Autor Thema: Der Schwan ( inspiriert von Martins Stellunganhme der Schwäne)  (Gelesen 935 mal)

Agneta

  • Gast
Der Schwan

Der Schwan reckte den grazilen Hals und starrte einen winzigen Spatz an, der am nahen Ufer auf einem Buschzweig wippte.
Da sprach der Spatz keck: „Schwan, warum reckst du den langen Hals, wenn du nicht auffallen willst? Wer auffällt, macht sich angreifbar.“
Der Schwan pfiff verachtend durch die großen Nasenlöcher. Er schickte sich an, galant davon zu schweben, als zwei große Kieselsteine ihn nur knapp verfehlten. Mit Wucht geworfen von hinter Bäumen Versteckten, zogen sie im Sinken weite Kreise auf dem ruhigen See.
Der Spatz war nirgends mehr zu sehen.
« Letzte Änderung: M?RZ 19, 2019, 11:08:07 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Der Schwan ( inspiriert von Martins Stellunganhme der Schwäne)
« Antwort #1 am: M?RZ 18, 2019, 12:57:30 »
Hi Agneta!

Äsop hätte es nicht besser gekonnt!  :D

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy


PS:
Das beste Schwanengedicht, das ich kenne, ist übrigens von - na wem wohl? Eh klar - Rilke:

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen:

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.

(Ein schöneres und lyrischeres Todesgleichnis habe ich nie gelesen ...)



Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Der Schwan ( inspiriert von Martins Stellunganhme der Schwäne)
« Antwort #2 am: M?RZ 18, 2019, 19:19:49 »
Schön der Kleinheit ins Gesicht gespuckt.

Mit den Extremen habe ich den Sinn für alle Spielchen nach und nach verloren und gehe als halbes Gespenst durch meine Tage.

Die Geschichten wiederholen sich anscheinend, für diese Weisheit muss man nicht in Altersheimen lauschen: Aufrichtigkeit und Gemeinheit, Mut und falsches Gold….

Ach ja, Jugendliche, hahaha! Die sind natürlich lächerlichster Ausdruck eines Dilemmas – ich meine, wenn sie in Grüppchen spazierengehen und auf unflätigste Weise in den Nachthimmel brüllen, da juckt es mich hier manchmal schon. Was sind das für Gestalten?

***

Des Blaublutverrückten Verse kenne ich natürlich, aber meine sind natürlich ehrlicher! Keine Sorge: ich mache Aussagen lediglich mit Frühling in der Seele.

Ein Schwan kann natürlich auch von einem gewissen Stolz erfüllt sein, aber in diese Richtung ziele ich momentan eher nicht.

„Siehe, es sind solche, die nie den gemeinsamen Gang…“ vielleicht in Parenthese zu deiner neulich erzählten Entzückung, die vom Himmel auf einsame Hügel rieselte…

Der Schwan ist die eine Seite meines Daseins, ansonsten muss ich mich damit beschäftigen, neue Kräfte und Nachtbars zu konstituieren. Nun, das gibt’s auch nicht alle Tage. So von Bestäubungen berauscht gelallt…..


Werde mich im Übrigen bemühen, den Ansprüchen allerort weiterhin gerecht zu werden!

Viele schöne Abendgrüße
M.

Agneta

  • Gast
Re: Der Schwan ( inspiriert von Martins Stellunganhme der Schwäne)
« Antwort #3 am: M?RZ 19, 2019, 11:12:41 »
@Erich

danke für den Hinweis auf Äsop.
Ja, das Rilke-Werk ist natürlich klasse.
@Martin
Ich habe deine verbrämte Kritik zur Kenntnis genommen mit den Jugendlichen. Es ging mir ja auch gar nicht darum, speziell Jugendiche zu diffamieren, sondern eher um die "gesichtslose Masse", die uns alle -Schwan oder nicht Schwan" aus dem Hinterhalt befeuert. Wo der Spatz blieb, weiß ja auch keiner. Kann man also doppeldeutig lesen.
Insofern habe ich nun aus den versteckten Jugendlichen, die Versteckten gemacht.
Danke für den Gedankenanstoß!
LG an euch beide von Agneta