Autor Thema: Der Kulti-Multi  (Gelesen 769 mal)

Erich Kykal

Der Kulti-Multi
« am: M?RZ 06, 2021, 11:01:27 »
Wir sind Konzern. Wir machen weltumspannend
Geschäfte, wo Ideen sich befehden.
Wir bauen Waffen und beliefern jeden,
der Kriege führt, zur Herrschaft sich ermannend.

Wir machen Geld, egal wie falsch und schmutzig.
Gewissen ist Begrenzung für die Blöden!
Wir tanzen gern auf spiegelglatten Böden
von Politik und finden Leute putzig,

die allerlei vom Wert des Lebens reden,
vom Recht auf Sicherheit und freie Wahlen,
die wir mit unserm Steuergeld bezahlen
und einem Arbeitsplatz für beinah jeden.

Wir sind Konzern. Bei uns sind gleich willkommen
die Streiter jeder Wahrheit, denn Kulturen
sind nur die willig hingestreckten Huren
von Mensch und Gott, der sich die Macht genommen.

Wer sagt, was gilt, wird uns für immer brauchen,
und auch, wer ändern will, was so besteht.
Wir sind Konzern und wissen, wie das geht,
und werden reicher, wo die Trümmer rauchen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #1 am: M?RZ 06, 2021, 18:16:01 »
Holla Erich,
nach der Dornenhose haust du son Ding raus !!!! Wow !!! Ich bin überrascht.
Irritation hatte ich bei ermannend. Das hätte ich mir passend zum Kontext etwas moderner gewünscht.
Die Trümmer kommen mir so unumstößlich vor, so als gäbe keine revolutionäre Alternative oder Konsequenz.
Ansonsten, klare Sprache, prägnante Aussage ... sehr gern gelesen. Gruß vom Hans

"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #2 am: M?RZ 06, 2021, 23:10:41 »
Hi Hans!

"Sich ermannen" finde ich ein schönes Wort, und leider sind es meist auch Männer, die Kriege führen oder Herrschaft und Macht suchen, um als Sieger die Geschichte zu diktieren und Kulturen nach ihren Vorstellungen zu formen. Arschlöcher eben ...  ::) >:D

Die Konsequenz aller Revolutionen sind nun mal Trümmer, ob "real" oder in Herzen und Hirnen der Täter und Opfer. Wer Waffen baut und verkauft, ist ursächlich für die Trümmer verantwortlich, die sie verursachen. Wenn ein Kind ein anderes Kind erschießt, wird ja auch derjenige verurteilt, der dem Jugendlichen Zugang zur Waffe ermöglicht hat, und nicht der Unmündige.
Und ideologisch aufgeladene politische oder indoktrinative religiöse Systeme sind nach wie vor hochgradig unmündig, unlogisch emotional und unzurechnungsfähig. Das liegt allein schon an der Gruppengröße: ein Mensch kann intelligent denken und handeln (und das auch nicht immer), aber schon eine Menge von 50 Personen hat, soll sie im Konsens handeln, bereits nur noch die Intelligenz eines Frosches. Noch größere soziokulturelle Konglomerate sind rein reaktiv, befolgen nur noch hirnlos die Befehle dessen, was sie als ihr Gehirn akzeptieren: Regierung, Preisterschaft oder Alleinherrscher. Das gilt besonders für extrem autoritär strukturierte Systeme wie das Militär, Odnungskräfte oder eingeschworene Politbündnisse wie Parteien, Religionsgemeinschaften oder Geheimbünde.

Wer also international mit Waffen handelt und jeden bedient, der zahlen kann, ist ebenso verbrecherisch wie der, der einem Kind eine geladene Waffe in die Hand drückt, das gerade Streit mit einem anderen hat.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #3 am: M?RZ 07, 2021, 11:58:36 »
ich stimme dir zu, lieber Erich. Wir sind Konzern, auch oft im angepassten gesellschaftsdenken. Was tut man, um nach oben zu kommen... Die vorletzte Strophe finde ich genial.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #4 am: M?RZ 07, 2021, 16:03:56 »
Hi Agneta!

Vielen Dank für die Blumen!  :)

Allerdings - nur um das klarzustellen, sollte es da zuviel Interpretationsraum geben - meint mein Gedicht nicht eine ganze Volksgemeinschaft, sondern wirklich die rein aus Gewinninteresse international agierenden waffenproduzierenden Konzerne.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #5 am: M?RZ 21, 2021, 18:42:13 »
Hi eKy!
Bei diesen ebenso wahren wie beklemmenden Zeilen will ich doch auch noch in den Lobgesang einstimmen und die Verse nebenbei auch nochmal ein wenig lupfen! Wenn hier nicht mehr Leute einen Kommentar hinterlassen, dann wahrscheinlich, weil die meisten hier einfach nur betrübt mit dem Kopfe nicken und nach dem flüchtigen Lesen einfach ganz Deiner Meinung sind.
Allerdings hast Du in S3 eine kleine Spitze versteckt, die das Gedicht noch einen Tacken gruseliger macht und eine vertiefende Diskussion wert ist: Das "Lyrische Wir" des Gedichts, offenbar eine Gremium für Unternehmenskommunikation oder vielleicht auch der Aufsichtsrat, weist in dieser Strophe darauf hin, die westlichen Freiheitswerte würden zu einem signifikanten Teil von eben jenem Konzern, offenbar ein globaler Akteure des Rüstungsmarkts, finanziert ("von unserm Steuergeld bezahlen").
Nun wird man schnell widersprechen wollen, der "miltärisch-industrielle Komplex" mag ja wirtschaftlich und politisch eine fatale Machtfülle besitzen, aber die Mehrzahl der "Wertschöpfer", die zu unserem behaglichen westlichen Wohlstand beitragen sind doch brave zivile Unternehmen, oder? Nunja... ob diese beruhigende Selbstversicherung meinerseits nicht zu kurz gedacht ist?
Deshalb - lüpflüpf!!! - hier gibt es mehr Diskussionsbedarf, als vielleicht auf den ersten Blick zu vermuten wäre...
LG!
S.
P.S.:
Und nur noch was kleines Formales - man soll ja die Feste feiern, wie sie fallen - beim "Ermannen" bin ich tatsächlich eher bei Hans... ein schönes Wort und wenns gegen die doofen Männer geht, bin ich ja alleweil dabei - aber von der Sprachebene passt es für mich auch nicht so ganz zum Rest.
« Letzte Änderung: M?RZ 21, 2021, 18:43:54 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #6 am: M?RZ 21, 2021, 20:25:47 »
Hi Suf!

