Von Ende und Anfang
Die Geranien blühen. Pink, lila und weiß. In dicken Dolden leuchten ihre Farben in den Tag.
Ich hatte sie gepflanzt, als mein Hund schon krank war. Ahnend, wissend, dass Ende und Anfang nah beieinander liegen, Schwestern sind. Und doch fiel ich in das tiefe schwarze Loch, fühlte mich, als sei ich in einem Keller eingesperrt. Als habe jemand die Türe zugeschlagen.
Ich kannte den Tod. Oft schon hatte er mir Geliebtes entrissen und doch war es jedes Mal ein anderer Schmerz. Es gab einen, der die Sonnenstrahlen noch durchließ. Durch ein schmales, verstaubtes Kellerfenster. Und es gab diesen, der kein Fenster hat.
Nachdem ich anfänglich putzte und schrubbte, als müsste ich alles fortwischen, was an meinen lieben Dackel erinnerte, ließ ich später alles liegen. Mein Mann, sonst murrend bei der Hausarbeit, erledigte es, schweigend und sorgenvoll. Es gab keine Worte mehr, die nicht schon gesagt worden wären.
Die Blüten der Geranien vertrockneten nach und nach. Niemand von uns beiden schaute hin. Meine Tochter kam jeden Tag nach der Arbeit, als habe sie gerade in der Nähe etwas zu erledigen. Irgendwann sagte sie, während sie meine Hand streichelte: Mama, du musst mal die Geranien gießen. Hast dir doch so viel Mühe damit gemacht. Ich schaute ziellos und stumm auf zum Himmel. Wolkenschiffe tummelten sich dort. Sie alle haben kein Ziel, dachte ich. Mein Mann und meine Tochter sahen sich hilflos an.
Drei lange Wochen vergingen. Das Loch schien Treibsand zu enthalten. Er zog mich immer weiter in die Tiefe. Meine Tochter und mein Mann tuschelten. Ich saß daneben, unbeteiligt und schaute auf die vertrocknenden Geranien. Es berührte mich nicht. Ich nahm nicht mehr teil. Hatte mich ausgeklinkt u d in meinem Leid vergraben.
Am nächsten Tag trug Töchterchen eine Transportbox zur Tür herein. Schau, sagte sie in dem Tonfall, in dem man mit einem Kind spricht, das sich schwer verletzt hat. Schau, du liebst diese Tierchen doch so. Liebevoll nahm sie ein Zwergkaninchenbaby heraus und setze es mir auf die Brust.
Das erste Mal nach langer Zeit lächelte ich wieder. Ich stellte das weißbraune Mädchen auf und es gab mir einen Kuss auf die Nase. Die Kellertür stand plötzlich offen und ein schmaler Lichtstreifen fiel hinein. Ein junges Leben, bereit, ihre Lebensfreude und Liebe mit mir im Sommersonnenschein zu teilen! Sie würde viel lernen müssen, um frei wie alle meine früheren Kaninchen in der Wohnung laufen zu können. Und ich würde es ihr beibringen!
Seit Mümmis Ankunft ist der Schmerz tiefer gesackt. In eine sanfte Mulde meines Herzens, wo er noch gelegentlich pocht. Und es doch zulässt, über die wilden Bocksprünge und Saltos von Mümmi zu lachen.
Mein Mann hat den Balkon mit Hasendraht abgesichert. Ich habe die Blumen ausgemährt und begossen und Mümmi hat Männchen gemacht und uns durch die Glastüre dabei zugeschaut.
Die Geranien blühen in pink, lila und weiß und im Kasten daneben wächst Petersilie. Denn ich weiß, dass Kaninchen sie lieben.