Hi Suf!
Erst mal erneuten herzlichen Dank für die so ausführliche und vertiefende Behandlung meines Vierzeilers.
Wie üblich ist Ringelnatz zwar witzig, aber metrisch enttäuschend: Z3 fällt unangenehm aus dem Rahmen. Wäre aber leicht zu beheben gewesen: "Bumerang
entflog ein Stück,".
Auch ich kenne kurze Werke mit Wirkung, zB. von Rilke:
Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast;
ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.
Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, -
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon.
Okay, das sind zumindest 2 Strophen, aber immerhin.
Aber dies:
Ihr Mädchen seid wie die Gärten
am Abend im April:
Frühling auf vielen Fährten,
aber noch nirgends ein Ziel.
Oder dies:
Die Jugend haben -, oder Jugend geben -
gleichviel wozu man sich entschließt:
denn ewig unverlierbar ist das Leben,
wo es aus reinen Kräften sich vergießt.
Und dies:
Sag weißt du Liebesträume? Treiben nicht
auf deinem Blut Kelchblätter weicher Worte?
Sind nicht an deinem lieben Leibe Orte,
die sich entsinnen wie ein Angesicht?
Zuletzt:
Lauschende Wolke über dem Wald.
Wie wir sie lieben lernten,
seit wir wissen, wie wunderbald
sie als weckender Regen prallt
an die träumenden Ernten.
Es gäbe sicher noch mehr Exempel für sein Genie auch im Kurzen.
Hier noch eine kleine Antwort meinerseits auf deine Herausforderung:
Ich gehe aus
ganz innen.
Hier ergibt sich die lyrische Wirkung aus der Doppeldeutigkeit der ersten Zeile. Der Leser erwartet zu erfahren, woraus das LyrIch räumlich betrachtet geht, und zu welchem Behufe - und muss ernüchtert feststellen, dass die Zeile eine ganz andere Deutungsebene bedient. Auf dieser Ebene liest er weiter: " ...aus ganz innen - wohin?" - Und findet sich auf einer dritten Bedeutungsebene wieder.
Nach meinem Ermessen ein "kürzest mögliches Gedicht", wenn auch reimlos.
LG, eKy
-------------------------------------------------------------------------------------
Hi, AL!
Ich halte solche "langwierig-langweiligen" Werke meist doch durch in der Hoffnung auf Besserung oder zumindest ein würdiges Ende. Aber du hast Recht: Meist lohnt es nicht.
Vielen Dank für das Lob!
LG, eKy