Hi, Charis!
Mit drei oder vier Jahren ist man noch kein Musenkind - da war von späterem Sprachtalent noch nichts zu bemerken. Da wurde sicher keine "Muse geboren"!
Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass mich dieses Erlebnis eher hemmte als etwas in mir zu erwecken: Mein Selbstbewusstsein war für den Rest meiner Kindheit geknickt, und die Häme meiner späteren Klassen"kameraden" besorgte dann den Rest.
Allerdings mache ich meiner Mutter keinen Vorwurf. Sie hatte es so gelernt in einer Zeit, als man der Meinung war, man sollte Kinder die ganze Nacht vergeblich schreien lassen, um sie abzuhärten. So betrachtet war sie ansonsten ausgesprochen liebevoll. Nur meinen Eskapaden begegnete sie mit unerbittlicher Konsequenz. Mein überbehütender Vater verwöhnte mich und schränkte mich ein, aber meine Mutter erzog mich - und gab mich frei!
Mein Kommentar bei Gummibaums Gedicht hat dich offensichtlich inspiriert - aber ehrlich gesagt befremdet mich die Versform meiner Geschichte eher, denn für jemanden, der all die kleinen Details hinter der Fassade kennt - die ich in einem Kommentar natürlich nicht ausführlich beschreiben konnte - wirken die Zeilen allzu hart und pauschal urteilend, auch wenn sie bloß meine eigenen Aussagen widerspiegeln.
Zudem fühle ich mich mit derlei "Besingung" sehr unwohl - ich halte mich für keinen, der derlei verdient hätte. Zudem habe ich den Eindruck, in den ersten Strophen nicht allzu gut wegzukommen ...
Deine Aussagen widersprechen sich teilweise: Mein Vater konnte nicht zugleich der "Butterweiche" und "aus Kruppstahl" oder "ein Felsen" sein - er litt zeitlebens unter Albträumen über seine Kriegszeit. Ein "feiger Dieb" war er aber sicherlich nicht - er hat sich kaputtgearbeitet, um seiner kleinen Familie zu Wohlstand und Sicherheit zu verhelfen!
Die Körperfülle hat mich nie "geschützt", im Gegenteil - sie war ein nie endender Quell des Spottes und der Erniedrigung, des Selbstekels und des eigenen Versagens, sich zu beherrschen! Ich hasse meinen Körper - und eine Hornbrille trug ich nie.
Die letzte Strophe ist dir lyrisch sehr gut gelungen - sie wäre einem edleren Geist als dem meinen würdig und angemessen. Ich bin kein Baum, eher ein windzerzauster, aber zäher hässlicher Kaktus, der einfach nicht einsehen will, dass er auf dem kargen Boden, in dem er wurzelt, niemals wirklich gedeihen wird. (Mit dem kargen Boden ist nicht meine Kindheit gemeint, sondern meine eigenen sozialen Defizite!) Einzig die Früchte - meine Kunst - mag mich überdauern oder auch nicht ... aber diese Entscheidung liegt nicht in meiner Hand.
Ich danke dir für dieses Gedicht, möchte aber zugleich - auch allgemein - darum bitten, künftig von solchen Hommagen(?) abzusehen. Ich kann dazu nur Goethe's Faust zitieren, seine Reaktion auf die Ehrung der Menge für seine und des Vaters (aus seiner Sicht vergebliche) ehemalige Behandlung von Pestkranken, während des Spaziergangs am Ostertag mit dem Famulus Wagner:
"Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
O könntest du in meinem Innern lesen,
wie wenig Vater und Sohn
solch eines Ruhmes wert gewesen!"
Bitte versteh diesen Kommentar nicht als negative Kritik - ICH bin gerjenige, der hier das Problem hat, nicht du!
LG, eKy
PS: Um die metrischen Schnitzer soll sich diesmal jemand anders kümmern - es würde irgendwie blöd wirken, wenn ich das bei einem Gedicht mache, wo es um mich selbst geht!