Ach ja!
„In der Welt verhungern Kinder“ hab ich auch schon vor Tisch vorgetragen – damit lässt es sich rechtschaffen provozieren! Habe mich auch ein wenig heimlich erlabt an der Naturgewalt des Feuers.
Die alte Nachbarin kann ich getrost gegen Annlieslein austauschen. Und natürlich denk ich immer dran, den Mercedes organisieren zu müssen.
Ich habe dem nicht mehr viel hinzuzufügen. Gefallen hat mir auch der Kommentar in Volkes Blatt:
https://www.bild.de/news/ausland/news-ausland/bild-kommentar-zu-notre-dame-warum-mehr-brannte-als-nur-ein-gebaeude-61291560.bild.htmlAuszüge:
Notre-Dame ist ein Symbol unserer europäischen Kultur. „Da brannte mehr als ein Gebäude. Viel mehr! Notre-Dame und vergleichbare Bauwerke sind nicht einfach aufeinander geschichtete Steine, sie sind Symbole. Ein Symbol ist psychologisch das äußere Zeichen einer inneren Verpflichtung. So, wie ein Ehering ein Symbol dafür ist, Verantwortung füreinander zu übernehmen.“
Symbole sind sichtbare Zeichen unserer Identität! In Paris brannte ein Teil unseres geistigen Erbes. Und von diesem Erbe, von unserer Identität, ist das Christentum nicht wegzudenken.
Wenn eine der wichtigsten Kirchen des Abendlandes brennt, spürt man, dass da mehr auf dem Spiel steht als der Verlust eines architektonisch einmaligen Baudenkmals. Der Brand von Notre-Dame führt vor Augen, was verloren geht, wenn das Christentum aus Europas Herz schwindet.
Ist dieser Brand vielleicht selbst ein Symbol? Das ganze Christentum Europas ist ja gerade dabei, seine Rolle als Leitplanke unserer Kultur einzubüßen. Anders gesagt: Das Christentum fackelt ab. Und wir schauen hilflos, zum Teil mitleidslos, sensationslüstern, vielleicht sogar schadenfroh zu.
Können wir uns das leisten? Kann Europa ohne seine geistigen Grundlagen bestehen? Geht uns da nicht nur unserer moralischer Kompass, sondern auch ein Teil unserer Identität verloren?
Und die Abkehr vom Christentum ist dramatisch. Der Historiker Stéphane Bern, der von der französischen Regierung beauftragt ist, Geld für die Restaurierung historischer Gebäude zu sammeln, formuliert es so: „Vor 100 Jahren war Notre-Dame voller Gläubiger, die dort beteten, dazwischen ein paar versprengte Touristen, die sich für das Gebäude interessierten. Heute ist es genau umgekehrt: Millionen Touristen, die nach Notre-Dame zum Sightseeing kommen, dazwischen ein paar verlorene Gläubige, die dort beten.“
Das, was da gerade geschieht, sollte auch jene beunruhigen, die mit Religion nichts am Hut haben. Die postmoderne, von Religion losgelöste These der Neuzeit lautet: Es gibt nicht die eine Wahrheit, es gibt unendliche viele, gleichberechtigte Sichtweisen auf die Welt. Die Konsequenz daraus ist, in letzter Konsequenz, einigermaßen beunruhigend: Wenn es die eine, große Ordnung nicht gibt, warum nicht gleich alles dem Erdboden gleichmachen, was nach „alter Ordnung“ riecht? Das große Tabula rasa!
Wir dekonstruieren derzeit alles. Religion. Familie. Moral. Sexualität. Die Geschlechter. Alles. Wir schmeißen alles, was jemals galt, aus dem Fenster. Was bleibt ist Nihilismus. Da gilt nichts mehr. Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Um es mit Nietzsche zu sagen: „Gott ist tot. Wir haben ihn getötet – ihr und ich.“
Für den großen französischen Philosophen Jean-Paul Sartre (1905-1980) war Atheismus die Voraussetzung von Freiheit und Humanismus. Der Mensch, so Sartre, ist zur absoluten Freiheit verdammt.
Aber eine „Gesellschaft, in der Gott abwesend ist – eine Gesellschaft, die ihn nicht kennt und als inexistent behandelt, ist eine Gesellschaft, die ihr Maß verliert“, wie es der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. einmal formuliert hat. Weiter heißt es bei ihm: „Uns wurde versichert, dass wenn Gott stirbt, ist die Gesellschaft endlich frei. In Wahrheit bedeutet das Sterben Gottes in einer Gesellschaft auch das Ende ihrer Freiheit, weil der Sinn stirbt, der Orientierung gibt. Und weil das Maß verschwindet, das uns die Richtung weist, indem es uns Gut und Böse zu unterscheiden lehrt.“
Auch Nicht-Christen spüren, dass die Tabula rasa der Postmoderne die Substanz unsere Kultur bedroht.
Die gute Nachricht: Die Grundstrukturen der Kathedrale von Notre-Dame stehen noch. So wie die kirchlichen Strukturen in Europa noch stehen. Aber die Gläubigen, die sie einst füllten, sie werden immer weniger. Wenn wir Fotos von Gebäuden wie Notre-Dame machen, dann finden wir sie nur dann interessant, wenn es Selfies sind, wenn wir selbst mit auf dem Foto zu sehen sind. Wenn wir im Mittelpunkt stehen.
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere egomane, auf Befriedigung unserer Gelüste, auf Konsum und Ich-Ich-Ich gerichtete Kultur zu überdenken.
+++++++++++++++++++++++++++++++++++ Das wird natürlich nicht geschehen, sondern die Hütte wird einfach wieder restauriert, damit Japaner weiter etwas zu tun haben und Stadt- und Geschäftsleute sich weiter ihren befremdlichen Halluzinationen hingeben können.
Vielleicht ist der Brand von Notre-Dame als Warnung zu verstehen, uns auf Grundkoordinaten unserer Kultur zu besinnen.
„Wenn es Gott nicht gibt“, schrieb der große Russe Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881), „dann ist alles erlaubt.“ Ich fürchte mich vor einer Zeit, in der alles erlaubt ist und der Mensch das einzige Maß aller Dinge ist.
LG
M.