Autor Thema: Die andere Julia  (Gelesen 1288 mal)

Erich Kykal

Die andere Julia
« am: Mai 28, 2016, 17:38:14 »
Da war ein Heimliches in ihren Schritten,
ein eiliges Erflehen und Erbitten,
als sie hinab zum alten Weiher rannte
wie all die vielen Male schon zuvor,
bewegt von Sehnsucht, die das Unbekannte
wie unerfüllte Träume ihr beschwor.

Zusammen würden heute sie entfliehen,
vereint in eine ferne Fremde ziehen,
um endlich ganz einander zu gehören,
zu schenken, was von strengem Vaterworte
verboten war den unbedachten Gören
und noch bekräftigt von versperrter Pforte.

Am kühlen Wasser wird die Liebste warten,
so hatte sie ihr zugeraunt im Garten.
Nun eilte sie mit aufgescheuchten Sinnen
der Senke zu, ihr Schicksal zu erfüllen,
sich neu und dann einander zu beginnen,
und abzustreifen ihre alten Hüllen.

Doch je – wie wurde ihr der Atem bange!
Die so Ersehnte lag mit bleicher Wange
durchbohrt vom Vater auf der nackten Erde!
Des Weihers Tiefe schrie nach ihren Schmerzen,
und willig warf sie all ihr Wohl und Werde
mit sich hinein, bis Stille ward im Herzen.
« Letzte Änderung: M?RZ 15, 2022, 17:25:34 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die andere Julia
« Antwort #1 am: Mai 28, 2016, 21:42:36 »
Eine gute Idee, eine Liebe unter zwei Frauen als gleichwertig und als gleich traurig endend (wie bei Romeo und Julia) zu gestalten. Das zu lesen, lieber Erich, ist sehr bereichernd.

Chapeau!

LG gummibaum

Erich Kykal

Re: Die andere Julia
« Antwort #2 am: Mai 28, 2016, 21:59:01 »
Hi Gum!

Ich dachte mir, diese Geschichte ist in der "klassischen" Variante ja schon sowas von durch, da tut eine neue Perspektive gut!

Und ich mag den Gedanken nicht, dass "Hetero" das alleinige Anrecht auf "reine" und wahre Liebe haben soll - ein immer noch weit verbreitetes Vorurteil: Selbst schon tolerante Menschen schieben die gleichgeschlechtliche Liebe - manche unbewusst vielleicht - irgendwie in die Schmuddelecke. Man merkt es an Wortwahl und Gesichtsausdruck, auch wenn sie vordergründig verständnisvoll tun.
Und wenn es gar die eigenen Kinder betrifft - Weltuntergang!! ::)

In den letzten Jahren ist überhaupt ein deutlicher Ruck hin zum Konservativen und "Althergebrachten" zu bemerken. Den aufgeschlossenen Weltbürgern in den Großstädten hat es wohl noch keiner gesagt, da ist es - zumindest in bestimmten Szenen - noch "hip", "anders" zu sein und Anderes gutzuheißen - aber versuche wahre Toleranz mal am Land zu praktizieren! Da wirst du gleich mit in die "böse" Ecke geschoben zu den ganzen "Spinnern", "Perversen", "Abartigen" und "Gottverlassenen"! ::) >:(

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die andere Julia
« Antwort #3 am: Mai 28, 2016, 22:49:10 »
 Ich sehe das nicht so. Ich habe homoerotische Phasen gehabt, wenn auch nicht ausgelebt und denke mir, es kann sehr sehr schön sein. Die Gesellschaft  geht in Richtung autoritärer Strukturen, Setzen von Normen und Ausgrenzen.

LG g   

Erich Kykal

Re: Die andere Julia
« Antwort #4 am: Mai 28, 2016, 23:59:26 »
Hi gum!

Was genau "siehst du nicht so"? Auf welche meiner Aussagen bezieht sich das?

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die andere Julia
« Antwort #5 am: Mai 29, 2016, 09:03:45 »
Auf dieses: "dass "Hetero" das alleinige Anrecht auf "reine" und wahre Liebe haben soll"

Schönen Sonntag, mein Lieber.

LG g

Erich Kykal

Re: Die andere Julia
« Antwort #6 am: Mai 29, 2016, 09:26:10 »
Hi, Gum!

Ich schrieb, dass ich diesen Gedanken nicht mag, dementsprechend hättest du mir beipflichtend schreiben müssen, dass du das AUCH so siehst - daher meine Verwirrung.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Die andere Julia
« Antwort #7 am: Juni 16, 2016, 12:46:22 »
Lieber Erich -

ein wunderschönes Gedicht!
Ich habe über ein solches Schicksal gelesen (halbfiktiv), das mich sehr bewegt hat.
Wie Dein Gedicht auch.
In der victorianischen Zeit war es streng verpönt, an eine solche Zuneigung auch nur zu denbken.
Diese "Julia" folgte ebenfalls der unglücklich Liebenden in den Freitod.

Du hast das in - was sonst - herrliche Verse gefaßt.
Hab Dank!

Lieben Gruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Die andere Julia
« Antwort #8 am: Juni 16, 2016, 17:55:13 »
Hi Cypi!

Die üblichen Schmachtfetzen um tragische Liebe gibt es ja schon im Dutzend, da wollte ich mal ein wenig "abweichlerisch" sein! >:D ;)

Vielen Dank für deine erhebenden Zeilen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.