Autor Thema: Braver Künstler 2  (Gelesen 1088 mal)

hans beislschmidt

Braver Künstler 2
« am: September 10, 2020, 11:01:53 »
Braver Künstler 2

Wenn Künstler heute demonstrieren,
gibt man sich brav und hübsch gescheitelt.
Wer's Maul aufreißt beim Musizieren,
hat seinen Gig schnell selbst vereitelt.

Büdde, Büdde, Herr Minister Spahn,
gib uns was aus deiner Portotasche,
damit der Gröni wieder spielen kann.
Der Rest bestreut das Haupt mit Asche.


"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #1 am: September 11, 2020, 11:25:38 »
Hi Hans!

Das mit den dienernden Künstlern scheint dich sehr zu beschäftigen - schon das 2. Gedicht dazu, um es zu verarbeiten! (Erinnert mich an mein Verhältnis zur AfD - da können wir uns wohl noch auf mehr freuen ...  ;)).

Tja, es ist wohl überall so: Die "großen" Namen werden umworben, die kleinen bestenfalls pro forma subventioniert, und das auch nur, wenn sie "gefällige Kultur" oder gängige Kunst betreiben. (Was auch nicht immer stimmt, denn wie kann es dann sein, dass ein Musiker der "Modernen Klassik" für ein paar Stunden Fabrikshallenlärm mit Orchestergerät  vom Staat Zuschüsse kassiert!?  >:()

Und es war auch immer schon so, dass die bewusst unliebsamen Stimmen eher zum Schweigen gebracht wurden ...  ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #2 am: September 11, 2020, 13:29:09 »
Hi Erich,
so ist es gemeint und ja, es stimmt, es beschäftigt mich ungemein. Vor dem Hintergrund der Demo diesen Montag, als Vertreter der Veranstaltungswirtschaft mit etwa 1000 Teilnehmern in Berlin demonstriert haben. Es war allerdings eher ein Betteln  um Subventionen, weil die Hintergründe ihres Arbeitsverbots weder angesprochen, noch kritisiert wurden (aus den bekannten Gründen). Hätte ich mein Theater nicht 2018 verkauft, wäre ich jetzt in der gleichen ausweglosen Situation. Bezeichnenderweise wurden auch keine Demonstranten geduldet, die am Sonntag davor demonstriert hatten (Querdenken 711), um die Richtigkeit der Regierungsmaßnahmen nicht in Frage zu stellen. Ich werte das als Schleimerei und es zeigt, wie abhängig diese Branche von der Politik ist.
Es kann doch nicht sein, dass in Zeiten von Culture Cancel gerade die Künstler und die gesamte Eventbranche auf Stillhalten und Konformität gebürstet werden, nur weil die Auftragslage von administrativen Entscheidern abhängig ist, nach der Prämisse " oh Gott, ich darf den Mund nicht aufmachen, sonst verliere ich in Zukunft sämtliche Engagements". (Welche Zukunft eigentlich?)
Der Round Table Talk mit der Politik hat in zu viel "wenn und aber" versagt und die Vertröstungstaktik ist leicht zu durchschauen, genauso wie die substanzlosen Presseberichte darüber.
Es sollte jetzt schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfe geleistet werden. Es ist doch schmierig, zuzusehen, wie eine Insolvenzwelle billigend in Kauf genommen wird und die Soloselbstständigen das Häuschen weggepfändet bekommen.
Mich macht das sehr, sehr traurig, nach so vielen Jahren Kulturbetrieb zuschauen zu müssen, wie die Kollegen noch gegeneinander ausgespielt werden.
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

AlteLyrikerin

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #3 am: September 11, 2020, 15:56:19 »
Lieber Hans,


Deinen Protest in Bezug auf die Behandlung der Künstler verstehe und teile ich. Kunst ist wohl eher nicht systemrelevant, wie es scheint. Vor allem dann nicht, wenn sie aufmüpfig kritisch daher kommt.  >:D
Allerdings sollte sich die Kritik nicht nur auf die staatliche Subventionierungspolitik richten. Es sind alle gefragt, kreative Möglichkeiten im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu suchen. Unsere Selbsthilfegruppe Krebs hat sich zum Beispiel im Juli, nach langer aufgezwungener Pause, in einem Biergarten erstmals wieder getroffen. Ich habe dann Kassensturz gemacht und festgestellt, dass wir 200 € mehr haben als in nächster Zeit gebraucht wird. Dafür habe ich dann eine halbe Stunde eine Künstlerin auftreten lassen. Ihr war - ein wenig - geholfen, und meine Gruppenmitglieder hatten eine riesige Freude an der Vorstellung.
Es gibt in der Pandemie nicht nur Verlierer, sondern auch Branchen, die boomen. Da könnte ja auch jemand auf die Idee kommen, eine Künstlergruppe zu unterstützen.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

