Autor Thema: Herzansteckung  (Gelesen 674 mal)

Sufnus

Herzansteckung
« am: November 16, 2022, 18:46:56 »
Herzansteckung

Das Herz fragt erst: Was wär dabei,
steckt ich mich an mit Liebe,
warnt auch die Seuchenpolizei
pandämlich vor dem Triebe?

Dann wird gebusselt viralmente,
die Modellierer zetern,
was Lebensplan, was Alimente?
Nichts schützt vor Herzenstätern.

Dann: Weltangst, Endspiel, Bimbambammel
vorm Ganz-alleine-sein!
Erlösungsbooster, Glücksgerammel:
Lift-up ins Himmelsklein.

Der Nachwuchs-R-Wert steigt fatal,
echt krasse Future-Blase!
So gehn die Putzerl voll viral
und sondern Klimagase.

Erich Kykal

Re: Herzansteckung
« Antwort #1 am: November 18, 2022, 16:39:34 »
Hi Suf!

Sprachgewaltig, stellenweise aber schon etwas bemüht akzelerierte Srachhabung, sodass es dort dann eher sperrig rüberkommt. Dort fließt es nicht schön wie bei deinem anderen 'Kuss'-werk. Auffallend besonders der unvollständige Satz als Conclusio.

Warum die plötzliche Neigung zu dieser Thematik? Gut, zwei Werke etablieren noch keinen Trend, aber es fällt auf. Frisch verliebt?  ;)

Es mutet eher so an, als würde sich das andere Werk positiv des Themas annehmen, während hier kritisch hinterfragt wird.

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 21, 2022, 19:45:02 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Herzansteckung
« Antwort #2 am: November 21, 2022, 14:11:11 »
Hi eKy!
Ja, bei diesen Zeilen ist das Motto weniger Belcanto, insofern ist die leicht widerborstige Sprache mit einer wilden Mixtur als Neologismen, umgangssprachlichen Elementen und ein paar intertexturiellen Versatzstücken durchaus gewollt. Hier geht es eher um einen Kabarett-artigen Gestus als um "schöne Sprache". Es ist hier auch keineswegs der Kuss das eigentliche Thema sondern eher der Egoismus der Lebensglückoptimierer, wobei hier die besonders egoistische Spezies der liebeshungrigen Menschen beleuchtet wird (das sind grobgeschätzt etwa 90% der Weltbevölkerung ;) ). Liebe (oder die Suche nach der Liebe) macht ja nicht nur blind, sie kann auch ganz schön selbstsüchtig machen.
Somit wird Deine Frage schon halbwegs mit beantwortet: Eine besondere inhaltliche Nähe zum Kuss-Gedicht gibt es eigentlich nicht, das hier ist nicht einmal eine richtige Antithese zum Kussgedicht, am ehesten handelt es sich um eine weitere Facette, des seltsamen Phänomens der menschlichen Liebe. :)
LG!
S.