Autor Thema: Lied der Nacht und Lärm des Lichts  (Gelesen 746 mal)

Erich Kykal

Lied der Nacht und Lärm des Lichts
« am: August 25, 2022, 11:30:19 »
Das stille Lied der Nacht

Die ausgekühlte Erde trägt ihr ihr Nachtgewand,
gemustert nur vom Schattenwurf im Sternenlichte,
und wie die Reime ungeschriebener Gedichte
bewegt sich still darin, was Schutz im Dunkeln fand.

Was einst bei hellem Tag dem Menschen nicht behagte,
was er verdrängte in die Finsternis der Stunden,
die er nicht nutzen konnte, seinem Tag verbunden,
worin es bleiben durfte, bis es wieder tagte.

Vom Rascheln kleiner Nager bis zu Wolfsgesängen,
von ferne bald im Schutz der Dunkelheit verklungen,
erzählt die Nacht allein, vom Lichte unbesungen,
da dessen Töne dazu falsch und wertlos klängen.


Der leere Lärm des Lichts

Der Tag ist lang erobert von den Klängen
der allzu menschlichen Getriebenheit,
die ihn betreibt, egal ob Glück, ob Leid
ihn seine wachen Stunden dazu drängen.

Und der Maschinengott mit kalten Fängen
schlägt seine lauten Krallen in die Zeit,
die ihm gehört, und doch in nacktem Neid
von Stille träumt und nächtlichen Gesängen.
« Letzte Änderung: August 25, 2022, 11:47:31 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Lied der Nacht und Lärm des Lichts
« Antwort #1 am: August 25, 2022, 21:15:17 »
Gottfried Benn hat einst gemeint, ein Dichter schriebe nur drei/ vier echte Gedichte, der Rest sei Vorbereitung.

Mit diesen beiden Werken, die sich inhaltlich ergänzen, hast du ein wirkliches und echtes Gedicht erschaffen.

Es lebt von Andeutungen, von einem Kosmos an Erfahrungen, die nicht ausgesprochen werden müssen.

Die menschliche Getriebenheit bringt viel "Lärm um Nichts" hervor. Aber die Stille der Nacht kann zur Besinnung rufen.

Aus dem Grunde schreibe ich diese Zeilen nachts und lasse mir, vom Mondlicht, stille Erleuchtung bringen.

Manche Werke kann man bloß nachts dichten. Ich glaube, du hast das verstanden.

Eines deiner poetischsten Glanzlichter, die dem Mondlicht zur Ehre gereichen.

Rocco
« Letzte Änderung: August 25, 2022, 21:17:56 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Lied der Nacht und Lärm des Lichts
« Antwort #2 am: August 25, 2022, 22:01:37 »
Hi Roc!

Danke für die schönen Worte, das positive Echo, das hohe Lob.  :)

Zu sagen bleibt einzig, dass dieses Werk heute vormittag entstand, also nicht in der Nacht. Der Gedanke daran reichte mir ...  8)


Es stimmt, dass die meisten Dichter nur für ein oder bestenfalls eine kleine Handvoll ihrer Werke nachhaltig bekannt sind oder eine Weile im Volksgedächtnis weitergereicht werden, aber das liegt nicht, wie Benn glaubte, daran, dass lyrisches Talent wirklich nur in so wenigen Werken tatsächlich kumuliert und seinen Höhepunkt findet, sondern dass die meisten Menschen sehr selektiv lesen, oder das Gesamtwerk überhaupt nie, wodurch es ewig bei den sattsam bekannten Zitaten bleibt, weil den Rest einfach keiner kennt oder sich je die Mühe macht, ihn kennenzulernen.

Allein für Rilke fallen mir Dutzende "Lieblingsgedichte" ein, jedes für sich ein Meisterwerk der Wortkunst, zu Tränen rührend allein schon durch die Schönheit der Sprache sowie der Bilder, welche diese heraufzubeschwören vermag. Aber fast jeder, den man fragt, sagt immer gleich nur: "Ah, der "Panther"!" - Ist ja auch ein tolles Gedicht, aber hallo! - bei Rilke bei extrem weitestem nicht das einzige!  ::)

Aber so sind die "Leute" nun mal. Die Zeit reduziert uns auf eine Schablone, wenn sie uns überhaupt über den Tod hinaus ein Weilchen behält. Sic transit gloria mundi ...  ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.