Autor Thema: Über das scheue Wort von J. R.  (Gelesen 1283 mal)

Curd Belesos

Über das scheue Wort von J. R.
« am: Mai 18, 2015, 00:48:34 »
Das scheue Wort lässt sich nicht einfach sagen,
es wendet sich und ist gleich wieder fort,
so bleibt es unaussprechlich, dieses Wort,
kommt nicht hervor, und solltest du auch fragen.

Ich wollte es dir oft ins Ohr schon raunen,
doch formte mir der Mund die Laute nicht,
und so versuche ich es im Gedicht,
gelingt es mir, dann werden alle staunen.

Jedoch die Lettern lassen sich nicht schreiben
und auch die Silben bleiben Unbekannte.
Ich werde drum bei großen Dichtern schauen,

ob man es früher jemals schon verwandte.
Dann glaube ich, das Scheue dürfte bleiben
und sich in unsern Wortschatz wieder trauen.

© Curd Belesos

« Letzte Änderung: Mai 19, 2015, 00:42:16 von Curd Belesos »
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #1 am: Mai 18, 2015, 18:22:24 »
Hi, Curd!

Schön, das!

Ein paar Kinkerlitzchen:


Das scheue Wort lässt sich nicht einfach sagen,
es wendet sich und ist gleich wieder fort,
so bleibt es unaussprechlich dieses Wort, Komma vor "dieses".
kommt nicht hervor und solltest du auch fragen. Komma vor "und".

Ich wollte es dir oft ins Ohr schon raunen,
doch formte mir der Mund die Laute nicht Komma am Zeilenende.
und ich versuche es hier im Gedicht, Schöner: "und so versuche ich es im Gedicht,"
wenn es gelingt, dann werden alle staunen. Schöner: "gelingt es mir, ..."

Jedoch die Lettern lassen sich nicht schreiben
und auch die Silben sind mir nicht bekannt.
Ich werde drum bei großen Dichtern schauen,

ob man es früher jemals schon verwand. Zu "verwenden" heißt es "verwandte" oder "verwendete". "Verwand" ist die Mitvergangenheitsform von "verwinden".
Dann glaube ich dürfte das Scheue bleiben Hebungsprall "ich-dürfte". Richtig: "Dann dürfte, glaube ich, das Scheue bleiben" oder "dann glaube ich, das Scheue dürfte bleiben"
und sich in unsern Wortschatz wieder trauen.


Lösungsvorschlag für "verwand":

Jedoch die Lettern lassen sich nicht schreiben
und auch die Silben bleiben Unbekannte.
Ich werde drum bei großen Dichtern schauen,

ob man es früher jemals schon verwandte.
Dann glaube ich, das Scheue dürfte bleiben
und sich in unsern Wortschatz wieder trauen.

Damit hast du auch gleich eine für das Sonett geeignetere weibliche Kadenz.

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #2 am: Mai 23, 2015, 16:35:21 »
Lieber Curd,

dein Einsatz für das "scheue Wort" gefällt mir. Er richtet das Augenmerk auf etwas Wesentliches, dessen geheimvolle Kraft zu wenig bewusst ist.

Sehr gern gelesen
LG gummibaum


Curd Belesos

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #3 am: Mai 23, 2015, 23:42:06 »
moin moin Erich,

schön, dass du mir bei den Kinkerlitzchen behilflich gewesen bist :) jetzt könnte J. R. bestimmt Freude daran finden,

und dir lieber gummibaum, danke für das "Sehr gern gelesen"  :D

LG
CB



Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #4 am: Mai 24, 2015, 10:08:47 »
Hi, Curd!

Jetzt sollte man nur noch wissen, wer J.R. ist! Joachim Ringelnatz? Eher nicht, oder?

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #5 am: Juli 19, 2015, 00:14:05 »
Joachim Ringelnatz? Eher nicht, oder?

moin moin Erich,

Eher doch.... 8)


Das scheue Wort von Joachim Ringelnatz

Es war ein scheues Wort.
Das war ausgesprochen
Und hatte sich sofort
Unter ein Sofa verkrochen.

Samstags, als Berta das Sofa klopfte,
Flog es in das linke, verstopfte
Ohr von Berta. Von da aus entkam es.
Ein Windstoß nahm es,
Trug es weit und dann hoch empor.
Wo es sich in das halbe, bange
Gedächtnis eines Piloten verlor.

Fiel dann an einem Wiesenhange
Auf eine umarmte Arbeiterin nieder,
Trocknete deren Augenlider.
Wobei ein Literat es erwischte
Und, falsch belauscht,
Eitel aufgebauscht,
Mittags dann seichten Fressern auftischte.

Und das arme, mißbrauchte,
Zitternde scheue Wort
Wanderte weiter und tauchte
Wieder auf, hier und dort.
Bis ein Dichter es sanft einträumte,
Ihm ein stilles Palais einräumte. – –

Kam aber sehr bald ein Parodist
Mit geschäftlich sicherem Blick,
Tauchte das Wort mit Speichel und Mist
In einen Aufguß gestohlner Musik.

So ward es publik.

So wurde es volkstümlich laut.
Und doch nur sein Äußeres, seine Haut,
Das Klangliche und das Reimliche.
Denn das Innerste, Heimliche
An ihm war weder lauschend noch lesend
Erreichbar, blieb öffentlich abwesend.
***

Deine Nachfrage freut mich.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

cyparis

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #6 am: Juli 20, 2015, 19:22:53 »
Zwei Könner!

Ich wagte auch nicht, auf den Natz zu tippen - dabei hätte ich nur nachschlagen müssen.

Dem "Epigonen" beste Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Curd Belesos

Re: Über das scheue Wort von J. R.
« Antwort #7 am: Dezember 07, 2015, 23:49:32 »
moin moin Cyparis,  :-[

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch