Autor Thema: Es ist, obschon des anvertrauten Bildes  (Gelesen 736 mal)

Eisenvorhang

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Es ist, obschon des anvertrauten Bildes
« am: M?RZ 07, 2020, 16:27:11 »
- Aus Heimatslieder, 2020

Mich dürstets nach dem Schwarz vantaner Nächte,
die Sonne stürzt sich in das Abendlicht,
was mir, dem Sehnenden, der Abgang brächte;
das Licht des Abends auf mein Angesicht?
Der Tag verdrängt mich und will mich verwerfen
mit sichtbar nichts lässt er mich in die Fernen,
die sich sehr still sich um mich windend werfen,
so stehn die Bäume in dem silbernen
Entfernten dem Verlorenen entgegen.
Ich habe Dich zum ersten Mal gesehen,
ein langer Weg auf dem die Amseln kreisen,
der zwischen allem steht, ich will ihn gehen,
und wie auf einer Steigung oben preisen
die Hügel aufgespannt die alte Welt,
in der ich wanke, bin und vielgestaltig
bist du es, der mich sieht und Strenge hält:
Nun steh ich hier vorm Berg, du bist gewaltig,
ob meiner Ehrfurcht werde ich geringer,
auf viele unbeschreiblich schöne Weisen
zerwirfst du Großer mich in tausend Teile,
ich werde still, verstumme, ich will reisen
und meine Teile werden dein Bezwinger.

Es ist, obschon des anvertrauten Bildes,
in dem die Lerchen laut die Harfe spielen,
als ob ein fernes Meer, ein leises mildes,
sein Rauschen auf die Wälder und den Stielen
der Wiesen legt. Die Lichtung, die am Rande
des Waldes ihren Mantel offen legt,
der Wiesen Wangen kräuseln sich, die Sicht:
Ein Kirchenturm, der in die Ferne schlägt,
im Dorf ist es die Einsamkeit, die spricht,
und unbelebt sind nur die kleinen Straßen,
die keine Gassen kennen, nur Alleen
in denen viele Menschen friedvoll saßen,
und sich im schwülen Sommer wieder sehn.
Nun denk ich nach, vergleich, was ihnen gliche,
denn all die Bilder tragen tausend Namen,
sie lassen sich mit Ehrlichkeit umrahmen,
denn alle Wege, Menschen, Wälderstriche
sind mir die Heimat, die ich so sehr liebe.
« Letzte Änderung: M?RZ 20, 2020, 11:58:37 von Eisenvorhang »

Sufnus

Re: Es ist, obschon des anvertrauten Bildes
« Antwort #1 am: M?RZ 18, 2020, 12:32:20 »
Hi EV!  :D
Seit Du diese Zeilen hier eingestellt hast, umschleiche ich sie, wie ein verfressenes aber argwöhnisches Nagetier ein Stückchen dargebotenen Käse.
Da hast Du auf jeden Fall eine derartige Fülle an Bildern und Andeutungen aufgefahren, dass ich mir beim Versuch eines zusammenfassenden Statements wohl geistige Blessuren einhandeln würde. Also nähere ich mich jetzt mal vorsichtig und greife nur zwei Aspekte aus der ersten Strophe auf plus einen kleinen Minikorrektur-Vorschlag... die zweite Strophe fasse ich dann separat an und an einer Konklusion versuche ich mich vielleicht anschließend. Kleine Ziele setzen! :)
Was mich erst irritiert und dann doch recht entzückt hat, sind die "vantalnen Nächte"... das Adjektiv war erkennbar ein Neologismus, ich kam aber nur per Googlesuche weiter... Du hast also das "Vantaschwarz" bzw. Vantablack zum Vorbild für diese Wort-Neukreation genommen, ein künstliches Pigment aus dem Bereich der Nanotechnologie, das bis vor kurzem den Rekord für das "schwärzeste Schwarz" gehalten hat.
Besonders amüsiert hat mich die Geschichte, von dem Künstler, der in einem Museum einen zweieinhalb Meter tiefen Schacht ausgestellt hat, der innenseitig in diesem Schwarz gestrichen war, so dass es für den Betrachter nicht als Schacht erkennbar war, sondern aussah wie eine zweidimensionale schwarze Fläche, woraufhin tatsächlich (trotz der Warnhinweise) ein Besucher versucht hat, die Fläche zu betreten und daraufhin im Schacht verschwunden ist..  ;D ;D ;D
Der andere Aspekt, der mir hier auffällt, ist Dein Versuch, die Regeln für den Endreim zu erweitern, in dem Du z. B. "Fernen" auf "silbernen" reimst oder "Teile" auf "Weisen" und "reisen". Das ist ganz in der Tradition von vielen zeitgenössischen Lyrikern, die zuhauf den Reim für sich entdecken, aber meist mit verschliffenen, "ungenauen" Reimen arbeiten. So reim Uwe Kolbe in einem Gedicht zwar herkömmlich "Welt" auf "fällt" aber auch "Jahren" auf "Garten". Bei Jan Wagner oder Durs Grünbein kann man solcherlei Knapp-vorbei-Reimungen sehr häufig finden.
Ich finde das als Ergänzung zum orthodoxen Reim und zum ungereimten Gedicht sehr schön, interessanterweise fällt es mir persönlich beim Schreiben aber sogar schwerer einen Halbreim auf ein Wort zu finden als ein "korrektes" Reimwort... :)
Und mein Minikorrekturvorschlag wegen der Doppelung von "sich" in Z7: "die sich sehr still und windend um mich werfen" oder "die lange still sind uns sich um mich werfen" o. ä.
Also wirklich sehr fragmentarische Anmerkungen von mir... aber es kommt noch mehr zu gegebener Zeit! :)
Auf alle Fälle sehr gern gelesen! :)
S.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Es ist, obschon des anvertrauten Bildes
« Antwort #2 am: M?RZ 20, 2020, 06:40:11 »
Hi Sufnus,

ich danke Dir für Deinen Kommentar und da geschieht es: Du deckst einen Vertipper auf. Nicht "Vantalner", sondern "Vantanener" bzw "Vantaner".
Irgendwie rutschte mir das "L" mit rein.

Ja, google hat es wohl ausgespuckt und das Schwarz ist einfach nur unfassbar schwarz; das mit dem Künstler kenne ich auch. Gerne würde ich das Vanta in Real Life mal sehen.

vlg

EV

Erich Kykal

Re: Es ist, obschon des anvertrauten Bildes
« Antwort #3 am: M?RZ 20, 2020, 16:20:01 »
Hi EV!

Geht ganz leicht: Geh nachts in einen fensterlosen Raum und mach die Tür hinter dir zu! - Schwärzer geht nicht!  ;) ;D

Ob des "vantaner" rätselte ich schon, danke für die Erläuterung in den Kommis.

In S2Z1 und im Titel würde ich auf jeden Fall an "anvertraut" in "wohlvertraut" ändern, denn das willst du ja wohl aussagen, und nicht, dass dir irgendwer ein Bild anvertraut hätte, was dies nämlich bedeutet!  :)

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Es ist, obschon des anvertrauten Bildes
« Antwort #4 am: M?RZ 20, 2020, 18:21:00 »
Huhu lieber Erich,

Heimat ist ja etwas, was vielen (nicht allen) gegeben wird.
Das Gleiche gilt auch für die Eindrücke; anvertraut soll eine tiefere Ebene als wohlvertraut tragen.
Es ist etwas sehr intimes und wie Du auch, wohne ich in einer sehr schönen Heimat. In dem Wort steckt Vertrauen... :-))

Danke für Deinen Kommentar und Deine Gedanken.

vlg

EV