Es wird still

[Daisy]

Fassung I

Das Jahr geht seinem Ende zu.
Die warmen Farben sind verblichen,
denn Kälte hat sich eingeschlichen
und die Natur hält Winterruh.

Schon fallen Flocken, fallen leis
in dichtem Wirbel, tanzen, fliegen,
und bleiben jäh am Boden liegen.
An Pfützenrändern wächst das Eis.

Wie still es wird! Kein Vogel singt,
wenn kühles Weiß das Land verschlingt,
die lange Nacht den Tag zerbricht.

Doch schimmernd stehn im Dämmerlicht
umstrahlte Tannen, tief verschneit,
und Weihnachtszauber macht sich breit.




Fassung II

Das Jahr geht seinem Ende zu.
Die warmen Farben sind verblichen,
denn Kälte hat sich eingeschlichen
und die Natur hält Winterruh.

Schon fallen Flocken, fallen leis
in dichtem Wirbel, tanzen, fliegen,
und bleiben jäh am Boden liegen.
An Pfützenrändern wächst das Eis.

Wie still es wird! Kein Vogel singt,
wenn kühles Weiß das Land verschlingt
und wenn die Welt erstarrt und schweigt.

In Reif gebannt stehn Baum und Strauch,
denn eisig ist des Winters Hauch,
wenn sich das Jahr zum Ende neigt.

[Erich Kykal]

Hi, Daisy!

Ein vierhebiges Sonett - interessant und schön zu lesen ... bis auf die jeweils dritte Zeile der Quartette: Dass diese um einen Heber länger sind, wird dir gewiss nicht entgangen sein.
Du versprichst dir bestimmt einen gewissen Effekt davon, mich allerdings stören sie gewaltig. Ich bin eben ein Fan rhythmischen Regelmaßes, und gerade bei der Sonettform ist das, wie ich finde, wichtig, auch wenn sie vierhebig ist. Die Länge dieser Zeilen würde ich also angleichen!

zB: S1Z3 - streiche "nächtens". S2Z3 - "und bleiben jäh am Boden liegen"

Abgesehen davon wie stets untadelig in Stil und Wortwahl! Schmiegelyrik vom Allerfeinsten!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

[cyparis]

Da hätte ich

"und bleiben stumm"
oder
"und bleiben lautlos"
oder
"und bleiben still"    et al gewählt (Ich hab nichts gegen Wortwiederholungen!)
gewählt.
Kann etwas jäh liegenbleiben, wenn es gesunken ist?
Aber mir ist vielleicht ein Doppelsinn entgangen.



Liebe Daisy,

von Dir kommt immer Qualität (im positiven Sinn), da will ich gar nicht viel rummosern.

Aber umstrahlte Tannen (Stadtmitte?) und Weihnachtszauber - ich weiß nicht.... hm.

Ich weiß, daß der Weihnachtszauber im nächsten Wohnblock dermaßen überhandgenommen hat, daß fast alle Vögel Reißaus genommen haben. Lediglich die Krähen haben kühles Blut bewahrt.


Ganz herzlichen und Buchbeschenkten Gruß
von
Cyparis

[Knacki]

Hallo Daisy

mir gefallen deine Zeilen wie sie sind. Sie sprechen aus dem Herzen und man freut sich
auf den Weihnachtsmarktzauber, den Glühwein  und den ersten Schnee

schöne Grüße
vom Michael

[cyparis]

Von Knacki:


man freut sich
auf den Weihnachtsmarktzauber, den Glühwein  und den ersten Schnee


I c h  nicht!

Schnee und Eis haben mir viele Stürze eingebracht.
Im Lauf des Alterns wurde ich sehr vorsichtig.
 

[gummibaum]

Hier kristallisiert wirklich eine neue Welt aus, Daisy. Wie im Zeitraffer sehe ich das Eis auf den Pfützen wachsen. Sogar die Stille höre ich.
Der Weihnachtsglanz, so schön er ist, wirkt dagegen fast etwas trivial.