a.c.larin

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #4 am: September 12, 2020, 07:36:06 »
hallo hans,

ich verstehs , dass dich das aufregt, was rund um die kunst derzeit für murks passiert.
ich bin beruflich  ( fast) aus der schule draußen  und mich ärgerts auch, was rund um schule und bildung politsch  verbraten wird (und wurde)

mit corona sind wir offensichtlich alle überfordert - und die politik ganz besonders. da brechen viel zu viele baustellen gleichzeitig auf.
alles, was immer schon nicht ganz gepasst hat, wird jetzt, wie unter einem vergrößerungsglas, überdeutlich sichtbar.

ich fürchte fast, dass da auch viel mehr hilfe gebraucht wird, als geholfen werden kann. weil so viele bereiche und branchen betroffen sind.
und jede  branche möchte natürlich zuerst mal den eigenen bereich "retten". das wir aber alle zurückstecken werden müssen, das schmeckt uns gar nicht.

kunst ist sicher was ganz, ganz wichtiges, nur:

erst kommt essen, wohnen, gesundheit, arbeiten, kinderbetreuung & schule. beinhartes faktum.
schlimm für die davon betroffenen berufe!
wenn jetzt die corona zahlen wieder rapide ansteigen, wird es sehr schwierig werden für die veranstalter , ihre veranstaltungen abzuhalten.
wo noch dazu eine menge spaß digital aus dem internet abgerufen werden kann.

was da derzeit über uns hinwegbraust, ist noch lange nicht gekocht und gegessen.

mir ist völlig unverständlich, dass es dann auch noch leute gibt,  die wegen der dämlichen maskenpflicht auf die straße demonstrieren gehen.
es ist eine einschränkung der persönlichen freiheit , ja -- aber ich glaube, wir werden lernen müssen,  nicht mehr so frischfröhlich uns alles und jedes erlauben zu wollen.
weniger fliegen, weniger auto fahren , weniger fleisch essen, weniger ressourcen verbrauchen.....wirtschaftswachstum allein kann nicht mehr die lösung sein.
wohin sollen wir denn noch wachsen?

wenn nicht corona, dann wird uns der klimawandel grenzen setzen  und die neuen flüchtlingströme werden unsere gesellschaften gründlich aufmischen, unweigerlich.

im augenblick scheint sich alles zu entmischen, dabei wäre das genaue gegenteil notwendig: zusammenhalt.
aber wer soll  der  auf individuellen  lustgewinn getrimmten spaßgesellschaft beibringen, dass der einzelne zwar wichtig ist, aber das gemeinwohl noch wichtiger?
der große, starke mann aus.... russland, china, ungarn, türkei?
brr - ned amoi daran denken!

da müsste ein ganz neuer sozialismus her, ein neues, ethisch- moralisches bewusstsein.


tja, womit wir wieder bei der kunst wären. die hätte dann wohl die aufgabe, sich dafür einzusetzen.  aber soll die wirklich gesponsert werden von den ewiggestirgen machthabern und lobbyisten, die weiterhin ihre pfründe absichern wollen? echt jetzt?

ich glaube, das ist ein frommer wunsch, der so nicht funktionieren wird.

es wird wieder einmal an jedem einzelnen neigen, da eine rigorose, persönliche entscheidung zu treffen. und zwar in seinem eigenen, individuellen leben.
was wieder bedeutet, das es  x - individuelle entscheidungen gibt, mit x individuellen zielen - politisches hickhack und gezerre vorprogrammiert.
war das aber jemals anders?

ein kleines, bezopftes mädchen hat uns auf etwas aufmerksam gemacht - corona setzt noch eins drauf.
ich denke, wir haben jede menge zu tun.  aber gleich, wo wir auch beginnen: ich fürchte, irgendwas anderes wird dafür wieder auf der strecke bleiben.
da aber alle: ich nicht! schreien, ist der wirbel vorprogrammiert.

helfen kann man wohl immer nur im kleinen, so wie das  Alte Lyrikerin vorschlägt.
so, wie es auch in einem ganz alten buch steht: bin ich der hüter meines bruders? oh ja - manchmal schon.

