Autor Thema: Martin träumt vom Mühlviertel  (Gelesen 939 mal)

Martin Römer

  • Gast
Martin träumt vom Mühlviertel
« am: Dezember 26, 2018, 11:24:42 »
Das ist Ding wohl jeder Dichtergilde –
Schlösser baut man viel aus fremdem Sand,
auch hat man die Huren nicht zur Hand
und von allen Mächten bloß die Milde.

Sterne fand ich, Sitte kaum und Seuchen –
dennoch kriech ich unter Peitschenhieben,
schwärme fort, Prinzessinnen zu dieben:
ist Ekstase nicht auch das Entfleuchen?

Mir, dem Martin, ist ein Most die Marter
und ich treib mit Wesen andrer Welten –
gleich den Eruptiven und Entstellten –
in das Nichts: als Nigromant gelahrter.





Eremit Erich
hat eines dieser „komischen Brieflein“
unterm Baum noch nicht gesehen.......

Erich Kykal

Re: Martin träumt vom Mühlviertel
« Antwort #1 am: Dezember 26, 2018, 12:57:20 »
Hi Martin!

Ich bin verblüfft. Ein "komisches Brieflein" ist mir nicht erinnerlich.


Das Gedicht hingegen verstehe ich als eine Art Stoßseufzer über das Geschehen in Lyrikforen, und dass man mit all der "wohlgesitteten Gutmenschlerei" dort am Ende nichts erreicht, außer die kreischenden Dunkelheiten, die der Menschheit ebenso immanent sind wie das Milde, damit zu kaschieren und zu bemänteln.

Nun, das hängt von der Herangehensweise ab: Siehte man sich als hehrer Streiter für eine (aus meiner Sicht) gerechte Sache, der die Welt aufrütteln, belehren oder bekehren will, so wird man sich früher oder später an jenem Scheitern wiederfinden, das solche lyrischen Aufschreie wie den obigen generiert.

Wenn man, so wie ich hingegen, nur an sich selbst arbeiten will, die Gedichte als psychisches Ventil und seelisches Abführmittel nutzend, um sich selbst aufgestauter Frustrationen zu entschlagen, so stellt sich die obige Frage, bzw, das zwangsläufige Versagen auf diesem Weg, erst gar nicht, denn mir ist im Grunde herzlich egal, was andere aus meinen literarischen Ergüssen machen, oder was sie dort hineinlesen, oder was sie für sie bedeuten.

Mein eremitäres Leben spiegelt nur die innere hermetische Versiegelung gegenüber dem Weltgeschehen und den sozialen Zwängen menschlichen Interagierens.
Nun, da kann ich natürlich nur für mich sprechen. Es mag viele Beweggründe geben, sich der Dichtkunst zu verschreiben und seine Werke einer nicht immer gnädigen Öffentlichkeit anheimzustellen.

Egal aber, warum man es tut - es bleibt immer einem gewissen kulturell fundierten moralischen Anspruch unterworfen, denn ansonsten wird man ganz schnell "abgeschoben", weil zu "deutlich" oder aus Sicht des jeweiligen ethischen Konsenses einer Gesellschaftsordnung allzu verschroben. Diesbezüglich hast du dich ja schon öfter eindeutig als Grenzgänger definiert. Letztlich könnte es sein, dass du aus diesem "Anderssein", welches das sonst so sittsam Verschwiegene immerzu so deutlich anspricht, sogar einen Teil deines künstlerischen (und vielleicht sogar persönlichen) Selbstwertgefühls beziehst.

Was das alles aber mit dem Mühlviertel (oder meiner dort lebenden Person) zu tun hat, entzieht sich meinem Verständnis. Ich habe keine Ahnung, worauf das anspielt, und - wie gesagt - von einem Briefchen irgendeiner Art weiß ich nichts.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Martin träumt vom Mühlviertel
« Antwort #2 am: Dezember 26, 2018, 19:53:06 »
Halli Hallo, mein Hase…

Mal wieder sind die stillen Tage da: und wenn ich mit wahrlich gefüllter Seele in die großen Abende hineinspaziere, kann es doch sein, dass die Funken zischen. Wie hast denn du dich positioniert über die Zeit? Atheistisch, luziferisch, eremitisch, fühlend soziopathisch, so richtig nihilistisch… und natürlich als Mitglied einer Dichtergemeinschaft.

Was den moralischen Anspruch und das Korsett der Kultur hierzulande anbelangt: „K.-o.-Cocktail fürs Gehirn“ und „Knabenchöre dürfen Mädchen nicht verjagen“ sind nur zwei Beispiele von heute und dergleichen schwingt zwischen Perversion und Stalinismus, wenn man jedenfalls die Herren samt ihren Gestalten hinter diesen Sitten sich zu denken vermag. Hier Frevel zu begehen, Muttis traurig zu stimmen, als heiliges Raubtier die Grenzen zu verschieben, ist mir sicher kein Gedanke. Auch auf den Gegensatz habe ich wohl eher keine Lust und damit wären wir wieder beim Thema.