Sehr gern gelesen.
LG gummibaum

[charis]

Liebe Daisy,
Auch ich lese deine zauberhafte "Schmiegelyrik" (wie es Eky ausgedrückt hat) immer wieder sehr gerne!
Lieben Gruß
charis

[Curd Belesos]

moin moin Daisy,

wie Erich schon schrieb,

bis auf die jeweils dritte Zeile der Quartette: Dass diese um einen Heber länger sind, wird dir gewiss nicht entgangen sein.
Du versprichst dir bestimmt einen gewissen Effekt davon, mich allerdings stören sie

empfinde auch ich den Effekt als nicht sehr angenehm, obwohl

das Bild, das du durch dein Gedicht in mir erzeugst, eine angenehme Überleitung vom vergangenen Herbst zu einer vorweihnachtlichen

Betrachtung der Natur darstellt, die ich gerne gelesen habe.

Einen nächtlichen Gruß aus der Stadt mit den sieben goldenen Türmen

Curd

[Daisy]

Hallo Erich,

vielen Dank für deinen, für mich immer sehr hilfreichen Kommentar mit den guten Erklärungen weshalb und warum etwas so und nicht anders sein sollte! Das sind für mich Richtlinien, die mir immer den Weg weisen mit dem ich mich letztlich sehr gut anfreunden kann. Danke auch für die lobenden Worte, die ich gerne und mit Freude entgegennehme!

Lieben Gruß
von
Daisy


Liebe Cyparis,

wie schade, dass ich dir nicht zeigen kann, wie beschaulich und zauberhaft die Vorweihnachtszeit hier im Voralpenland in den ländlichen Gemeinden ist. Du musst in dieser Zeit nur um einen der Seen im Salzkammergut fahren, um festzustellen, dass du hier tatsächlich noch diesen von mir bedichteten "Weihnachtszauber" erleben kannst.
Und was die Schneeflocken betrifft, da kannst du beobachten, dass sie oft nicht einfach nur sinken, sondern heftig durcheinander wirbeln und sogar auch wieder hochsteigen bevor sie mit dem Boden in Berührung kommen und dann natürlich ganz plötzlich (also "jäh") gestoppt werden und liegen bleiben. So sind jedenfalls meine Beobachtungen, wenn ich bei heftigem Schneefall (bisher gab es allerdings noch keinen) eine Weile vom Fenster aus zusehe, wie es im Garten langsam weiß wird.

Ein dickes Dankeschön für deinen ausführlichen und aufschlussreichen Kommentar. 

Herzliche Grüße
von
Daisy


Hallo Michael,

es freut mich sehr, dass dir mein Weihnachtszauber gefällt und beim nächsten Glühwein, den ich mir genehmigen werde, denke ich ganz sicher an dich und proste dir aus der Ferne zu!

Lieben Gruß
von
Daisy


Lieber gummibaum,

auch deinen schönen Kommentar habe ich mit Freude wahrgenommen und sage herzlichen Dank dafür!

Ich verstehe sehr gut, dass der Weihnachtsglanz für viele einer gewissen Trivialität nicht entbehrt, aber für mich ist es immer wieder die Erinnerung an unendlich viele, wunderschöne Weihnachten in meiner Kindheit und Jugend und auch danach noch. Meine Mutter hat es nämlich immer verstanden dieses Fest jedes Jahr zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen und auch heute, nachdem sie vor über sechs Jahren verstorben ist, fühle ich besonders in dieser Zeit immer noch ihre Gegenwart, ihre Fürsorge und Liebe. Sie war mir nicht nur Mutter, auch beste Kameradin und liebste Freundin und natürlich fehlt sie mir gerade in der Weihnachtszeit noch mehr als sonst. Du siehst also, für mich hat der Weihnachtsglanz seine ganz spezielle Bedeutung!
 
Vielleicht entspricht die Zweitfassung mit geänderten Schlussversen eher deinem Geschmack. 

