Autor Thema: Tri-logisch  (Gelesen 1195 mal)

Erich Kykal

Tri-logisch
« am: Januar 22, 2017, 15:02:18 »
Schön wär's …

Tiefer geborgen in Räumen, die Balsam und Linderung wagen,
höher gehalten in Träumen von Wohlsein und Labe,
lösen dich Hände von Engeln, die Seelen wie Hostien tragen,
leichthin wie Federn vom Reigen aus Pflichten und Habe.

Liebend verwandelt in Hoffnung beginnst du wie Sterne zu leuchten,
sanfter entgleitet die Welt deinen wachsenden Sinnen,
freundlich entlassen vom Glauben an Dinge, dich wichtig dir deuchten,
steigst du ins Jenseits, um größer dich dort zu beginnen.

Jedoch …

Wie gerne träumte sich der Mensch von je ein Bleiben
in einer Seligkeit, sie nie mehr zu verlassen,
erfand sich Götter, musste ihre Bücher schreiben,
sich selber zum Beweise wider sein Verblassen.

Wie Kinder, die sich ängstlich um die Zauber scharen,
die ihrer kleinen Leben Halt und Trost begleiten,
ersehnt der Mensch sich Anteil an dem einzig Wahren,
das er sich fand in seinem Drang nach Ewigkeiten.

Darum …

Begreife dich endlich als Teil dieser Erde,
sei glücklich zu sein, deine Summe der Tage
erfüllend mit Leben, so wachse und werde
und stelle nicht alles so sinnlos in Frage.

Verdirb keine Stunde mit Hadern und Brüten
ob möglicher Götter und Welten danach!
Entstelle dein Sein nicht in haltlosem Wüten
für ewigen Segen, den man dir versprach.

Beginne von vorn dich nach jedem Zerbrechen,
verfalle nicht willig behaupteter Stärke,
die kleiner dich macht mit dem großen Versprechen
vom Lohn nach dem Tode für göttliche Werke!
« Letzte Änderung: Oktober 27, 2021, 11:07:26 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Tri-logisch
« Antwort #1 am: Februar 02, 2017, 23:24:45 »
Lieber Erich,
Deine philosophische Analyse des menschlichen Denkens, die Unterwüfigkeit unter gedankliche Konventionen ist sehr interessant. Mich erinnert der Text an Goethes Prometheus. Wir sind gefangen in Mustern, die die unabhängige Erkenntnis negieren. Wenn es das ist, was Du sagen willst, dann ist es sehr gelungen! Die Form ist, wenn ich es so deuten mag, ebenfalls abweichend von den Gewohnheiten, was mich wiederum sehr beeindruckt.
Die Dreiteilung ist, analog der Dialektik sehr gelungen. Ein interessantes Werk!
Mit großem Interesse gelesen!
LG Günter
 

Erich Kykal

Re: Tri-logisch
« Antwort #2 am: Februar 03, 2017, 16:02:47 »
Hi Günter!

Die Struktur ist eine Anspielung auf die hl. Dreifaltigkeit, mit deren abstruser Unlogik die Pfaffen seit Jahrhunderten die Leute belästigen.

Was ich hier einsetzte, war eine stete Beschleunigung des Duktus - vom getragenen, fast salbadernden ersten Teil mit der romantischen Beschreibung vergeistigten Glaubens (XxxXxxXxxXxxXxxXx) mit betontem Auftakt - über den schon rascheren Mittelteil (xXxXxXxXxXxXx) mit ebenfalls 6 Hebern, aber mit nur jeweils einer Senkung dazwischen - bis hin zum eher griffigen, aber umso belebter wirkenden Vier-Heber-Vers (xXxxXxxXxxXx) des abschließenden Aufrufs.

Der erste Teil ist salbungsvoll, getragen - das religiöse Wunschdenken, gegossen in einen sechshebigen und einen fünfhebigen Daktylus - feierlich.
Der zweite Teil klingt irdisch, nüchtern - was der klare Verstand darüber denkt, in einem durchgängig sechshebigen Jambus.
Der dritte Teil ist aufmerksamkeitsheischend, eindringlich - was sich daraus ergibt oder ergeben sollte, die logische Konsequenz, sie kommt in einem flotten vierhebigen Amphibrachys daher.

Das erste Stück soll die Vertiefung im Glauben darstellen, wie sie jene zu empfinden vermögen, die mit dem Beigebrachten zufrieden sind und es nie hinterfragen. Für sie ist allem am rechten Platz und damit gut, denn so steht es im heiligen Buch und muss damit wahr sein!
Solche Menschen stellen sich dann ihr Dahinscheiden in etwa so vor - und das wäre ja für alle erstrebenswert und wunderschön, wäre da nicht dieses blöde Hirn, das denken will - und es bei manchen auch KANN und DARF!
Für die ist dann Sense mit Paradies und Verzückung - das ist der Preis des Intellekts, der Wahrscheinlichkeiten objektiver zu gewichten versteht, weil er mehr weiß!