"Ermannen" bleibt, da bin ich eisern - vor allem, weil ich zu faul bin, das olle Dingens noch umzuschreiben. Ich wundere mich ohnehin zuweilen, wie viele Beiträge die aus meiner Sicht lyrisch weniger wertvollen Texte oft bekommen (oder wie hier sogar geliftet werden), während - wie gerade jetzt wieder mal (Siehe zB.: "Les Choristes", "Woraus wir werden", ...) - die wirklich nach meinem Ermessen besser gelungenen Werke unkommentiert bleiben. Das soll kein Vorwurf sein - ich konstatiere nur.
Versteh mich richtig: Ich bin aufrichtig dankbar für JEDE Liftung, für JEDEN Kommi - aber es versetzt mich irgendwie innerlich ins Ungleichgewicht, wenn so ein Vierzeiler-Schnellschuss aus einem Kommi wie "Gedanke und Gefühl" seitenweise Aufmerksamkeit bekommt, während wesentlich schönere und lyrisch wertigere Sonette praktisch ignoriert zu werden scheinen.
Das soll kein Ausdruck meiner literarischen Eitelkeit sein, bloß das Bedauern über den Umstand an sich und das Unverständnis darüber, was dazu führt.

Also, vielen Dank für den lieben Kommi zu diesem Werk - ich weiß, du tust viel, um mich "bei Laune zu halten". Darum ist mir auch wichtig, dass du dieses Ausrotzen meinerseits nicht als an dich oder das Forum gerichteten Vorwurf oder versteckte Aufforderung verstehst. Ich habe mir bloß ein wenig den Frust von der (nicht vorhandenen?) Seele getippt.

LG, eKy
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Sufnus

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #7 am: M?RZ 22, 2021, 10:42:18 »
Hi eKy!
Du hast einen wichtigen Aspekt hervorgehoben: Die Qualität eines Gedichts korreliert auf der Wiese wie in jedem Forum nur sehr ungenau (wenn überhaupt) mit der Anzahl der Antwortbeiträge.
Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig - mal verbirgt sich hinter dem ausbleibenden Echo auf einen sehr guten Beitrag Überforderung der Leser und manchmal ist der Beitrag vielleicht doch nicht so gelungen, wie der Autor meinte (ich rede dabei jetzt überhaupt nicht von Dir - versprochen!!! - sondern ganz allgemein).
Umgekehrt kann womöglich ein sehr großes Echo bei eher schwächeren Beiträgen dadurch entstehen, dass man als Leser einem Schlichtgedicht auf Augenhöhe begegnen kann, ohne sich anstrengen zu müssen oder auch mal dadurch, dass ein Leser sich durch ein schwächeres Gedicht ermutigt fühlt, Verbesserungsvorschläge anzubringen oder auch Kritik zu üben - bis hin zur Schmähkritik bei einem ganz grottigen Werk (was natürlich nicht nett und völlig abzulehnen ist). :)
Und dann wird die Korrelation zwischen Qualität und Anzahl der Antworten noch durch Zufälligkeiten weiter "verschmiert" - vielleicht ist grad die Leserschaft etwas im Aufmerksamkeitstal oder zahlenmäßig etwas dezimiert (wie zurzeit hier auf der Wiese), während justament der Autor ein Bombengedicht rausgehauen hat. Da gibt es eben auch Wellenbewegungen, die die Aufmerksamkeit, die einem Gedicht zuteil wird, zusätzlich überlagern.
Du hast aber unabhängig davon völlig Recht damit, dass ein paar Klasse Gedichte von Dir noch meiner Kommentare harren... ich bleibe dran! :)
Bei "Gedanke und Gefühl" bleibe ich aber dabei, dass es sich bei aller Kürze und Adhocizität um ein wirklich sehr sehr gutes Gedicht handelt, welches die Aufmerksamkeit und das Echo vollumfänglich verdient! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Der Kulti-Multi
« Antwort #8 am: M?RZ 22, 2021, 17:21:00 »
Hi Suf!

Danke für dein Verständnis!

Manchmal ist der einzige Grund eben auch, dass man es im falschen Moment gepostet hat, als gerade keiner der Stammleser zugegen war, so lang das Werk an der Forenoberfläche war, und es wurde unbemerkt von den üblichen Kommentatoren des jeweiligen Autors hintan gereiht und verschwand, nie beantwortet, weil schlicht nie registriert.
Wer ruft schon regelmäßig die Themen eines bestimmten Dichters auf? - Auch ich (Asche auf mein Haupt!) bewege mich meistens aus Bequemlichkeit auf der Schauseite und schau nur dort, was es Neues gibt.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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