Autor Thema: Salome  (Gelesen 900 mal)

gummibaum

Salome
« am: Dezember 23, 2015, 15:46:49 »
Vom Kerker kommt sie, trägt auf weißen Händen
die Schale, silbern strahlend, und ihr Blick
belächelt triumphierend ein Geschick,
das selbst den Vater zwingt, sich abzuwenden.

Denn blutend ragt, aufs Hinterhaupt gebettet,
der Kopf des Predigers vom Silbergrund,
und tat sein Mund auch Königsfrevel kund,
der Herrscher hätte ihn doch gern gerettet.

Das folgt daraus, wenn alte Männer gieren
nach junger, nackter Haut, im Tanz gewiegt
und sich in Zugeständnissen verlieren.

Der Wunsch nach schnöder Rache hat obsiegt. 
Die Tochter lässt den geilen Bock gefrieren,
als sie sich lustvoll an die Schale schmiegt.   
« Letzte Änderung: Dezember 23, 2015, 15:49:40 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Salome
« Antwort #1 am: Dezember 23, 2015, 18:14:44 »
Hi, Gum!

Tolles Sonett! Ist es das erste, das ich von dir lese??

Es stimmt schon, die Frauen kommen kaum gut weg in der Bibel! ;D Liegt wohl daran, dass sie nur von Männern geschrieben wurde, die in patriarchalischen Kulturen aufgewachsen waren!
Selbst der heilige Augustinus bezeichnete im Mittelalter die Frau noch als einen "defectus naturae", während natürlich der Mann das Ebenbild Gottes sei...

Tröstlich ist im Falle des Schleiertanzes nur, dass die Männer in dieser Szene auch nicht eben ruhmbekleckert dastehen! ::)

Sehr gern gelesen! :) - Mehr davon!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Salome
« Antwort #2 am: Dezember 23, 2015, 23:12:32 »
Danke, lieber  Erich,

ich freue mich. Ja, die Bibel und die Kirchengeschichte zeugen davon, dass die Frauen als minderwertig und besonders sündig angesehen und behandelt wurden. Man schob ihnen gern die Schuld zu. Salomes Mutter habe ich darum bewusst weggelassen.

Du hast sicher schon zehn meiner Sonette kommentiert und wahrscheinlich vorher gelesen. Einige habe ich sogar geschrieben, weil du die längeren Verse so favorisiert.

LG gummibaum 
« Letzte Änderung: Dezember 23, 2015, 23:15:42 von gummibaum »

Curd Belesos

Re: Salome
« Antwort #3 am: Dezember 23, 2015, 23:22:51 »
moin moin gummibaum,

ich bin immer wieder aufs Neue von deiner Art begeistert, wie du es verstehst mit Worten Bilder zu malen.
Zitat
der Kopf des Predigers vom Silbergrund
- ich bewundere diese Wortwahl.

Beeindruckendes Sonett.

LG
CB

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

gummibaum

Re: Salome
« Antwort #4 am: Dezember 24, 2015, 14:23:01 »
Lieber Curd,

danke für deine freundlichen und anerkennenden Worte. Das ermutigt mich.

LG gummibaum

Erich Kykal

Re: Salome
« Antwort #5 am: Dezember 24, 2015, 17:00:14 »
Hi, Gum!

Schon 10 Sonette!? - Wenn ich an deine Lyrik denke, so haben sich mir deine so typischen Achtzeiler quasi ins Gedächtnis gebrannt! Sorry, wenn die Sonette darüber sozusagen untergegangen sind! Gelesen habe ich sie sicherlich vor dem Kommentieren! ;) ;D

LG, eKy
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