Autor Thema: Machtaustausch  (Gelesen 799 mal)

Erich Kykal

Machtaustausch
« am: Juli 19, 2023, 13:35:19 »
Die eine Seite

Nun bist du mein nach deinem freien Willen,
entsagst dem selbstbestimmten Sein für mich.
Ich werde meine Sehnsucht an dir stillen,
so wie die deine sich erfüllt für dich,

mir alle Tage anvertraut zu dienen:
Mein Sklave nach erbetenem Gebot.
Gesetze, die vorab so reglos schienen,
bewegen uns und tilgen alle Not.

Du musst nun gar nichts mehr für dich entscheiden,
lebst streng behütet und von mir beschützt.
Ich darf mich ganz an deiner Demut weiden.
Wir beide gleich: Vom anderen benützt.


Die andere Seite

Mein Beben geht durch deine harten Hände
wie Sterbliches durch eines Gottes Plan,
mein Körper sei dein williges Gelände,
und was du an ihm tust, ist wohl getan.

Dein Wille reift mir täglich zu Gesetzen,
die mich erfüllen mit ersehnter Glut,
wenn sie mich lüstern mindern und verletzen,
denn nur mein Dienen tut mir wirklich gut.

So will ich lebenslang dein Sklave bleiben,
erniedrigt von dem Drang, der mich erfüllt,
muss mein Bedürfen selig an dir reiben,
wo meine Lust nach Unterwerfung brüllt.
« Letzte Änderung: August 04, 2023, 22:07:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Machtaustausch
« Antwort #1 am: Juli 20, 2023, 02:03:04 »
Lieber Erich,

das hast schön gesagt.

Es ist erstaunlich, wie zielstrebig Menschen ihre Freiheit einander opfern, als stelle sie eine Selbstgefährdung dar, und die gegenseitige Versklavung in eine heilige Handlung umdeuten. Die Ehe ist das prominenteste Beispiel dafür. Die Sehnsucht ist eine Fessel, und die gestillte nicht minder. Die Machtausübung will Ohnmacht verbergen, führt aber zu neuer.

Sehr gern gelesen.
LG g
« Letzte Änderung: Juli 20, 2023, 02:19:59 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Machtaustausch
« Antwort #2 am: Juli 20, 2023, 08:05:56 »
Hi Gum!

Der Gründe gibt es viele, vom sexuellen Rollenspiel bis zu Diktatoren, die ganze Völker dirigieren. Dominanzbedürfnis und jenes nach Unterwerfung sind so tief in unser Artengedächtnis geätzt, dass wir es wohl nie wieder ganz loswerden!
Ein Affenrudel kann nur funktionieren, wenn geklärt ist, wer der Boss ist. Je intelligenter die Art, desto umtriebiger und manipulativer die Bemühungen um Macht, bzw. brutaler die Gewalt bei der Durchsetzung. Das Überleben der Gruppe diktiert eindeutige Verhältnisse. Heute, in zivilisierten Zeiten, wäre das nicht mehr notwendig, aber wir lassen uns immer noch von unseren Urängsten steuern, sublimieren es nur besser durch 'logische' Argumente oder individuelle Charktereigenschaften.
Dabei muss nicht immer derjenige der Ängstlichere sein, der sich unterwirft! Auch ein Machtgebaren kann Zeichen von Schwäche und Angst vor Versagen oder Verlust sein! Eifersüchtige Ehemänner sind ein gutes Beispiel dafür. Auch die Geschlechterrollen sind nur kulturell so verteilt, wie sie sich heute - immer noch - zeigen. Traditionell ist die Frau im Patriarchat, das sich vor einigen Jahrtausenden durchgesetzt hat, der scheinbar unterlegene Part, schon was die Kraft anbelangt, aber das war im Laufe der Menschheitsgeschichte durchaus auch anders.
Nein, das Bedürfnis zu Kooperation oder Dominanz tragen wir alle in uns, und ich habe die Erfahrung gemacht: Abgesehen von den wenigen natürlichen Alphas, die einfach so viel natürliches Charisma und Selbstbewusstsein ausstrahlen, dass man sich ihnen freiwillig unterwirft, gilt die Regel: Je eifriger jemand nach Macht sucht, desto kaputter und bedürftiger ist er in Wahrheit innerlich, desto weniger geistig und emotional ausgeglichen und gesund. Dahingegen bedarf der Akt der Unterwerfung, liegt er nicht schon im Charakter eines Menschen begründet, einer Art von Mut, über den die Dominanten nicht verfügen - sie können sich für sich nicht einmal VORSTELLEN, sich anderen auf diese Weise auszuliefern und Kontrolle abzugeben.
Aggression ist immer ein Zeichen von Angst, auch bei denen, die genetisch so programmiert sind. Der Auslöser für Gewalt ist immer derselbe. Ihm nicht zu folgen, ist eine bewusste Entscheidung.
Demut ist die andere Art, mit Angst umzugehen - Deeskalation, um sicher zu sein. Beides kann funktionieren - oder nicht. Mächtige scheitern, und Friedfertige werden zu Opfern.

