Phaedrus, Fabulae IV, 10
Der gute Schöpfer will, dass jedes Menschenkind
zwei Säcke schleppt und darf sich lebenslänglich plagen:
im Rücken drücken eigne Sünden, vorne sind
vorm Bauch die fremden Fehler schwer zu tragen.
Drum granteln wir nach vorn und bleiben rücklings blind.
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Im Original:
Peras imposuit Iuppiter nobis duas:
propriis repletam vitiis post tergum dedit,
alienis ante pectus suspendit gravem.
Hac re videre nostra mala non possumus;
alii simul delinquunt, censores sumus.
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Natürlich erscheint die Verwendung eines Endreims in dieser Übersetzung nicht gerade zwingend, ist doch dieses für uns so gewohnte lyrische Stilelement in der römischen Lyrik kaum anzutreffen, nicht verwunderlich angesichts der vielen gleichlautenden Endungen lateinischer Wörter, die das Endreimen dann doch gar zu einfach machten. Interessanterweise kommt aber gerade in diesem Gedicht von Phaedrus ein rudimentärer Endreim in den Schlusszeilen zur Anwendung. Zudem erzeugt ein Reim im Deutschen (im an moderner Formfreiheit geschulten Ohr) einen gewissermaßen volkstümlichen Klang, der wiederum auf Umwegen der recht einfach gehaltenen Sprache des Phaedrus doch nahe kommen kann.