Autor Thema: Lebensbild  (Gelesen 890 mal)

Erich Kykal

Lebensbild
« am: Juli 22, 2020, 10:07:47 »
So wie die Ringe eines Baums im Holze
erwächst dein Geist aus seinem engsten Kreis,
darin er alles, was ihn ausmacht, weiß,
gemindert nur von dem, was er im Stolze,

aus Angst sich antut wie auch manchen andern,
die auch nur Triebe ihrer Mitte sind
und wachsen wie ein lebenslanges Kind,
solange sie mit dir auf Erden wandern.

Wie Wellen, wo ein Stein das Wasser teilt,
verebbend ihre Gegenwart erweitern,
wirkt alles Sein, solange es verweilt,

verwebend alle Wogen im Entsinken.
Das Bild mag dich ernüchtern, mag erheitern,
doch musst auch du von diesen Wassern trinken.
« Letzte Änderung: Juli 22, 2020, 17:05:03 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Lebensbild
« Antwort #1 am: Juli 22, 2020, 11:56:26 »
Lieber Erich,

ein vielgestaltiges Bild, das Baum, Kind, Wanderer und Wasser als Träger der Erscheinungen einschließt. Schaffen sie Möglichkeiten der Entwicklung, so begrenzen sie diese auch (musst...trinken, V14). (gemindert nur um das)

Danke für die anregenden Gedanken.

Liebe Grüße von gummibaum.

Erich Kykal

Re: Lebensbild
« Antwort #2 am: Juli 22, 2020, 17:07:26 »
Hi Gum!

Ist heute so ad hoc entstanden, denn Idee hatte ich zu Beginn eher keine, bloß das Bild der Jahresringe im Holz. Musste natürlich wieder was Philosophisches werden ...  :o ::)

Dank für die guten Worte!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Lebensbild
« Antwort #3 am: Juli 25, 2020, 18:28:08 »
 Hi Erich,
die Lebensringe, die ihne sein Zutun in des Baumes Rinde entstehen, die Wasser, die sich teilen mit dem Stein, den jemand hineinwrft.
Die Wellen erweitern ihre Gegenwart , indem sie sich teilen? Ih sehe eher da eine Einschränkung als eine Erweiterung.
Eine gewisse Ohnmacht durchdringt die Zeilen. Ansonsten erschließt sich mir der Inhalt nicht so ganz.
LG von Agneta ???

Erich Kykal

Re: Lebensbild
« Antwort #4 am: Juli 25, 2020, 21:18:06 »
Hi Agneta!

Nicht jedes lyrische Bild erschließt sich einem Leser. Ich halte mich nicht für dumm, aber bei manchen Autoren stehe ich einfach auf dem Schlauch - zu unterschiedlich die Wahrnehmungsfilter, an unterschiedlichen Welten geschult ...

Die Ringe versinnbildlichen das (innere) Wachstum des Individuums im Lebensverlauf, die konzentrischen Wellen stellen die menschliche Interaktion untereinander nach, verweben sich, überschneiden einander, löschen oder verstärken einander und verebben irgendwann - wie Menschen im Dasein eben auch.

Vielen Dank für die Aufrichtigkeit!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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Agneta

  • Gast
Re: Lebensbild
« Antwort #5 am: Juli 26, 2020, 09:11:08 »
Die Bilder sind ja gut und stark, Wenn man den Baum jetzt an einen Fluss stellen würde,, dann wäre ein Übergang da und das Bild wäre klarer.
Ansonsten sehr schöne und nachhaltige Gedanken.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Lebensbild
« Antwort #6 am: Juli 26, 2020, 10:39:44 »
Hi Agneta!

Es sind zwei lyrische Bilder - ich denke nicht, dass das ein Sonett überfrachtet, und sie behandeln ja dasselbe Thema, wenn auch klar voneinander abgegrenzt: Das Baumbild bezieht sich klar auf das Individumm (S1Z2 - "So wie die Ringe ... erwächst dein Geist aus seinem engsten Kreis,"), das Wasserbild auf das Miteinander im Allgemeinen (S3Z3 - "Wie Wellen, ... wirkt alles Sein, solange es verweilt,").

Ich verstehe schon, dass dir ein einziger Blickwinkel pro Gedicht lieber wäre, klar und übersichtlich, aber ich sehe diese Prämisse hier nicht verletzt - ich verschiebe nur leicht die Perspektive auf dasselbe Bild: den Menschen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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