Autor Thema: I can't breathe  (Gelesen 827 mal)

hans beislschmidt

I can't breathe
« am: Juni 04, 2020, 12:39:08 »
Die Bullen knien gleich zu dritt auf "Floyd",
bis der am Boden jämmerlich krepiert.
Die Täter schweigen - und die Presse freut,
dass keiner sich für diese Tat geniert.

Ein Land, das uns mit Bildern grad erschlägt,
zeigt seine Fratze in den Uniformen.
Getreten wird nur, wer sein Los erträgt,
der Rest verschanzt sich hinter Normen.
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: I can't breathe
« Antwort #1 am: Juni 08, 2020, 15:37:16 »
Lieber Hans,

ich denke, dieser wichtige Text von Dir ist wohl deshalb bis dato umkommentiert geblieben, weil er im Zuge unnachvollziehbarer, befindlichkeitsgesteuerter Querelen hienieden (ich rede jetzt nicht von unser beider Strauß... der war wenigstens inhaltsgetrieben) untern Tisch gefallen ist.

Ich lese hier einen Rundumschlag von Dir. Nicht nur die US-Version der Bullen wird angeklagt, auch die Täter im Hintergrund, ebenso wie die schweigenden Duckmäuser ("verschanzt hinter Normen") und auch "die Presse".

Ich glaube, Du bist in dieser Generalanklage authentisch, die Stimme des Gedichts und Du als ihr Autor, scheinen mir hier in ihren Ansichten einigermaßen zur Deckung zu kommen. Korrigiere mich hier, wenn ich falsch liegen sollte (oder sollte ich schreiben: wenn ich falsch löge?).

Jedenfalls kann ich den grundsätzlichen Groll auch gut nachvollziehen, wenngleich ich manches etwas "systemkonformer" sehe als Du, der - so deute ich das jedenfalls - zu viel Abscheu empfindet angesichts des Panoptikums der "westlichen Gesellschaft" als dass Du noch so recht an "schrittweise Reformen" glauben magst. Darin liegt wohl der wesentliche politische Unterschied zwischen uns beiden. Auch hier wieder: korrigiere mich, wenn ich daneben liege/läge/lüge.

Eigentlich sind Zorn, Ärger, Wut sehr nützliche Vehikel im Kunstschaffen (ob nun hobbymäßig oder mit höherem Anspruch). Zorn kann Witz verleihen, Denkblockaden lösen, das kreative Shi durchs Muh zum Fing oder Fang umleiten und heraus kommt dann wunderbare Zen-Kacke, die alles Schlechte unter ihrem großartigen Gestank und einem befreienden Gelächter begräbt. Geht es nicht darum? Freiheit?

Nur richtet sich die dunkle Energie allzu oft gegen die Schwachen, anstelle den Mächtigen die Leviten zu lesen. Es ist leider eine erprobte Wahrheit, dass über Kurz oder Lang die Unterdrückten ihren Mitunterdrückten ans Leder wollen... und der ein oder andere König, der auf dem Schafott landet, ist da in der Regel eher ein Kollateralschaden und meist auch nur eine Symbolfigur und kein wirklich ernsthafter Faktor im Spiel der Mächtigen.

In unserem sozialpolitischen Disput bin ich in der Form übers Ziel hinausgeschossen und habe allzu vorschnell bewertet, was "der Autor uns damit sagen wollte". Dafür entschuldige ich mich.

Natürlich werde ich, wenn ich Attacken gegen Menschen am Rand der Gesellschaft wittere (FDP-Wähler würde ich davon vielleicht ausschließen) immer wieder auf die Barrikaden steigen, aber hoffentlich zukünftig mit mehr Abwägung und weniger (G)Eifer.

LG!

S.

« Letzte Änderung: Juni 08, 2020, 15:40:12 von Sufnus »

hans beislschmidt

Re: I can't breathe
« Antwort #2 am: Juni 08, 2020, 19:14:15 »
Lieber Sufnus,

wow, einen Kommentar von Suf, noch mit dieser Anrede, hätte ich jetzt nicht erwartet, um so mehr freue ich mich über Sinn und Sein deiner Worte.

Eine gute Empathie habe ich dir schon vor etlicher Zeit zugesprochen und die beweist du auch jetzt mit dieser literarischen Handreichung. Du scheinst sehr genau zu differenzieren und richtigerweise siehst du die Kongruenz zwischen Autor und Werk.
Als jemand, der nicht zwangsläufig auf Krawall gebürstet ist, sehe ich sehr viel Diversität in unserer politischen Einstellung, die aber zumindest für mich keinen Wahrheitsanspruch ableitet, sondern eben "nur" eine Disposition darstellt, nicht mehr.

Die metaphorische Aussage hast genau erkannt, auch die Sinnstiftung über den Tod von George Floyd hinaus und die grundsätzliche Problematik der Exekutive, die wir ja brauchen und ohne die ein Staat im Chaos versinken würde.

Das kleine Werk hat eine gesellschaftliche Brisanz, von der ich glaubte, sie gäbe es nach dem Kopfschuss und Tod von Benno Ohnesorg nicht mehr. Aber es zeigt sich, auch heute glänzen die Uniformen wieder, nachdem sie in den letzten Jahren bespuckt und verspottet wurden. Als ausführendes Organ des politischen Willens und der Oligarchie haben die Polizisten wieder genügend Rückendeckung.

Die Amtssprache ist in Deutschland künstlerisch aktiv, denn Polizeischüler lernen die Verharmlosung ihrer Arbeit angesichts der Begrifflichkeit "lagebedingter Erstickungstod". Erinnert das nicht an Endlösung oder ethnische Säuberung? Eine Schreckenstat wird zur kleinen Fußnote, einem Wörtchen, so als wäre nichts gewesen.

Ferner trieb mich die Frage um, ob es eine Notwendigkeit darstellt, dass Polizisten eine kriminelle Energie haben müssen, um überhaupt das Denken der Kriminellen zu erfassen und zu verstehen, um ihrer habhaft zu werden. Sag mir, wenn ich falsch löge (?)

Ferner habe ich den Verdacht, dass, wenn ich mir die Profiteure der Pandemie anschaue, es sich um einen weiteren Schritt handelt Kapital von unten nach oben zu transferieren. Bei dieser Gelegenheit lassen sich umstrittene Gesetzesvorlagen schneller durchwinken, als üblich. Das meinte ich auch mit hinter Normen zu verstecken.

Ich bin weniger betulich, wenn es um eklatante Ungerechtigkeiten geht und eher als ein Straßenköter unterwegs, der Dinge beim Namen nennt, auch wenn sie dadurch an poetischer Eleganz verlieren. Auch Brecht und Tucholsky ist es oft genug so ergangen, dass Poesie wie ein räudiger Hund daherkommt, wenn es zum politischen Schlagabtausch kommt und als Papp-Plakat eingedampft wird. Ich sage das auch, weil die Wiese eher ein schöngeistiger Fixpunkt ist, denn ein vom Zeitgeist gebeutelter Umschlagplatz von kruden Visionen. Auch deshalb gilt dir mein Dank, dass du die acht Zeilen kommentiert hast.

Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Agneta

  • Gast
Re: I can't breathe
« Antwort #3 am: Juli 02, 2020, 20:16:58 »
ja, Hans. Passen wir gut auf, O0 dass wir keine Regierung bekommen, die so etwas bei uns auch möglich macht. LG von Agneta