mit Hilfe der folgenden, wahren Geschichte erklären.

In der Schule fragt der Lehrer nach den Berufswünschen der Schüler. Ein Mädchen, sprachlich nicht sehr wendig, langsam im Rechnen, mit überwiegend schlechten Noten, sagt, es wolle Verkäuferin werden. Viele Lehrer hätten, mehr oder weniger rüde, aber im Wesentlichen doch so geantwortet. "Das schlag Dir mal aus dem Kopf, das kannst du nicht. Sei froh, wenn Du Arbeit in einer Fabrik finden kannst."

Der Lehrer aber fragte: "Was für eine Verkäuferin möchtest Du werden". Das Mädchen erwiderte, in einem Stoffladen möchte es arbeiten, denn Stoffe seien so wunderschön und fühlten sich so gut an. Der Lehrer versprach, er wolle versuchen, eine Praktikumsstelle zu finden. Er nahm das Mädchen dann später in eine Stofffabrik mit und sagte, sie solle doch mal ausprobieren, ob die Arbeit dort ihr Freude machen könnte.

Monate später schaute der Lehrer nach, wie es im Praktikum gegangen sei. Der Abteilungsleiter sagte, das Mädchen sei schon lange fest angestellt und arbeite in der Qualitätsprüfung. Es sei die beste Prüferin, die sie jemals hatten. Webfehler, die kaum mit den Augen auszumachen seien, erspüre sie mit den Fingern. Was ihr entgehe, würden auch die Kunden nicht bemerken können. Sie werde von allen in der Abteilung geschätzt und sei in der Arbeit sichtlich aufgeblüht.

Vielleicht meinst Du, diese Geschichte passe nicht zu meinem Gedicht. Ich finde schon. Das Wort zu sagen, das erhellt, Lösungen zu finden erlaubt, sich nicht mit Wendungen wie in gleißenden Reklamen zufrieden gibt, das erfordert ein sensibles Zuhören und Zugehen auf den Hörer.

Liebe Agneta,

Du findest in dem Text, das Wort, das sich nicht verbiegt. Ich denke, das steckt auch wirklich darin. Aber fünf Sterne sind wirklich zu viel.

Herzlichen Dank, Euch beiden für den Kommentar.
Liebe Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Das Wort sagen
« Antwort #4 am: Mai 06, 2021, 18:28:17 »
Ich möchte das Wort sagen,
das sich mir schenkt,
ohne es zu verzieren.

Es trägt schon in sich
ein klares Lichtes,
scheu genug
die Suchenden
nicht zu blenden

und stark genug
dem Gleißenden
sich zu versagen.

Hi Al!

Worauf bezieht sich das "es" in S1Z3? Wäre es so nicht sinnvoller: ohne etwas zu verzieren, oder: ohne sich zu verzieren, oder: ohne das Genannte zu verzieren.

Ich denke, in S2Z3 gehört ans Ende ein Komma. Auch ans Ende von Z5. Dann noch in S3Z1, auch am Ende.

-------------------------------------------------------

Zu meinem Kommi: Ich meinte natürlich nicht die arrogante Art Überlegenheitsgefühl, sondern schlicht die nüchterne Erkenntnis, dass man in gewissen Dingen einfach besser ist als andere, etwas besser kann, auch vielleicht (bisweilen) besser denkt usw.. Diese Erkenntnis führt bei reifen Menschen zu keinen weiteren Handlungen oder Entscheidungen.
Der selbstbewusste Mensch ist sich darüber im Klaren, ohne aber andere darob geringer zu schätzen oder auf sie herabzusehen.

Nur der Armselige, der seinen Selbstwert erhöhen will, in dem er andere bewusst als minder beurteilt und sie dies auch ständig spüren lassen muss, um das eigene Ego zu stabilisieren, agiert jämmerlich und verurteilungswürdig.

Wir sind nun mal nicht alle gleich, darum auch nicht alle gleich gut, klug oder geeignet für bestimmte Dinge. Aber gleicher Rechte dürfen wir gewiss sein. Und letztlich findet so gut wie jeder Topf doch seinen Deckel. Aber einige werden immer unglücklich bleiben, sich falsch eingeschätzt fühlen, zu kurz gekommen, zu Unrecht verworfen - ob das nun der Realität entspricht oder nicht. Und manchmal ist es leider real ...

Zum Lehrerbeispiel: Ich weiß als Lehrer natürlich, dass ich gebildeter, klüger, schlagfertiger dank Lebenserfahrung usw. als meine Schüler bin. Dennoch bin ich sehr beliebt. Warum? Weil ich nie auf meine Schüler herabsehe, und das spüren sie. Ich lehre sie Gehorsam, denn ohne Regeln kann kein erforderlicher Rahmen funktionieren, aber kann auch scherzen, begegne ihnen aber bei allem stets auf Augenhöhe, nehme sie ernst, wenn es drauf ankommt. Bei mir sind sie als Menschen niemals weniger "wertvoll", nur weil sie nicht so viel können und wissen wie ich.

So war das gemeint.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Das Wort sagen
« Antwort #5 am: Mai 06, 2021, 19:25:38 »
Ein aufrichtiges Wort, das sich Wahrheitssuchende gut ins Mosaik ihrer Gedanken einfügt, sich aber nicht zwecks Selbstbeweihräucherung verbiegen lässt.

Sehr wohlgesetzte Worte, liebe AlteLyrikerin.

Mit Freude gelesen.

Grüße von gummibaum 

AlteLyrikerin

Re: Das Wort sagen
« Antwort #6 am: Mai 07, 2021, 10:56:22 »
Hi Erich,

herzlichen Dank für die Hinweise zur Rechtschreibung. Auch für die Erläuterungen zu Deinen Gedanken. Es stimmt, es gibt Unterschiede. So habe ich z.B. zwei linke Hände, während mein Mann, der eigentlich Elektriker ist, so ziemlich alles reparieren kann und sogar kleine Möbel sehr gut schreinert. Ich würde mich, bei einer gefährlichen Erkrankung natürlich auch gern von jemandem operieren lassen, der darin der Beste ist. Unterschiede im Können, in der Begabung sind vorhanden. Sie zu leugnen war ein Irrtum der 68iger Pädagogik.
Allerdings besteht das Grundübel darin, aus diesen Unterschieden Bewertungen, Abwertungen über Menschen abzuleiten. Warum ist ein Müllwerker nicht so angesehen wie ein Arzt? Das ist dumm und borniert. Beide Tätigkeiten sind notwendig.
Aber genug davon, ich denke, darin stimmen wir doch überein.

Lieber gummibaum,

auch Dir herzlichen Dank für den freundlichen Kommentar.

Herzliche Grüße Euch beiden, und AlteLyrikerin wünscht ein schönes Wochenende!