Autor Thema: Die Blätter fallen  (Gelesen 1280 mal)

Curd Belesos

Die Blätter fallen
« am: November 23, 2017, 00:26:06 »
Nun färben sich die Blätter an den Bäumen,
und fallen nieder in das grüne Moos,
der erste Sturm des Herbstes reißt sie los,
obwohl sie noch von Sommerwinden träumen,

Es hat die alte Linde mit den Jahren
schon oft die Krone tief vor ihm gebeugt,
wovon so manch gebrochner Zweig noch zeugt,
als er mit Macht ihr durchs Geäst gefahren.

Auch mir hat mancher Sturm in meinem Leben
die frohen Hoffnungen sehr oft zerstreut,
doch habe ich mich nicht danach gescheut,
dem Sein ein neues festes Ziel zu geben.

So kann der kalte Winter mir nicht dräuen,
denn wie die Linde vor der dunklen Zeit
den Samen in die gute Erde streut,
kann bald auch ich an Kindern mich erfreuen.

© Curd Belesos
« Letzte Änderung: November 23, 2017, 15:42:54 von Curd Belesos »
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Seeräuber-Jenny

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #1 am: November 23, 2017, 23:16:38 »
Lieber Curd,

ein schönes, besinnliches Herbstgedicht voller Poesie und Melancholie. Mit dunklen Vokalen unterstreichst du die getragene Stimmung des Werdens und Vergehens.

Die 3. Strophe, in der es bei "Hoffnungen" holpert und deren 3. Zeile grammatisch nicht ganz astrein ist, würde ich ein bisschen anders formulieren:

Auch mir hat mancher Sturm in meinem Leben
die frohe Hoffnung oft, so oft zerstreut,
doch habe ich mich trotzdem nicht gescheut,
dem Sein ein neues festes Ziel zu geben.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: November 23, 2017, 23:18:36 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #2 am: November 24, 2017, 00:39:16 »
Hi Curd!

Schön lebensbejahendes Naturgedicht! Vollmundig geschrieben und gern gelesen!  :)

Nur in der letzten Stophe habe ich gestutzt: Kann einem ein Winter dräuen? Ein schlimmes Schicksal, ja - aber ein Winter? Ein Winter kann dräuen, ja - aber jemandem?
Irgendwie erscheint mir das nicht so recht zu schmecken, und ich habe gewöhnlich ein feines Organ für Sprachhabung. Würde ich adeiner Stelle überprüfen, ob man das so sagen kann.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #3 am: November 24, 2017, 00:59:22 »
Hi Erich,

klar. Zum Beispiel im Volkslied, in dem er den Menschen droht:

"Und dräut der Winter noch so sehr
mit trotzigen Gebärden
und streut er Eis und Schnee umher,
es muss doch Frühling werden."

Lieben Gruß
Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #4 am: November 24, 2017, 12:00:56 »
Hi Jen!

Du missverstehst, worum es mir geht. Ja, der Winter kann dräuen, aber kann er MIR dräuen wie ein böses Schicksal? Ich dachte, der Winter kann nur ganz allgemein "dräuen", ich habe nie zuvor gelesen oder gehört, dass er jemandem dräut.

Das war die Frage.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #5 am: November 24, 2017, 13:50:13 »
Ich dachte, der Winter kann nur ganz allgemein "dräuen", ich habe nie zuvor gelesen oder gehört, dass er jemandem dräut.

moin moin Erich,

wenn ich das "dräuen" des Winters als Angstgefühl aufgrund meines Alters empfinde, da ich dabei an den Lebenswinter denke, sehe ich mich persönlich bedroht.
 
Doch er kann mir nicht dräuen, da ich wie die Linde dafür Sorge getragen habe, dass mein Same den Fortbestand gesichert hat.

Eiskalt einfrieren kann er, doch bei mir ist es zu spät  8)

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Seeräuber-Jenny

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #6 am: November 24, 2017, 15:44:01 »
Hi Jen!