lg, larin



« Letzte Änderung: September 12, 2020, 07:45:54 von a.c.larin »

hans beislschmidt

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #5 am: September 14, 2020, 11:20:19 »
Liebe AL (Marianne?)
die Kleinen haben es noch gut, denn die Open Air Saison bietet noch Möglichkeiten, ähnlich wie euer Engagement im Biergarten. Was hat die Künstlerin eigentlich dargeboten?
Gestern hab ich drei Kollegen die Ehre in Erfweiler auf der Wanderhütte erwiesen. Hutsammlung ist sicher eine Alternative, um noch etwas Steuern zu sparen und die Saarländer sind bei Festen nicht knauserig. Aber die Herbst Winterzeit naht und da sieht's wieder trübe aus. Was ich aber festgestellt habe: - die drei hatten Freude am Spielen und man merkte, dass es ihnen wichtig war ihre Kunst zu leben, auch wenn die gesamte Szene in der Krise steckt. Der Sänger Werner Fünffrock hat auch viele Konzerte gestreamt aber ob die Spendenbereitschaft dort groß war, wage ich mal zu bezweifeln. Ich war eh nie Fan von Großveranstaltungen aber die Festival und Messeveranstalter trifft es besonders hat. Das stehen, Beschaller, Bühnenbauer, Caterer, Lightshows von heute auf morgen vor dem Nichts. Das ist hart für den sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands und flammende Reden von Gutmensch-Gröni nutzen auch nichts. Da lob ich mir die handgemachte Kleinkunst hier im Saarland bei freundlichen Menschen und Rhabarberkuchen. Danke, Gruß vom Hans
.
Werner Fünffrock How deep is your love
https://youtu.be/jNBN9a7FrHw

Hallo Larin, 
Beim Thema Maskenpflicht, Bürgerrechte sind wir wohl unterschiedlicher Meinung und auch zur Zöpfelgreta hätte ich einiges zu sagen. Nun gut, führt wohl zu weit. ....

Wer hätte noch vor Jahren daran gedacht, dass die Schlagworte systemrelevant oder alternative Fakten die Medien beherrschen würden? Ja, die Pandemie, wie auch Migration, Fridays for Future werden die Welt verändern und das ist gewollt, nicht weil es moralisch ist, sondern weil es dem Machterhalt dient, den Kapitaltransfer von unten nach oben beschleunigt und die Bürgerschaft durch Angstparolen diszipliniert und domestiziert. Niemand kann heute sagen, wie es im nächsten Jahr aussieht mit Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und Bürgerrechten.
Mein "braver Künstler" wurde auf Facebook gerade von meinen Bekannten aus der Kleinkunstszene ignoriert, weil alle Angst vor dem linksgrünen Shitstorm haben. Es ist erschreckend. Mein Kumpel Günni, der ein großes Showensemble leitet und jetzt Blutkonserven zu den Labors fährt, hat mehrere kritische Links eingestellt aber nicht einer seiner Sänger hat nur ein Like verteilt. Solidarität gleich Null. Die Gesellschaft ist wieder einmal gespalten und die Angst geht um.
Die Österreicher haben wenigstens ihre Eventbranche und die Soloselbstständigen unterstützt. Hier in D stehen Millionen vor dem Nichts und warten auf die neuen Hiobsbotschaften von Dr. Drosten. Es ist ein einziges Dilemma. Soweit meine Einschätzung dazu.
Danke, Gruß vom Hans
.
Coronahilfen im Vergleich
https://glocalist.press/corona-soforthilfe-fuer-solo-selbstaendige-eine-deutsche-mogelpackung-im-europaeischen-vergleich/

« Letzte Änderung: September 14, 2020, 14:48:07 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

AlteLyrikerin

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #6 am: September 15, 2020, 11:51:09 »
Lieber Hans,


Marianne heiße ich nicht, und wir kennen uns auch nicht persönlich.
Was hat die Künstlerin für uns im Biergarten aufgeführt. Eine Perfomance mit selbst gefertigten Handpuppen. Aber nicht im Sinne eines Kasperletheaters, sondern eine Persiflage auf berühmte Ikonen der Musikszene oder Möchtegernmusiker. Die Choreografie der jeweiligen Puppe zur Musik war atemberaubend gut. Meine Gruppenmitglieder haben schon lange nicht mehr so herzlich gelacht, und das ist schließlich eine gesunde Wirkung von Kunst.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

hans beislschmidt

Re: Braver Künstler 2
« Antwort #7 am: September 15, 2020, 12:06:36 »
Liebe AL,
Zitat
  Marianne heiße ich nicht, und wir kennen uns auch nicht persönlich. 
Upps ....
Die Performance hätte ich gerne gesehen, denn in dieser Art habe ich das Puppenspiel noch nicht kennengelernt.
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)