Autor Thema: Im Winter  (Gelesen 884 mal)

Sufnus

Im Winter
« am: Januar 17, 2020, 11:57:36 »
Und noch ein älteres Stückchen, aber von konventionellerer Art als das heutige Wortlust-Experiment... ;)

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Im Winter

Da steht der Fluss im Eis,
steht regungslos im Bann,
und nur ein Stöhnen zeigt
am Grund die Strömung an.

Die Welle ist erstarrt,
kein Fischlein weit und breit,
auch mir ist worden hart
der Sinn in harter Zeit.

Der Frost macht Herzen still
und mäuseklein verzagt,
wenn wer da helfen will,
wenn wer nach Hilfe fragt:

Alljeder braucht die Hand,
die seine Hände hält,
doch wenn sie außer Land,
verbannt ist aus der Welt,

ist dann, wo uns die Trauer
am Herzort sucht und quält,
nur Weh von fester Dauer,
das Glück längst ausgezählt?

Mir bleibt, mir bleibt von Dir
der Schatz geteilter Stunden,
Du bist mein Mut, ich Deine Zier,
so lang wir hier verbunden.




« Letzte Änderung: Januar 21, 2020, 15:11:13 von Sufnus »

gummibaum

Re: Im Winter
« Antwort #1 am: Januar 25, 2020, 01:26:23 »
Lieber Sufnus,

der Winter lässt manches erstarren, konserviert es aber auch im Eis.

Angeregt gelesen
Herzliche Grüße von gummibaum
 

In mir war immerfort ein Fließen,
der Fluss zu dir schien nie zu ruhn.
Dann ließ der Frost die Quellen schließen.
Was war, umfließt Erinnern nun...   




« Letzte Änderung: Januar 25, 2020, 01:38:12 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Im Winter
« Antwort #2 am: Januar 25, 2020, 12:00:28 »
Hi Suf!

Der Winter ist hier natürlich nur das Gleichnis für die Eiszeit der Gefühle nach einer beendeten Beziehung - die "verbannte Hand", gleich ob die Verbannung nun vom LyrIch selbst ausgesprochen sei oder von besagter Hand daselbst betrieben, fehlt einfach und lässt die Welt ohne ihre Wärme erkalten.

Manche Wendungen kommen etwas steif daher, so wie man vor 200 Jahren vielleicht geschrieben hätte, aber heutzutage wirkt das etwas künstlich, es sei denn, der Autor wollte diesen Effekt, diesen alten Stil pflegen.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Im Winter
« Antwort #3 am: Januar 27, 2020, 14:52:38 »
Hi gum & eKy!
Vielen Dank für Eure Kommentare! gum trifft gut den Punkt, dass der Winter in seiner konservatorischen Eigenschaft auch die mögliche Hoffnung auf ein Wiederergrünen im Frühjahr mit einschließt - immerhin habe ich dieses Gedicht ja auch bewusst in den Hoffnungs-Thread gesetzt. :)
Und ich könnte mir sehr gut vorstellen, lieber gummibaum, dass Dein anmutiger Vierzeiler (der hier auch in einem eigenen Thread eine bella figura abgeben würde!) zu einem veritablen Mehrstrophiger auskeimen könnte! Würde mich sehr freuen! :)
Und natürlich hast Du, eKy, es genau getroffen, dass wir hier gleichnishafte Rede vor uns haben. Ob übrigens die Verbannung nur auf getrennte Lebenswege hinweist oder sogar darüber hinaus geht, würde ich jedem Interpreten überlassen.
Was die altertümliche Wendung angeht: Das "mir ist worden hart" spielt auf das Lied "Es ist ein Schnee gefallen" an: Mein Haus hat keinen Giebel / es ist mir worden alt / zerbrochen sind die Riegel / mein Stüblein ist mir kalt.:)
LG!
S.