Autor Thema: Goethe goes Glückskeks  (Gelesen 3048 mal)

Sufnus

Goethe goes Glückskeks
« am: Mai 25, 2020, 20:41:48 »
Huhu!
Ich hab um der Kurzweil willen, mal einen Goethevers durch verschiedene Sprachen des Google-Translators gejagt, u. a. französisch, slowakisch und arabisch und wieder zurück ins Deutsche. Ich finde, das Produkt ist lyrisch gar nicht so uninteressant:

"Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;
glücklich allein ist die Seele, die liebt!"

=> viele Übersetzungsschritte später =>

"Der Himmel ist so aufgeregt über den Tod,
nur das Glück ist die Seele, die du liebst."

------

2. Versuch mit anderem Ausgangsmaterial und u.a. englisch, französisch, vietnamesisch, lateinisch....

"Es war ein König in Thule
gar treu bis an das Grab,
dem sterbend seine Buhle
einen goldenen Becher gab."

=> => => =>

"Er war dem König von Thule
im Grab nicht treu,
mit und für einen Perversen,
und trank eine Tasse Gold."

« Letzte Änderung: Mai 25, 2020, 20:53:33 von Sufnus »

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #1 am: Mai 25, 2020, 21:13:05 »
Hehe, kreativ!

DE -> Spanish -> Finnisch -> FR -> DE

Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Mein Herz schlägt. Schnell zu Pferd!
Und floh, wild wie ein Held, um zu kämpfen.
Der Nachmittag fiel bereits zu Boden
Und die Nacht schwebte in den Bergen.
Die Eiche war schon im Nebel.
Wie ein Riese im Turm
Wo die Dunkelheit der Büsche
Mit hundert schwarzen Augen.

Erich Kykal

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #2 am: Mai 25, 2020, 23:11:24 »
Hi Suf, Agneta!

Witzige Idee, die die Grenzen der Übersetzungskunst aufzeigt - wie sonst hätten sich im Lauf der Zeiten auch sonst so viele Absurditäten in die Bibel geschlichen? Einfache Antwort: Übertragungs- und Übersetzungsfehler!  ;D >:D

Wer sich jemals durch die Bau- oder Betriebsanleitung eines ausländischen Produktes zu kämpfen hatte, der man anmerkt, dass sie mittels eines Wörterbuches "übersetzt" wurde, weiß, was ich meine! Dabei scheint die Regel zu gelten: Je weiter entfernt das Herstellerland, desto schräger die Anleitung!  ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #3 am: Mai 26, 2020, 10:08:55 »
So im Handeln, so im Sprechen
liebevoll verkünd es weit:
Alle menschliche Gebrechen
sühnet reine Menschlichkeit.

=> => => =>
(u. a. finnisch, tschechisch, türkisch, latein u. mongolisch)

Beide zur gleichen Zeit
für schöne Sätze:
Die Armut aller
stimmte mit der Menschheit überein.

Martin Römer

  • Gast
Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #4 am: Mai 26, 2020, 10:50:33 »
Eine überraschend weiberhafte Aussage Goethes.

Ich brauche weder Schuld noch Sühne,
erkeimt ein Leben fern der Bühne?....

Erich Kykal

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #5 am: Mai 26, 2020, 11:01:06 »
Hi Suf!

Gerade das letzte Beispiel erscheint mir wie ein perfekter Vergleich zwischen klassischer und sog. moderner Lyrik.  ;) ;D >:D

Hexisch kichernde Grüße, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #6 am: Mai 26, 2020, 11:27:18 »
@eKy
Gut gegeben, mein Lieber *kicher* ... durchaus als Liebhaber auch der "modernen Lyrik" (wir brauchen einen besseren Begriff) sehe ich doch Deinen Punkt!  ;D

@Martin
Was Rilkes Verse für eKy sind, das bedeuten Goethes Verse für mich und der alte Unsympath (Goethes Liebe ist wohl zu sehr in seine Verse geflossen, als dass noch genug davon im Alltag übrig blieb) vermag mich am meisten mit denjenigen seiner Gedichten zu bezaubern, in denen er einem weiblichen Ich seine Stimme leiht. In seiner Lyrik hatte der Alte schon eine sehr starke "frauliche" Seite.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #7 am: Mai 26, 2020, 21:27:50 »
Du bist also ein Goethe-Jünger, lieber Sufnus? Das ist interessant. :)

Wieso schrieb Goethe bei Willkommen und Abschied

"Es war getan fast eh gedacht"

nicht

"Es war getan bevor gedacht"?

Die Stelle verstand ich erst nach zehn Minuten puzzeln.
:D Es gibt ein Gedicht von Goethe, welches ich bezaubernd finde, irgendwas über Sehnsucht, leider habe ich es vergessen. Ich erinnere mich aber noch ans Gefühl.
Was genau fasziniert dich an Goethe, wenn ich fragen darf?