Interessant ist, dass ich hier eigentlich nur die Rollenverteilung für BDSM-Spiele beschreiben wollte, aber es ist genauso gut eine philosophische Beschreibung der Spielarten der menschlichen Natur. Machtaustausch ist immer ein Vertrag zu potentiellem beiderseitigem Nutzen, den man sich davon verspricht, Herr oder Herrscher wie Untertan oder Sklave. Ob Lust befreidigt wird, oder ein Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit - wie gesagt, der Gründe gibt es viele.


LG, eKy
« Letzte Änderung: April 30, 2024, 23:48:12 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Machtaustausch
« Antwort #3 am: Juli 22, 2023, 22:38:55 »
Hallo Erich,

in der lyrischen Welt hat wohl noch niemand zu diesem Thema ein Gedicht geschrieben.
Du beschränkst dich nicht auf Äußerlichkeiten, auch beschreibst du nicht irgendwelche Handlungen.
Dein Gedicht öffnet dem Leser die Gefühlswelt der teilnehmenden Personen.
Die für manche Betrachter eher abstoßende Handlung bekommt, durch Deine geschriebene Gedanken- und Gefühlswelt, einen begründeten Wert.

In welche Untiefen des menschlichen Triebes wirst du Dich noch wagen ?

Bin gespannt.

Du hattest vor längerer Zeit ein Gedicht veröffentlicht und auch schon im Radio gelesen die den Besuch bei einer Hure beschreibt.
Das ist auch ein starkes Gedicht. Weiß nicht mehr den Titel.

Gruß Copper.



Erich Kykal

Re: Machtaustausch
« Antwort #4 am: Juli 27, 2023, 07:53:27 »
Hi Cop!

Das Gedicht, das du erwähntest, heißt: 'An eine namenlose Hure'. Damit wollte ich ausdrücken, dass es im Grunde eine jede sein kann. Das Gedicht will erreichen, auch Prostituierte als Menschen zu sehen, ohne Vorurteil und gesellschaftliche Hybris.
Auch bei Sex und Beziehungen im BDSM-Bereich urteilen die 'Normalos' eher rasch und oberfkächlich, aber auch hier, wie überall, geht es um Menschen, die sich, abgesehen von ein paar Kinks oder Fetischen, eigentlich nicht von anderen unterscheiden. Vielleicht sind sie sogar mutiger, da sie ihre Fantasien ausleben, die möglicherweise viel mehr Menschen heimlich haben, sie aber nie umsetzten, weil sie immer viel zu besorgt darüber waren, was die Nachbarn sagen könnten, oder schlimmer: Die Familie!, wenn sie davon erführen.
Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber dem 'Anderen' sind eben leider auch heutzutage noch nur allzu oft reine Lippenbekenntnisse, oder die 'braven Leutchen' lästern ganz offen über alles, was von ihrer geheiligten Norm abweicht. Die Gesellschaften rücken unterschwellig wieder nach rechts, feiern ihre hemdsärmelige Kleingeistigkeit, während die Mutigen weiterhin offen ihren Christopher Street Day feiern und wieder mal nicht rehtzeitig bemerken, dass der Wind bald wieder heftig gegen sie wehen könnte, anders als liberale Politiker oder sog. Mainstreamer vollmundig behaupten!
Ich habe in letzter Zeit einige Gedichte zu diesem Lebensbereich verfasst (brauchst bloß ein wenig suchen ...  ;)), auch wenn ich selbst in dieser Sparte nie aktiv geworden bin, zumindest nicht körperlich. Aber die konzeptionelle Reinheit solcher Beziehungen mit absolutem Machtaustausch - sofern sie auf beiderseitiger Freiwilligkeit basiert natürlich - hat mich immer schon fasziniert (und erregt ...). Dabei kann ich beiden Rollen etwas abgewinnen, mich in sie hineinversetzen, auch wenn ich rein vom sexuellen Erregungsfaktor eher zum passiven Part tendiere. Das würde mich, würde ich es ausleben, wohl zu einem sogenannten 'Switch' machen, das heißt zu jemandem, der mal das eine, mal das andere sein kann.
Auch wenn ich mich selten ausprobiert habe in der physischen Welt, so macht es mir doch wenig Probleme, offen mit der Thematik 'Sexualität' umzugehen und ihre diversen Spielarten lytrisch auszuleuchten. Ich kann mich auch an Gedichte zu Fußfetischismus oder derlei erinnern, die irgendwo in meinem Archiv schlummern. Auf jeden Fall werden noch ähnliche mehr kommen, jetzt wo ich altersgeil werde ...  ;) ;D ::)

Danke für deine verständnisvollen, freundlichen Zeilen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.