Autor Thema: Bin ich?  (Gelesen 2296 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Bin ich?
« Antwort #15 am: August 26, 2020, 18:10:16 »
Ist der Autismus hochfunktionell liegt oft repetitives Verhalten vor, Sprach- und Entwicklungsverzögerungen usw.
Das heißt im Regelfall, dass die Betroffenen weder Ironie noch Sarkasmus verstehen und sowieso alles wörtlich nehmen. Denn dafür ist Sprache da, um wörtlich zu sein. Redewendungen sind einfach nur kryptisch und unverständlich. Ein Kampf gegen Windmühlen ist wie das gesagte „Ja“ einer „Nein“ meinenden Frau.

Das ist kein Muss und versteht man die Problematik innerhalb eines Spektrums, dann ist sehr viel variabel und individuell. Es gibt daher auch keine typischen Autisten, auch wenn das gern als Vorurteil durch die Medien kursiert. Bei Frauen ist das noch viel komplizierter. Autistische Frauen sind oft sehr kommunikativ, sozial und sogar überdurchschnittlich anpassungsfähig, das eine Diagnose extrem erschwert.

Die Männer sind da schon einfacher zu erkennen, aber auch da ist die Vielfalt so schön wie ein Pfau.

Was du beschreibst waren aber definitiv Zwänge respektive Ticks, die oft dann generiert werden, wenn innerliche Unordnungen vorliegen. Man legt sich die Außenwelt in den rechten Winkel, um innere Ordnung zu schaffen.
Droht der Verlust von Kontrolle, werden die Zwänge stärker.
Hier benötigt es mehr Bindungs- und Selbstsicherheit aber auch ein stabiles Umfeld.

Ich bevorzuge es selbst meine Zeit mit Autisten zu verbringen, da ein Umgang mit diesen für mich sehr einfach ist, vor allem kommunikativ. Absolute Transparenz, absolute Zuverlässigkeit und grundlegende Ehrlichkeit auf allen Kommunikationsebenen.


AlteLyrikerin

Re: Bin ich?
« Antwort #16 am: August 26, 2020, 19:02:01 »
Hi Erich,
Danke für Deine Offenheit! Mit dem Krankheitsbild des Autismus, wie auch mit anderen psychischen Störungen kenne ich mich nicht aus. Heutzutage ist ja jeder ein "Psycholego" (Wortverfälschung eines kleinen Mädchens - "Mein Papa ist Psychlego"), was i.d.R. nur bedeutet, dass man nicht nur in eine soziale Schublade geräumt wird sondern auch noch in eine passende mit psychologischen Etikett. Wenn man seine Zwänge kennt, ist das ja schon ein Vorteil, denke ich.
Jedenfalls wird es mich nun nicht mehr verwundern, dass ein kluger, erwachsener und hoch gebildeter Mann wie ein Kind darum bettelt kommentiert zu werden. Das hatte mich verstört. Ob Du nun einen "Arm ab" hast, oder so etwas, das ist mir letztlich einerlei. Jetzt kann ich das einfach akzeptieren.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Bin ich?
« Antwort #17 am: August 26, 2020, 19:55:16 »
ich meinte, einen Weg für sich innerhalb der Unfreiheit also die maximale Freiheit... :)LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Bin ich?
« Antwort #18 am: August 26, 2020, 20:17:21 »
Ich erinnere mich, in meiner Schulzeit lang extreme Probleme mit "Verladungen" gehabt zu haben, denn ich rechnete immer damit, dass man mir die Wahrheit sagte. Und Ironie, sprich "freundliche Witze auf meine Kosten", musste ich erst schmerzlich lernen. Ich war naiv geradezu und leicht aufs Glatteis zu führen - Urvertrauen nannte man das.
Mit Witzen auf meine Kosten konnte ich als Kind nie richtig umgehen - anstatt mit gleicher Munition zurückzufeuern (wie ich es heute kann), schmollte und zürnte ich, zog mich zurück und duckte mich weg. Als Kind hatte ich kaum genug soziales Selbstvertrauen, um mich adäquat zu artikulieren, und meine Gefühle zu kontrollieren schaffte ich erst recht nicht. Ich hasste jene, die mich auslachten und "komisch" fanden, glühend, und mich selbst, weil ich ihnen gegenüber so hilflos war!

Man wies mir die Rolle des unfreiwilligen Klassenkaspers zu, und letztlich akzeptierte ich sie, um so wenigstens überhaupt ein wenig (zumindest scheinbar) positive Resonanz in meinen gleichaltrigen  Mitmenschen zu generieren, die ich aufsaugte wie ein Verhungernder - damals war mir die Meinung meiner Nächsten noch sehr wichtig. Ein Kind definiert sich und seine Rolle im sozialen Umfeld ja genau darüber, und mir blieb letztlich eben die Rolle des außenstehenden Analysators, verachtet, aber insgeheim überzeugt, allen überlegen zu sein. Aus dieser selbstgenerierten Hybris zog ich damals all mein (jämmerliches) Selbstbewusstsein, das mich psychisch gerade so über Wasser hielt, denn von außen bekam ich praktisch keinerlei Achtung. Selbst für meinen psychologisch völlig unbeleckten Vater war ich (als gemobbter Schulverweigerer, was er nie recht mitbekam oder nicht für wichtig hielt) eine Enttäuschung - er wollte mindestens einen Chefarzt als Sohn und bekam - nach Jahren der teuren Nachhilfe in Mathe und Latein - letztlich einen marginal motivierten Hauptschullehrer ohne jegliche Karriereambitionen, denn damals hatte ich mich schon aus dem "Menschenspiel" ausgeklinkt und lebte mehr oder weniger einsiedlerisch.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Bin ich?
« Antwort #19 am: August 27, 2020, 17:49:48 »
Liebe Agneta,

Zitat
ich meinte, einen Weg für sich innerhalb der Unfreiheit also die maximale Freiheit...
Ja, natürlich. Entschuldige, ich habe über Deine Antwort nicht genug nachgedacht.
Liebe Grüße, AlteLyrikerin.