Autor Thema: Besuch im alten Park  (Gelesen 1284 mal)

Erich Kykal

Besuch im alten Park
« am: Juni 26, 2015, 20:46:46 »
I

Erkannten wir im Zueinanderfinden
auf diesen sonnentrunkenen Alleen
einander nicht, war unser Sichverstehen
nicht tiefer noch als selbst der größten Linden

verschwiegnes Grün? Und auf den langen Wegen,
wenn unter Schritten weiße Kiesel knirschen,
ein zartes Nahen wie ein scheues Pirschen,
wo Schatten fallen wie ein kühler Segen!

Auf jener Bank dort war im Schmelz der Worte
ein Bund geworden, der ein Leben hielt.
Wie seltsam, nun an diesem leeren Orte

allein zu stehen - ohne dieses Leben.
Wenn Schicksal nur den einen abbefiehlt,
was kann es dann dem anderen noch geben?


II

An jenen auferblühten Rosenhecken
hast du mich angelächelt, und mein Lieben
erwählte dich und war dir ganz verschrieben.
Und Rosen sind es, die dich nun bedecken...

Aus diesem Schlafe gibt es kein Erwecken,
und alle Träume, wo sie noch verblieben,
hat nun ein Stillesein mir ausgetrieben,
das mich verfolgt daheim aus allen Ecken.

Wie ruft mich hier an raunenden Gestaden
des Blättermeers dein silberhelles Lachen
aus jenen Stunden, die von Gram beladen

mich niederwarfen, in den Tag zurück!
Erinnerungen, wenn sie selig machen,
ermuntern uns zu einem neuen Glück.
« Letzte Änderung: Juli 04, 2015, 01:52:42 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #1 am: Juni 27, 2015, 17:44:06 »
Lieber Erich,

der zweite Satz ist ja keiner und ich musste mich umschauen, woran die Ellipse aufhängt ist: Erkannten, wir...einander nicht...auf den langen Wegen...! Eine Klippe für das Verstehen bildet auch das Ausrufezeichen, weil der erste Satz, der am gleichen "Erkannten wir" festgemacht ist, mit Fragezeichen endete. Die Bilder der Quartette sind aber exquisit.

Sehr, sehr gut gefallen mir die Terzette und die Conclusio.

Chapeau
gummimaum





Erich Kykal

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #2 am: Juni 27, 2015, 18:59:41 »
Hi, Gum!

Der zweite Satz ist ein Aneinanderreihen von beschreibenden Bildern und Eindrücken, zur Vermittlung der Unmittelbarkeit des Erlebens dieser Erinnerungen ins Präsens gerückt.

Er kann auch ohne den ersten Satz und ohne Verb bestehen.

Aber du hast Recht - kein "leichter Tobak" von der Konstruktion her. Das mag daran liegen, dass ich die letzten Paar Gedichte quasi ohne emotionale Inspiration verfasste - ich dichtete nur um des Dichtens willen. Dabei habe ich einen unseligen Hang zu übermäßig komplexen Satzkonstrukten, weil mir die Unmittelbarkeit von tief Gefühltem dabei fehlt.

Ich gelobe Besserung (...weiß allerdings schon, dass dies so verlässlich sein wird wie ein Neujahrsvorsatz! ;) ::))!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #3 am: Juni 28, 2015, 12:37:11 »
Lieber Erich,



Dein Sonett hat mir tief ins Herz geschnitten - und nicht nur seiner Schönheit wegen.

Wehmütigen Sonntagsgruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #4 am: Juni 28, 2015, 13:36:25 »
Hi, Cypi!

Verzeih - ich wollte keinen alten Schmerz aufrühren.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #5 am: Juni 28, 2015, 14:40:41 »
Das weiß ich doch!
Du hast doch zu gleicher Zeit wieder tiefe Liebe (nicht nur zu Deinen Sonetten) in Erinnrung gebracht -
und die Schönheit der Dichtung ist essentiell!

LG
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #6 am: Juni 29, 2015, 21:30:29 »
Hi nochmal!

Habe ein weiteres Sonett drangehängt, auf dass die Botschaft versöhnlicher werde!

Natürlich ist die Aussage der Conclusio des 1. Sonetts fatalistisch und depressiv - wer Verlust erlitten und darüber hinweggekommen ist, weiß sehr wohl, dass das Leben noch viel zu bieten hat, trotz des Fehlens eines Teils, der nie ersetzbar sein wird. Aber das soll ja auch nicht sein - man lernt aufzublicken, sich umzusehen und woanders Trost und neue Erfüllung zu finden. Ohne zu vergessen oder zu verdrängen, was war - und was es bedeutete.

Ich stelle mir also vor, dass der Verlust des obigen LyrIch noch sehr zeitnah und präsent ist, der Protagonist hat die Situation noch nicht bewältigt (der Besuch des Parks mag eine Art von Therapieansatz sein) und gibt sich noch ganz dem Schmerz hin.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

charis

  • Gast
Re: Besuch im alten Park
« Antwort #7 am: Juli 04, 2015, 21:41:58 »
Wunderbare Bilder in exquisiter lyrische Sprache gemalt. Ja, es sind Wortgemälde. Von meinem Gefühl her, sagt mir das erste Sonett mehr zu, das LI geht alte Wege, findet (für den Moment) nur darin etwas Trost und hat (noch) keine Kraft in die Zukunft zu blicken. Das nennt man Trauer.

Lieben Gruß
charis   

Erich Kykal

Re: Besuch im alten Park
« Antwort #8 am: Juli 04, 2015, 22:07:12 »
Hi, Charis!

Danke fürs Reinschauen und das dicke Lob! Mit dem 2. Sonett wollte ich die traurige Botschaft relativieren und zugleich die Frage positiv beantworten, die das LyrIch am Ende des ersten Sonetts stellt.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.