Autor Thema: Zur Blüte hin  (Gelesen 1062 mal)

Agneta

  • Gast
Zur Blüte hin
« am: August 17, 2018, 10:09:03 »
Zur Blüte (Doppelsonett)

                    1

Ein Abend senkt sich auf die harte Erde,
und Vögel trillern, in das Kahl geboren.
Was hatte ich vorm Umzug mir geschworen?
Dass alles frischer, neu und anders werde.

Verdorrte Beete fangen meinen Blick,
die lange hier ein jeder übersah.
Das eine schmiegt sich an die Wand, so nah,
und wieder einmal denke ich zurück.

Am nächsten Tag kauf ich Lavendel, Rosen,
paar Astern, gelb wie eine Seelensonne.
Nicht ohne ihre Blüten zu liekosen.

Ich hacke, dünge, pflanze ein mit Wonne.
Der Abend senkt sich auf das Blumenbeet.
Ein Mann kommt näher, schaut erstaunt und geht.

                            2

Am Tag darauf, als ich die Pflanzen gieße,
eilt er heran, ein zweiter ist dabei.
„Sie sind hier neu und nicht entscheidungsfrei!“.
Es scheint, als ob er diesen Satz genieße.

Der Andre lächelt hohl, es macht ihn wichtig.
Ich schaue auf die Blumen, die sich strecken
und ihre Köpfe zu der Sonne recken.
„Ach schau“, sag ich, „ich find es aber richtig.“

„Sie müssen alle Eigentümer fragen,
bevor Sie hier die Beete neu bestücken!“
Ich werd euch mit Magnolien noch beglücken,

denk ich und schweige. In den nächsten Tagen!
Und Vögel werden zwitschern in den Zweigen,
wenn Abende sich über Blüten neigen.

« Letzte Änderung: August 17, 2018, 10:10:34 von Agneta »

Sufnus

Re: Zur Blüte hin
« Antwort #1 am: August 17, 2018, 11:28:14 »
Gefällt mir richtig gut, liebe Agneta! :)

Meine einzige Minianmerkung bezieht sich auf "und Vögel trillern, in das Kahl geboren". Das "trillern" liest sich etwas widersprüchlich zum kahlen Beet - kann man aber natürlich auch als eine Art schwarzen Humor verstehen.
Alternativ etwas wie: "und Vögel hüpfen auf dem kahlen Grund verloren"?

Und ganz besonders gut gefällt mir gefällt mir die Wechselrede verschiedener Stimmen im 2. Sonett.

Genussvoll gelesen!

S.

Erich Kykal

Re: Zur Blüte hin
« Antwort #2 am: August 17, 2018, 16:10:13 »
Hi Agneta!

Ich schließe mich Sufnus an bezüglich "trillern" und "das Kahl" - ersteres klingt nach schriller Trillerpfeife, da wäre ein "zwitschern", wenn auch abgegriffener, die bessere Wahl gewesen. Möglich auch "singen". Letzteres klingt sprachlich sehr bemüht, zudem verkürzt, denn es müsste eigentlich ja "das Kahle" heißen.
Ich würde die Zeile ganz umschreiben, zB: "so nackt und kahl, wie von der Zeit verloren."

Ansonsten nix zu meckern! Famos arbeitest du den kleinhäuslerischen Machtanspruch der Machtlosen hervor, die sich an allem hochziehen müssen, was nach Regeln und Statuten riecht, um sich wenigstens so einen Anschein von Bestimmungsfähigkeit und Einfluss verleihen zu können, der ihr schwaches Ego stützt.
Solche Leutchen, verbittert an der eigenen Macht-, Glück-, Mut- und Talentlosigkeit, gehen mit süffisanter Gehässigkeit oder wutschnaubender Rechthaberei gegen alles vor, was in ihre zwergenhafte "Reichweite" kommt - und seien es nur ein paar gut gemeint Farbtupfer vor der Mietskaserne!
Das ist der Typ Schrebergartenterrorist, der sofort eine Sitzung des Vorstandsgremiums anberaumt, wenn der Zierrasen eines Mitglieds mehr als einen Zentimeter über der erlaubten Höchstlänge liegt! Dabei geht es nicht um Gras und wie lang es noch ansehnlich sein mag - nein, da geht es nur um armselige Machtausübung zur Befriedigung nie aufgearbeiteter Minderwertigkeitskomplexe! Ich denke, es gibt Gefängnisse mit lockereren Regulativen als so manche Schrebergartenvereinssatzung!

Sehr schön die "coole" Gelassenheit des LyrIchs - nur nicht aufregen wegen solcher Büttelseelen! Jede emotionale Reaktion ist für dieses Sozialgesindel schon ein Gewinn, eine Art von erfolgreicher Einflussnahme, an der sie sich hochziehen wie Ertrinkende aus ihrem Morast aus Langeweile und ehelicher Bevormundung!

Gut gegeben!  :) >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Zur Blüte hin
« Antwort #3 am: September 16, 2018, 13:43:59 »
Liebe Agneta,


besser als Erich kann ich nie im Leben kommentieren.
Ich stimme in das Lob ein und finde auch, daß der Vers mit "kahl" bestürzend ist.
So mag es im Hambacher Forst aussehen, wenn alles gerodet ist.
Mondlandschaft kommt mir in den Sinn.

Wunderschöne Sonette -
einst und jetzt.
(statt paar würde ich auf und oder auch zurückgreifen.)

Liebe Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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