Dieses Gedicht ist ein berückend schöner Rohdiamant... ein paar inhaltliche Unsauberkeiten machen die - im Wortsinn - tiefgründigen Zeilen aber m. E. unnötig schwerverständlich.
Das erste Mal hast Du mich bei den Dornenrosen abgehängt. Eine blütenlose Dornenrose ist, so finde ich, der desöfteren bei der Gartenarbeit von Rosendornen geplagt wurde, ein gar unerfreulich Ding! Und dieses Dornengestrüpp soll im Folgenden Wurzeln im Wesentlichen schlagen? Ich verstehe, denke ich, schon Deine Intention und Du siehst die tiefwurzelnden Dornenrosen offenbar als ein gerade genügend zweideutiges Bild an, um hierdurch den Umschlag vom vermeintlich (!) Negativen (dem verschenkten Sieg) ins eigentlich Positive, die gelungene Seelenbildung, zu veranschaulichen. Aber zumindest für mich hats nicht hingehauen... ich hasse Dornenrosen (jedenfalls, wenn ohne Blüte).
Der zweite Strauchler folgte in der nächsten Strophe beim Wechsel von einem Wir ("auf den wir groß verzichten") zu einem Du (deiner Träume Raum) und wieder zurück (zu uns selbst).
Das dritte Problem ergab sich bei den vielen "sie" in der letzten Strophe: erstens klingt diese "Sie-Häufung" etwas unschön und zweitens ist das erste "sie" ein anderes (die Erfüllung von drei Zeilen weiter oberhalb) als die folgenden beiden. Es hat etwas gedauert, bis ich mich da zurechtfand.
Versuch der Beklugfummelung:
Aus leichten Siegen, die wir uns versagen,
den Schattenpflanzen, welche niemals blühn,
erwachsen Wurzeln tiefer unterm Grün,
die bis ins Herz des Wesentlichen ragen.
Aus allem Streit, auf den wir groß verzichten,
wächst innerlich ein neuer Seelenbaum
und leiht dem Rausch der Träume einen Raum,
woraus wir Brücken zu uns selbst errichten.
Erfüllung macht uns ärmer nur an Leben:
Erfülltes darf sich einzig selbst genügen.
Da wächst kein Sehnen mehr und kein Bestreben
in jenen, die ein Ziel für sich erfinden,
und alles Weitere wird sie belügen,
bevor sie überreifen und verschwinden.