Autor Thema: Blütenphilosophie  (Gelesen 1503 mal)

AlteLyrikerin

Blütenphilosophie
« am: April 18, 2021, 13:37:46 »
Blühen,
wenn es an der Zeit ist.

Den lauen Winden entgegen
und dem Kuss der Sonne.

Welken,
wenn es an der Zeit ist.

Und der Samen
ist immer ein Gut.

Für die Vögel am Himmel
oder für ein neues Blühen.
« Letzte Änderung: April 18, 2021, 13:41:54 von AlteLyrikerin »

Rocco

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #1 am: April 18, 2021, 17:02:48 »
Guten Tag Lyrikerin,

dem Alltag, philosophische Erkenntnisse abzugewinnen, ist mehr als ein Zeitvertreib, es ist eine Lebenseinstellung.

Mir fällt auf, dass du die Sonne personifizierst (als liebende Mutter), was aber sind die Winde?

Ich bin der Ansicht, dass man konsequent sein sollte: wenn schon personifizieren, dann auch die Winde, zum Beispiel, als Vater. Dann wäre der Wind richtiger. So wären Sonne und Wind, die Eltern, und die Blumen wären die Kinder.

Hat was von Rose Ausländer.

Einen schönen Tag

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

AlteLyrikerin

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #2 am: April 18, 2021, 17:45:32 »
Hallo Rocco,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Aber warum muss es der Kuss der Mutter sein?  ;D
Ich möchte es ohnehin offener lassen, wofür die lauen Winde und der Kuss der Sonne stehen.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Rocco

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #3 am: April 18, 2021, 18:22:12 »
Hallo Lyrikerin,

Bedeutungen in der Schwebe zu lassen, kann ich verstehen. In der Aphoristik nennt man das Ambivalenz.

Daran, dass ich falsch lag, kannst du erkennen, wie schwer eine Deutung fällt.

Wie offen muss/ kann/ soll ein Text bleiben, damit er künstlerisch wirkt.

Nebenbei: Eine Personifikation erkenne ich nur bei der Sonne. Das wären, für mich, Punkte gewesen, die ich noch einmal überdacht hätte. Aber gut, der Text ist so, wie er dir gefällt. Auch nicht schlecht!

Einen schönen Tag

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #4 am: April 18, 2021, 21:29:34 »
Hi AL!

Gedichte über Blumen und Samen als Chiffren für die Reifung des Menschen (oder schlicht sein Älterwerden) sind so eine Sache... das Thema ist im Prinzip irgendwie ziemlich "durch", wobei man sagen muss, dass Gedichte mit dieser "Codierung" vor allem ein großes Thema der bürgerlichen Lyrik des 19. Jahrhunderts waren - das aber dann gleich so gründlich, dass man nicht mehr so recht weiß, wie man hier noch etwas Neues beitragen kann.

Also ich würde tendenziell eher die Finger von diesem etwas ausgelatschten Komplex lassen - Du hast das nicht getan und tatsächlich in der vorletzten Zeile einen Aspekt angedeutet, der gleichzeitig bedeutungsoffen (damit kriegst Du mich natürlich) und auch noch vergleichsweise weniger "benutzt" wurde. Denn was die Vögel wohl mit dem Samen letztlich anstellen, hängt doch sehr von der Art der Sämerei und der Güte des aviären Verdauungstraktes ab. Es mag sein, dass der geflügelte Bote den Samen in der Welt verbreitet, auf dass andernorts neues Grün hervorkeimt, es mag aber auch sein, dass der Piepmatz, wenn er denn ein Körnerfresser ist, die dargebotenen Kalorien als Sprit für den nächsten Rundflug benutzt und das, "was hinten rauskommt" ein ziemliches biologisches Dead End repräsentiert. 

Also mit diesem offenen Bild bin ich eigentlich ganz happy. Was mir aber ein bisschen gegen den Strich geht, ist dass dann in der letzten Zeile nochmal eine doch ganz schön konventionelle Sichtweise dargeboten wird. Ich habe gar nichts gegen ein optimistisches Ende eines Gedichts, aber genau das ist eben in der Gattung der "Blüh-auf-und-werd-zum-Samen"-Lyrik schwierig weil, siehe oben: für mein Liking etwas ausgelatscht.

Für einen positiven Entwicklungsschluss - wahlweise der Sorte nach dem Abblühen gibts "in einer besseren Welt" die Bonusrunde oder aber nach dem Motto "wir geben etwas an die lieben Verbliebenen weiter" - würd ich persönlich dringend zu einer anderen bildhaften Ausgangskonstellation raten. ;)

LG!

S.
« Letzte Änderung: April 18, 2021, 21:57:05 von Sufnus »

AlteLyrikerin

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #5 am: April 19, 2021, 11:42:05 »
Lieber Sufnus,

herzlichen Dank für die Beschäftigung mit dem Text.
Zitat
Also ich würde tendenziell eher die Finger von diesem etwas ausgelatschten Komplex lassen
Das mag schon sein, dass es im 19. Jahrhundert total ausgeschrieben wurde. Aber da schaue ich nicht vorher nach, wenn ich etwas schreibe, das sich mir ganz persönlich thematisch "andient". Gerade die Veränderung in der Welt stellen den "ausgelutschten" Inhalt in einen total veränderten Kontext, auch ohne dass ich an der "Modernisierung" eigens arbeiten müsste.
Was das letzte Bild angeht, so ist es in seiner Schlichtheit doch gerade brauchbar. Die Vögel fressen den Samen, oder er wird, ausgesät und nicht gefressen, zu neuen Blüten heranwachsen. Er ist also in jedem Fall zu etwas gut.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Blütenphilosophie
« Antwort #6 am: April 22, 2021, 19:11:42 »
der Kreislauf des Lebens , gefasst in eine gewisse Demut. LG von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #7 am: April 23, 2021, 13:13:42 »
Liebe Agneta,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine Interpretation.
Liebe Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Blütenphilosophie
« Antwort #8 am: April 28, 2021, 19:01:37 »
ja, ich sehe es durchaus als Symbol für ein Menschenleben. LG von Agneta

gummibaum

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #9 am: April 29, 2021, 15:49:46 »
Liebe AlteLyrikeri,

schön hast du die Abschnitte menschlichen Lebens in pflanzlichen Bildern veranschaulicht und ein Weiterleben in anderen Formen gezeigt.

Sehr gern gelesen.

LG gummibaum



 

AlteLyrikerin

Re: Blütenphilosophie
« Antwort #10 am: April 30, 2021, 12:33:51 »
Liebe Agneta, lieber gummibaum,

herzlichen Dank für Eure freundlichen Interpretationen.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.