Sufnus

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #8 am: Mai 28, 2020, 14:18:54 »
Hi EV! :)

Goethe-Jünger klingt vielleicht ein wenig zu unkritisch, aber es geht schon ungefähr in die Richtung... sagen wir, ich finde in seinen Gedichten Zuspruch. :)

Dabei war ich als Jugendlicher beim Erstkontakt mit vielen bekannten Goethegedichten gar nicht besonders beeindruckt. Ich las den Prometheus, das Heidenröslein, den Erlkönig, die Schatzgräber, das ganz kurze Werk "Gedichte sind gemalte Fensterscheiben" und ich blieb reserviert. Bei den genannten Werken (mit der teilweisen Ausnahme vom Erlkönig) hat sich das übrigens bis heute nicht wesentlich geändert. Und ein paar ganz wenige Gedichte von ihm sind noch dazu gekommen, die ich nicht sehr schätze (Rezensent, Bei Betrachtung von Schillers Schädel, Symbolum). Aber die Mehrzahl seiner Gedichte vermag mich zu rühren und geistig anzuregen, zu trösten und nachdenklich machen, zu erheitern und mir innere Ruhe zu schenken, einfach gesagt: sie gefallen mir. :)

Ich glaube allerdings tatsächlich, dass Goethe nichts wirklich für Jugendliche ist. Er ist in seinem Tonfall fast immer recht autoritär, seine Verse haben einen Hang zum Besserwisserischen und er setzt bei seinem Leser oft viel Voraus, ohne ihm unbedingt Verständnisbrücken zu bauen. Ich glaube, kleinere Kinder können sich schon wieder eher für viele Goethegedichte begeistern, den Osterspaziergang, den Zauberlehrling natürlich oder das Hochzeitlied (vor allem wenn es schmissig vorgetragen oder noch besser gesungen wird).

Aber für Jugendliche dürfte sich Goethe oft einengend und vielleicht auch ein bisschen überwältigend anfühlen. Außerdem verweigert er sich sehr häufig dem äußerlichen Schmuck einer dekorativen Sprachführung, wenn er, gar nicht selten, seine Verse ziemlich "ungekünstelt" bildet (er hätte die Musikalität und den Sprachschatz, um sie weitaus prächtiger zu gestalten), wirkt er manchmal geradezu "Bauhaus-mäßig" nüchtern. Ein Jugendlicher wird in den süchtigen Zeilen der Symbolisten weitaus mehr hypnotischen Sog verspüren und so, wenn er auf der Suche nach der "Anderwelt", dem "Fluchtpunkt" ist, bei diesen eher fündig werden.

Was mich "im Alter"  ;D an Goethes Lyrik anzieht, ist ihr unglaublicher Reichtum an Formen, Gedanken und Haltungen. Goethe war kein so gründlicher Gelehrter wie meinethalben Friedrich Rückert, der dem Phänomen Sprache wohl mit einer Akribie und Begabung zu Leibe gerückt ist wie keiner sonst. Aber Goethe hatte diesen glücklichen Zugriff auf das Wesentliche. Er dichtet so, als hätte er im Hinterzimmer einen PC mit Internetzugang stehen gehabt und sich zu jedem Thema von möglicher Interessanz die Essentials zusammengegoogelt mit einen untrüglichen Gespür für den Kern der Dinge. Und Goethe konnte in seinen Gedichten immer vieles zugleich sein, er hat Widersprüchliches in seine Zeilen gegossen, ohne es zu einem versöhnlichen aber langweiligen Grauwert zu amalgamieren, die Multiperspektive des Denkens und Fühlens bleibt in seinen Versen unvermischt und rein erhalten.

Es war ein glücklicher Einfall von Brecht (dessen Denken sich anders als das von Goethe nicht unbedingt durch die größte Scharfsinnigkeit auszeichnete), Goethe als Beispiel einer dann nie mehr erreichten "Vollständigkeit" des lyrischen Schreibens zu begreifen:

"Sofort nach Goethe zerfällt die schöne, widersprüchliche Einheit, und Heine nimmt die völlig profane, Hölderlin die völlig pontifikale Linie. In der ersten Linie verlottert die Sprache in der Folge immer mehr, da die Natürlichkeit durch kleine Verstöße gegen die Form erreicht werden soll. Außerdem ist die Witzigkeit immer ziemlich unverantwortlich, und überhaupt enthebt die Wirkung, die der Lyriker aus dem Epigrammatischen zieht, ihn der Verpflichtung, lyrische Wirkung anzustreben [...] Die pontifikale Linie wird bei George unter der Maske der Verachtung der Politik ganz offen konterrevolutionär, d.h. nicht nur reaktionär, sondern wirkend für die Konterrevolution. George ist unsinnlich, und setzt dafür verfeinerten Kulinarismus...."