Was sich der Mehr-Wissende dann so denkt, beschreibt der 2. Teil, und der 3. Teil zieht den daraus resultierenden lebensphilosophischen Schluss:
Alle Götter sind letztlich nur Weihnachtsmänner für Erwachsene, Krücken für die Schwachen, Werkzeuge für die Mächtigen!
Je wissender dein Überblick über die erwiesenen Gegebenheiten des Universums ist, desto marginaler erscheint dir die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Göttern, wie wir sie verstehen.
Höhere Wesen gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - aber alles im Rahmen der Evolution! Das "Universum erschaffen" hat von denen keins!
Was tatsächlich die Werdung des Kosmos bewirkte, ist für die nächsten Jahrtausende noch so weit jenseits unseres Begreifens, dass wir darüber gar nicht erst nachdenken sollten: Unser Hirn hat dafür einfach noch nicht die Kapazität! Da kämen bloß wieder neue "Religionen" bei raus!  ;) ::) >:D


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Tri-logisch
« Antwort #3 am: Februar 03, 2017, 16:47:58 »
Hallo Erich,

Zitat aus Deinem Meisterwerk: "...und stelle nicht alles so sinnlos in Frage...."

Für einen Gläubigen gibt es nichts sinnloses, schon eher für einen Ungläubigen.

LG. Copper

Erich Kykal

Re: Tri-logisch
« Antwort #4 am: Februar 03, 2017, 19:35:38 »
Hi Copper!

Stimmt! Für einen Gläubigen ist innerhalb seiner kleinen Welt alles wohlgeordnet und logisch - für ihn und seinen kurzen Geist. Er begreift nicht, dass sein ganzes System unlogisch ist und nach den Gegebenheiten des Universums unsäglich unwahrscheinlich bis unmöglich ist - weil er zu wenig vom Universum und seinen Gegebenheiten weiß, um die Wahrscheinlichkeiten objektiv zu gewichten - oder weil er sich diese Einsicht verbietet, um weiter glauben zu können.

Was mich immer wieder erstaunt: Die derzeitigen Weltreligionen erklären das Universum auf dem Wissensstand der ausgehenden Bronzezeit - und sind bei den Beharrenden bis heute gültig!
Andere Blüten treiben "moderne" Erklärungsmodelle wie Scientology, die mit Gemeinschaftsgeist, Kontrolle und der Unsicherheit minderwertigkeitskomplexbehafteter Menschen arbeiten - wie alle Religionen, aber das Ganze mit Pseudowissenschaft anstatt "magischer" Göttlichkeit verbrämen. Das Grundkonzept bleibt dasselbe: Enge und sichere Definition einer verschworenen, elitären Gemeinschaft, um sich gegen Unsicherheit und den Rest der Welt abzugrenzen und sich über ihn erhaben fühlen zu können, weil man "in der Gnade" der "einzigen Wahrheit" oder der jeweiligen Gottheit steht, der man sich dazu nur willenlos zu unterwerfen und sie hemmungslos anzubeten hat!

Alles auf die eine oder andere Weise gesteuert von Angst oder Macht, basierend auf uralten Annahmen und sozialen Mechanismen, die nie hinterfragt werden. Es scheint immer beschlossene Sache zu sein, dass der Mensch einen Glauben "brauche" wie die Luft zum Atmen! Es scheint immer beschlossene Sache zu sein, dass der Mensch seinen Glauben nie hinterfrage oder seine Mechanismen kritisiere - so lang er Teil der Gemeinschaft bleiben will (oder überleben - je nach Strenge des Systems)! Es scheint immer beschlossene Sache zu sein, dass der Mensch ohne Glauben schwächer oder minderwertig sei, der Mensch anderen Glaubens dumm und verführt, der Mensch eigenen Glaubens andererseits klug und weise! Es scheint immer beschlossene Sache zu sein, dass nur der eigene Glaube die einzige Wahrheit sein kann, und darum von allen geglaubt werden soll - oder muss, je nach Auslegung der "heiligen Statuten" des jeweiligen Welterklärungsmodells.

Kein Wunder, dass bei so vielen "beschlossenen Sachen" sich kaum je eine weiter um sich greifende Geistestätigkeit regt! Ein sich selbst erhaltendes System von Behauptungen, Annahmen, Mutmaßungen und Dogmen, die für wahrhaftig erklärt und zu göttlichen Geboten verklärt werden, damit keiner sie hinterfragt und alle brav und gehorsam bleiben und an einem Strick ziehen - für eine Belohnung NACH dem Tode (wie unheimlich praktisch!)!

Nein - tut mir leid, ich kann einfach nicht "glauben" ... - ich benutze mein Gehirn!  ;) ::) >:D

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 14, 2020, 15:15:02 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Tri-logisch
« Antwort #5 am: Februar 03, 2017, 22:11:24 »
Lieber Erich,

ich danke Dir für die ausführliche Erklärung. Ich mag weiter nichts dazu sagen, denn ich muss nicht wiederholen, was schon gesagt wurde!
Ich stimme mir Dir überein!

LG Günter

Copper

Re: Tri-logisch
« Antwort #6 am: Februar 04, 2017, 09:59:14 »
Hallo Erich, ( Zitat: " ich benutze mein Gehirn ")

wenn dein Gehirn alles begreift und deine Sinne alles erfassen können, wozu dann glauben.

Der Glaube entsteht doch erst durch unsere Begrenztheit. Deshalb ist der Gebrauch des Hirnes, das ja nicht alles begreift und nicht alles erfassen kann,  keine nachvollziehbare Begründung um nicht zu glauben.

LG. Copper
« Letzte Änderung: Februar 04, 2017, 10:11:33 von Copper »