Ich bin immer noch nicht ein Stein geworden, auch Mädchen in kurzen Röcken wecken weiter meine Aufmerksamkeit und ich möchte mit guten Gefühlen dereinst ins Grab gehen. Bald habe ich die Küste erreicht – vision accomplished – und ein Schlaraffenland sozusagen, dann stellt sich nur noch die Frage nach dem Sinn.

Das Brieflein ist selbstverständlich das Gedicht. Natürlich ein bisschen was anderes, als die Hymnen von Mutti – aber Muse ist Muse, oder? Dein Gebaren ob dieses Überfalles ist witzig.....

Halkyonische Abendgrüße
M.

Ich erwarte auch noch bänglich die Bewertung…

Erich Kykal

Re: Martin träumt vom Mühlviertel
« Antwort #3 am: Dezember 26, 2018, 22:07:35 »
Hi Martin!

Ich denke weniger in Bildern und Gleichnissen, kommuniziere weniger mit Metaebenen und verborgenen Symbolismen als du. Daher kann ich deinen Gedichten wie auch deinen Kommentaren wohl nicht so viel abgewinnen wie jemand, der dir ähnlicher denkt.
Deine Werke sind mir oft eher kryptisch, und deine Kommentare dazu eher verwirrend denn erhellend, so wie auch hier. Die Sprache entweder zu blumig, zu verschachtelt in Phrasierungen und Sprachbildern, die nicht direkt aussprechen, was sie meinen, oder so unverständlich in ihren ausufernden Formulierungen, dass ich einfach zumeist einfach nicht erkenne, was du meinst oder was du mir damit sagen willst.

Zudem sind Perversion und Stalinismus für mich keine Gegenpole, sondern ich begreife den ersteren Begriff als eine statthafte Definition für den letzteren. Abgesehen von Hitler und Mao finde ich in der jüngeren Weltgeschichte kaum ein trefflicheres Beispiel für die Auswirkungen und Folgen menschlicher Perversion als Stalin und seine "Politik".

Und was nur hast du ausgerechnet gegen Most? Auch das wird einfach so in den Raum gestellt und nie näher erklärt, wie so vieles in deinen Sprach- und Gedankenkonstrukten.

Ansonsten: Sicher gut geschrieben, auch wenn die Flüssigkeit der Sprachmelodie an manchen Stellen unter der sprachlichen Verspieltheit des Autors leidet, der bisweilen überkomplexe, aber lautmalerisch sperrige Ausdrucksmöglichkeiten präferiert. Von der gedanklichen Überverschachtelung, der exaltierten Bildersprachlichkeit und der symbolistischen Kryptifizierung des Inhalts, die den des jeweiligen Bedeutungshintergrundes unkundigen Leser meist ratlos hinterlässt, wurde zuvor hier und unter anderen Werken schon berichtet.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 10, 2020, 13:02:46 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Martin träumt vom Mühlviertel
« Antwort #4 am: Dezember 27, 2018, 10:58:36 »
Mein fernes Liebchen –

natürlich sind Perversion und Stalinismus keine Gegenpole, wir wollen hier in den Kommentaren nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen: ich wollte von einer Mischung sprechen oder der genaue Zustand war mir ungewiss. Wahrscheinlich schwingst du zwischen Erhabenheit und Milde…

Manchmal wird es hübsch doppeldeutig: entweder das Grausame ist mir ebenfalls angenehm, damit wäre die Abgeschiedenheit dir sozusagen eine Kompensation. Oder mir sind die herbstlichen Zelte generell eine Marter.

Aus dem Alter, möglichst weiche und hypnotische Melodien zu erzeugen, bin ich langsam raus. Die menschliche Natur ist auf Härte ausgelegt und die besonderen Exemplare haben Sehnsucht, bleiche Sterne und das Fremde in Liebe zu transformieren. Es gibt nichts Langweiligeres als Sonatensätze von Haydn. Aber als Labyrinth wie irgendwo in Ägypten sehe ich die obigen Strophen ehrlich gesagt nicht wirklich. Ich fand niemals Sitte…? Ich suche nach Prinzessinnen…?

Ich sehe, das versiegelte Herz des Eremiten bleibt hart. Für mich ist das mit dem „immergleichen Weltgeschehen“ und den „zwangbeseelten Gruppen“ zu einfach und die Konsequenz daraus nicht die wahre Erfüllung. Einsamkeit und Faschismus als die andere Seite meines Mondes sollten erkennbar sein.

In letzter Zeit scheine ich ja um die Häuser zu ziehen: da ist es mal ein Philosoph, dann kommt wieder ein aufgeblasener Pianist, mal die letzte Hütte im Mühlviertel. Auch warten meine Tussis im Osten wieder mal auf Meldung. Ich gelobe, immer klarer und reiner zu schreiben, ohne meine eigene Eleganz zu verdammen.

Sonnenscheingrüße
M.


Das Herz sei klar, der Mund sei rein:
das muss nicht immer kryptisch sein.
Mich nannte Anne einen Narren
und doch den Schlepper aller Karren.