Unnötig zu sagen, dass Brecht sich selbst als den Wiedererringer dieser verlorenen "schönen Einheit" sieht... nunja... er ist kein Goethe... aber er ist wohl mein zweitliebster Dichter unserer Sprache...

LG!

S.
« Letzte Änderung: Mai 28, 2020, 14:25:13 von Sufnus »

Sufnus

Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #9 am: Mai 28, 2020, 15:49:42 »
:D Es gibt ein Gedicht von Goethe, welches ich bezaubernd finde, irgendwas über Sehnsucht, leider habe ich es vergessen. Ich erinnere mich aber noch ans Gefühl.
Was genau fasziniert dich an Goethe, wenn ich fragen darf?

Und noch als Nachtrag bzgl. der Sehnsucht: Zwei Gedichte von Goethe fallen mir hierzu spontan ein: "Selige Sehnsucht" (ein ziemlich philosophisches Stück aus dem west-östlichen Divan, das ich sehr schätze) und "Nur wer die Sehnsucht kennt", ein Lied der Mignon, das mir bis auf die "brennenden Eingeweide" in Strohe 2 gut gefällt, aber doch für mich hinter dem bekannteren Lied Mignons, "Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen", auch ein Sehnsuchtsgesang, weit zurück bleibt. :)

Und speaking of Sehnsucht:

Du sehnst dich, weit hinaus zu wandern,
bereitest dich zu raschem Flug?
Dir selbst sei treu und treu den andern,
dann ist die Enge weit genug.

=> => => => =>

Willst du eine längere Übung?
Ausdauer wird ehrlich
zu dir und anderen sein.

;D keine Ahnung, warum das so kurz geworden ist... habs ein paarmal durchs Japanische und Lateinische gejagt, das hat die Zeilen sehr... prägnantisiert...

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Goethe goes Glückskeks
« Antwort #10 am: Mai 28, 2020, 17:04:03 »
Danke für die schöne Antwort!
Ich sehe in seinen Gedichten eine sehr sensible Seite, die dennoch von Rationalität durchdrungen ist.
Mit einem Hang zu Ordnung und Form, wobei, man verzeih mir hier, ich sagen will, dass es ihm nicht immer gelang.
Wie du auch, gibt es eine Vielzahl an Gedichten, die mich nicht zu rühren wissen: Weder Form noch Ausdruck. Andererseits gibt es gleichsam viele Gedichte, die mir nahe gehen.
Willkommen und Abschied beispielsweise, welches ich für unglaublich poetisch halte. Generell, finde ich, war er ein Meister darin scheinbar einfachen Gefühlen durch eine einfache Sprache Komplexität zu verleihen. Vor allem in der Wirkung. Ein Werk, welches meiner Meinung Schwächen besitzt, aber viel gemein mit Shakespear hat (emotionale Tiefe), ist folgendes (wohlwissend, dass wir heute eine andere Sprachkultur pflegen):

Abschied

War unersättlich nach viel tausend Küssen, (suboptimal für mich)
Und mußt mit einem Kuß am Ende scheiden.
Nach herber Trennung tiefempfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,

Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,
Solang ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden;
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden (suboptimal für mich, ich schätze Erich würde hier kritisieren O0)
An fernentwichnen lichten Finsternissen. (Sehr sehr schön!!! Strophe zwei im Sonett empfinde ich sehr inkonsistent, ja fast launisch)

Und endlich, als das Meer den Blick umgrenzte,
Fiel mir zurück ins Herz mein heiß Verlangen; (suboptimal für mich)
Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.

Da war es gleich, als ob der Himmel glänzte;
Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, (Sehr sehr schön)
Als hätt ich alles, was ich je genossen.

Ich vermute und spekuliere, dass er in seinen Gedichten viel kompensiert hat. Dabei will ich es vermeiden psychologisch zu werden. Ich kann aber nicht leugnen, zu sagen, dass eine gewisse imperfekte Spannung seine Werke durchzieht und ich glaube, dass sich dahinter ein gewisser Leidensdruck befindet, der seine Handschrift prägt.
Natürlich bin ich nur ein Laie und ich habe im Vergleich zu dir, nicht wirklich viel gelesen. Aber zu Lyrik pflege ich schon einen ehrlichen und intimen Zugang, der durchaus mir freies Gedankengut erlaubt.

Ich fand immer Goethe sei überschätzt, aber gerade Werke wie Willkommen und Abschied, zeichnen dann doch ein anderes Bild. Im Anbetracht der Vielzahl seiner Gedichte (3000+?), war er wohl sowieso eher quantitativ veranlagt, nicht so wie Rilke, der Sprache fast als Religion zelebrierte.

In dem Sinne!

vlg

EV
« Letzte Änderung: Mai 28, 2020, 17:09:26 von Eisenvorhang »