Du missverstehst, worum es mir geht. Ja, der Winter kann dräuen, aber kann er MIR dräuen wie ein böses Schicksal? Ich dachte, der Winter kann nur ganz allgemein "dräuen", ich habe nie zuvor gelesen oder gehört, dass er jemandem dräut.

Das war die Frage.

LG, eKy

Hi Erich,

eine Bedrohung kann doch nur gegenüber einem Objekt erfolgen. Wozu sonst die Drohgebärde? Den Pflanzen kann sie nicht gelten, denn sie brauchen den Winter zur Erneuerung. Bleiben nur die Tiere und die Menschen. In früheren Zeiten waren die Menschen tatsächlich an Leib und Leben bedroht, vor allem die Armen, die in den Wäldern kein Holz, keine Pilze und Beeren finden konnten und keine reich gefüllten Vorratskammern hatten. Und selbst der große Napoleon musste mit seinem mächtigen Heer vor dem russischen Winter kapitulieren.

Auch heutzutage kann der Winter als Bedrohung empfunden werden, denn die meisten Menschen sterben im Winter.

https://www.welt.de/print/wams/wissen/article132224320/Wann-der-Tod-Saison-hat.html

Und die Alten, die nicht sterben, denken in dieser unwirtlichen Jahreszeit bestimmt mehr über den Tod nach.

Lieben Gruß
Jenny
« Letzte Änderung: November 24, 2017, 18:34:13 von Seeräuber-Jenny »
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Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #7 am: November 24, 2017, 20:36:02 »
Hi Jen, Curd!

Ja gut, soll sein. Ich hatte mir all die Jahre nie über die Bedeutung des Wortes "dräuen" Gedanken gemacht. Für mich hatte es mit "finster, wütend" zu tun, wie in "dräuender Blick". Ein von kleinauf wie selbstverständlich genutztes Wort, aber ich hatte nie wirklich nachgeschaut, was es tatsächlich heißt. (Kopfschüttel!)

Ihr habt natürlich recht, der Winter, wenn personifiziert, KANN jemand Bestimmtem dräuen. Wenn man ihn aber als Naturgewalt sieht, dann dräut er allen und niemand Bestimmtem. Ein Einzelner kann sich durchaus davon bedroht fühlen, aber der Winter als Jahreszeit hat keinen Willen, den er auf bestimmte Leute richtet.

Gehen wir davon aus, dass der Winter im obigen Gedicht also personifiziert ist.

LG, eKy
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Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #8 am: November 24, 2017, 21:19:49 »
Ja, als personifiziert hatte ich ihn auch verstanden, bzw. als Naturgewalt, von der sich die Menschen bedroht fühlen. Als Jahreszeit ist der Winter einfach, was er ist.

Liebe Grüße
Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Agneta

  • Gast
Re: Die Blätter fallen
« Antwort #9 am: November 30, 2017, 18:54:08 »
Ich finde, den Kreislauf der Natur und das, was auch der Mensch daraus lernen kann, hast du sehr schön verdichtet, lieber Curd.
Die Bäume, die zu starr sind und verharren wollen, brechen - die, die ihr Schicksal annehmen und mal einen Zweig verschmerzen können, überleben.
Sehr gern gelesen mit lG von Agneta

gummibaum

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #10 am: Dezember 10, 2017, 20:15:06 »
Lieber Curd,

Baum- und Menschenleben spiegeln sich in einander. Das finde ich sehr gelungen.

LG gummibaum


Curd Belesos

Re: Die Blätter fallen
« Antwort #11 am: Dezember 11, 2017, 17:08:24 »
moin moin Erich,

liebe Jenny und Agneta,

hi Gummibaum. 

 ;D

Danke für eure Kommentare, die mich wieder aufbauen, da ich etwas neben der Spur war  ::)

LG
CB
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