Autor Thema: Verlassener Strand  (Gelesen 1188 mal)

Sufnus

Verlassener Strand
« am: April 04, 2020, 21:47:37 »
Verlassener Strand

Möwenschreie, Wellenschlagen,
leere Strände, Invasion?
Abgesagt! Die Tage ragen
in die Zeit wie immer schon.

Nur die Menschen sind sehr rar,
ewiges Gezeitentauschen,
rote Bojen, Sturmgefahr,
unerhörtes Meeresrauschen.


Erich Kykal

Re: Verlassener Strand
« Antwort #1 am: April 04, 2020, 23:38:37 »
Hi Suf!

Sehr stimmig und beschwörend. Einzig die verschobenen männlichen Kadenzen in S2 stört die lyrische Melodie ein wenig für meinen Geschmack.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: April 05, 2020, 11:26:28 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Verlassener Strand
« Antwort #2 am: April 05, 2020, 01:35:45 »
Ein Strand während oder nach der Pandemie, lieber Sufnus? Mir gefällt es.
Wer in beiden Strophen eine gleiche Abfolge der Kadenzen bevorzugt, kann die zweite Strophe ja rückwärts lesen.

Herzliche Grüße
gummibaum


Erich Kykal

Re: Verlassener Strand
« Antwort #3 am: April 05, 2020, 11:27:56 »
Gute Idee, Gum!

Das funktioniert hier wundervoll.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Verlassener Strand
« Antwort #4 am: April 05, 2020, 14:27:09 »
Hallo, Ihr beiden! :)
Vielen Dank fürs Beschäftigen mit den Zeilen! Und fürs Gefallen! :)
Zeilen einmal probeweise in einem Gedicht umzustellen, wie gum das für S2 durchgespielt hat, ist ein Trick, der bei regelmäßig gereimten Gedichten oft vorzüglich funktioniert, mache ich sehr gerne selbst so. :)
eKy hat natürlich recht, dass in S2 die Kadenzen gegenüber S1 verschoben sind (w-m-w-m // m-w-m-w), so dass am Strophenübergang zwei männliche Kadenzen nach einander folgen, was einen für sensitive Menschen wie eKy Holperer im Klang erzeugt. Durch die Umstellung von S2 mit der alten Z1 oder Z3 als neuer Z4 fällt diese Kante weg.
gum hat aber bereits richtig darauf hingewiesen, dass in Covid-Zeiten im Bild des verlassenen Strands eine gewisse Beklemmung mitschwingt und das war natürlich gewollt (wobei ich mich schon sehr darauf freue, wenn man das Gedicht in einer endlichen Zeitspanne wieder entspannter wird lesen können :) ). Wäre aber angesichts dieser inhaltlichen Irritation ein formal völlig glattgebügeltes Gedicht nicht irgendwie frivol? Mir will es so scheinen. Und außerdem finde ich die letzte Zeile meiner Version (unerhörtes Meeresrauschen) viel offener als die Z1 oder Z3, die als Schlusszeile vergleichsweise plump wären, fast etwas larmoyant.
Also lasse es lieber so wie es ist, freue mich aber dennoch sehr über die Anregung! :)
LG!
S.

Agneta

  • Gast
Re: Verlassener Strand
« Antwort #5 am: April 05, 2020, 19:18:04 »
manchmal braucht es erst  eine Katastrophe, damit wir Menschen den wahren Kern von Schönheit erfassen. Gerade so sind die Strände wirklich schön… LG von Agneta

Sufnus

Re: Verlassener Strand
« Antwort #6 am: April 05, 2020, 20:31:05 »
Ich stimme zu, liebe Agneta… Katastrophe aber vor allem im globalen Maßstab sowie im Mikrokosmos der einzelnen Betroffenen... national, ja selbst europaweit scheue ich vor der Bezeichnung Katastrophe zurück... wir wollen die Maßstäbe nach oben nicht allzu inflationär aufbrauchen.... ein wirklich bösartiges Virus hätte noch weit mehr in petto.
Und was den Strand und andere Naturschönheiten angeht... zwei Menschen braucht es doch mindestens für einen Locus amoenus... einen der es ansieht und einen, dem berichtet wird. Darunter verliert die Kategorie der Schönheit ihren Sinn.
LG!
S.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Verlassener Strand
« Antwort #7 am: April 05, 2020, 21:19:12 »
Hi Sufnus,

hier sind Menschen nicht rar, ich erhoffte mir von Corona, dass die hiesigen Landschaften mal idiotenfrei sind, aber die Hoffnung zerschlug sich, denn hier im Ort sind derzeitig so viel Menschen unterwegs wie sonst nicht.
Da wünsche ich, dass das Meeresrauschen mich hört, wenn ich mich auf eine rote Boje beame!

:))

vlg

EV

Martin Römer

  • Gast
Re: Verlassener Strand
« Antwort #8 am: April 05, 2020, 22:18:07 »
Der Diogenes mit der Laterne: offensichtlich ists den guten Künstlern ein bevorzugtes Sujet.
Wie unbehaglich, ingleichen den Verfall im Auge zu haben, der sich ebenfalls jenseits des Weltrauschens abspielt.

Du hast auch wieder ein hübsch epigrammatisches Wörtchen gemacht, die Leier dazu:

Ich lasse mich im Elend gerne inspirieren!
Wie sprachst du wohl, es braucht der Schönheitsseelen zwei.
Indes bleibt mir fürwahr nur jahrelang zu frieren
und katastrophisch ist, wird Leid zur Litanei.

Ich bin von fernen Stränden schon seit je entzückt.
Indes ist meine Hoffnung heutzutage stumm.
Mein Herze hier, das Dunkel da, mich machts verrückt.
So sei Arkadien das Sanatorium.


Bis dann
M.

Agneta

  • Gast
Re: Verlassener Strand
« Antwort #9 am: April 06, 2020, 12:44:19 »
Martin, du hast dich selbst übertroffen. Echt starkes Stück!
Respekt von Agneta