Hi Agneta!
Warum wir zu Gewalttätern werden bis hin zum erweiterten Siuzid, mag viele Auslöser haben. Mir ging es darum, den Moment einzufangen, wenn aus Depression, Leid und Selbstversunkenheit der Wille gerinnt, Rache zu üben oder sich mittels Aggression Gehör oder einfach nur Luft zu verschaffen.
Wenn jemand, der ein Opfer ist oder war - oder ein Opfer zu sein glaubt, weil er selbst sich dazu stilisiert hat - sich entschließt, zum Täter zu werden.
Viele von jenen differenzieren dann nicht mehr zwischen Schuldigen und Unschuldigen - es geht nur noch darum, wie im Rausch zu töten, all den angestauten Hass, die bodenlose Wut, den brennenden Zorn mittels Gewalttat in alle Welt hinauszuschreien.
Aber Achtung: Es besteht ein gravierender Unterschied zu religiösen oder politischen Selbstmordattentätern. Diese töten so viele wie möglich und zuletzt sich selbst aus einem strategischen Kalkül heraus, das andere ihnen andressiert haben.
Der Amokläufer hat keine Botschaft außer die des eigenen Schmerzes und/oder Hasses. Sie mögen schon jahrelang davor daran gedacht und es im Geiste immer wieder durchgespielt haben, um sich so seelische Erleichterung zu verschaffen, aber was sie letztendlich über die letzte Kante schubst, ist meist irgendein emotionaler Auslöser, kein politisches oder religiöses Kalkül mit Zeigefingerbotschaft an die Nachwelt.
Ich weiß das, weil ich als gemobbter Teenager selbst jahrelang von so einem endgültigen Befreiungsschlag träumte und mir nach Demütigungen aller Art immer wieder nachts im Bett die "geistige Kassette" vorspielte, wie sie alle von mir niedergemäht oder genüßlich möglichst grausam und schmerzhaft demütigend zu Tode gebracht würden, jämmerlich, aber vergebens um ihr unwürdiges Leben bettelnd, erst im letzten Augenblick erkennen müssend, dass sie sich mit dem Falschen angelegt hatten... Ich hatte eine geheime Hitliste, wer die schmerzhaftesten Strafen am meisten verdient hätte - ja, so ist man drauf als seelisch niedergeknüppeltes Kind ...
Natürlich habe ich es nie wirklich durchgezogen - ich wollte nicht mal Fliegen erschlagen und weinte als kleiner Junge um jeden toten Grashüpfer! Aber diese Folter- und Tötungsfantasien haben mir wirklich geholfen, dieses letzte Quentchen Selbstrespekt aufrecht zu erhalten, das mich damals davon abhielt, mich selbst - oder andere - zu verletzen, weil sie dem Schmerz des Verachteten ein so großes Gegengewicht (wenn auch nur in der Vorstellung) gegenüberstellten, dass die Waage unterm Strich einigermaßen ausgeglichen blieb.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es Situationen gegeben haben könnte, in denen die Demütigungen so unerträglich hätten werden können, dass ich eine Kurzschlusshandling hätte begehen können, und wer weiß, wie das ausgeufert wäre, denn ich wäre ein sehr heimtückisch intelligenter Mörder gewesen, und ich hatte eine laaange Liste ...
Um eines klarzustellen: Ich heiße keine Bluttat gut, und was ich in jugendlicher Unreife womöglich angerichtet hätte, hätte mich, so ich es selbst überlebt hätte, später auf jeden Fall zerbrochen. Ich bin froh, dass es nie dazu kam. Ein klein wenig wahnsinnig bin ich damals wohl gewesen ...
Aber ich kann so zumindest jene Amokläufer verstehen, die nicht so viel Glück hatten wie ich damals, bei denen das letzte Stückchen Selbstbeherrschung nicht genügte, oder die von irgendeinem Ereignis, das sie völlig überwältigte, sozusagen getriggert wurden. Nicht, dass ich ihre Taten des Wahnsinns rechtfertigen wollte ...
LG, eKy