Liebe Grüße
von
Daisy


Liebe charis,

was für ein feiner und liebenswerter Kommentar, ich freue mich sehr über dieses Feedback!

Herzlichen Gruß
von
Daisy


Hallo Curd,

vielen, lieben Dank für deinen freundlichen Beitrag und die nächtlichen Grüße aus der Stadt mit den sieben goldenen Türmen!

Einen ebenfalls nächtlichen Gruß aus dem schneelosen Alpenvorland
von
Daisy

[cyparis]

Liebe Daisy -

Du hast mich zurecht beschämt:
Ich war in (Vor)Urteilen gefangen .

Ich hatte die dunkle Kehrseite der Münze im Auge.

Verzeih!


Cyparis

[Daisy]

Aber nein, liebste Cyparis, da gibt es doch nichts was zu entschuldigen wäre!

Für jeden stellen sich diverse Ereignisse ganz unterschiedlich dar und das hat bestimmt nichts mit Vorurteilen zu tun. Jeder darf und soll auch seine Eindrücke und Erfahrungen, die sowohl positiv als auch negativ sein können, äußern und seine eigene Meinung vertreten. Und wie du schon bemerkt hast: Die Münze hat neben einer hellen auch eine dunkle Seite!

Alles Liebe
Daisy

[cyparis]

Liebe Daisy -


das nenne ich nobel!
Hut ab



von
Cyparis

[Aspasia]

Ein traumhaft schönes Gedicht. Es besticht nicht nur durch die Wortwahl und Bildmalerei, sondern auch durch die Tiefe der Aussagen.

Zunächst ist die Rede vom „Ende“, vom „Verbleichen“, vom Aus der „warmen Farben“. Es wird kalt. Unweigerlich beschleichen den Leser Gedanken an den Tod. Aber dann keimt Hoffnung auf: Es ist nicht der Tod, sondern nur ein Schlafen: Die Natur braucht ihre Winterruhe.

In der nächsten Strophe wird dieses Bild des Schlafens durch die fallenden Flocken verstärkt. Der Leser gewinnt den Eindruck, dass der Himmel schützend eine Bettdecke über die ruhebedürftige Natur breitet.

Doch ist das wirklich so? Nochmal steigt Todesangst auf: Die Pfützen bilden Eisränder (mein Lieblingsvers!), und kein Vogel singt. Jetzt ist nicht mehr vom Bedecken die Rede, sondern vom „Verschlingen“ des Landes und vom „Zerbrechen“ der Nacht. Wer fühlte darin nicht eine Bedrohung?

Tröstlich und beruhigend kommen dann die Tannen ins Bild (Immergrün!), die zwar ebenfalls eingeschneit sind, aber das Strahlen der frostigen, schneeweißen Landschaft reflektieren und eine zauberhafte Zeit verkünden - die Zeit der frohen Botschaft und des bevorstehenden Weihnachtsfestes.

Wunderbar, wie die Atmosphäre einer Jahreszeit und der Zyklus der Natur in diesem Gedicht beschrieben sind!

Lieben Gruß
Aspasia

[Daisy]

Liebe Aspasia,

für die verspätete Antwort auf deinen anerkennenden Kommentar möchte ich mich erst gleich mal entschuldigen, mein Weihnachtsurlaub hat mich daran gehindert mich eher zu melden.

Es ist ganz wunderbar, wie genau du erfühlt hast, worum es mir in diesem Gedicht ging. Mein Anliegen war es, in aller Kürze möglichst viele Bilder zu zeigen und die dazugehörenden Ereignisse zu vermitteln und deine treffende Analyse hat mir bestätigt, dass es offensichtlich ganz gut geklappt hat.

Ganz herzlichen Dank für deine ausführliche Aufschlüsselung, die zu meinem Gedicht die perfekten Erläuterungen liefert.

Lieben Gruß
Daisy

[Aspasia]

Ganz herzlichen Dank für deine ausführliche Aufschlüsselung ...

Es war mir ein Vergnügen.