Autor Thema: Altes Bild  (Gelesen 1148 mal)

gummibaum

Altes Bild
« am: Dezember 08, 2014, 23:25:44 »
Ein Bild von dir aus alter Zeit,
in der wir uns einst nahe standen
und doch nie ganz einander fanden,
betrachte ich mit Zärtlichkeit:

Die Schatten auf dem leichten Kleide,
den sanften Glanz auf dem Gesicht,
und wie aus jungen Zügen spricht
ein Hang zum Sehnen, fast zum Leide.

Dein Blick gesenkt und aufgespalten,
als ob er mehr ein Innen schaut,
doch um die Lippen spielt ein Laut,
zu süß und schwer, ihn festzuhalten.

Du warst mit dir im Widerstreit.
Und Angst erzeugte mein Verlangen,
dich festzulegen, dich zu fangen.
Du flohst und fühltest dich befreit.
« Letzte Änderung: Dezember 09, 2014, 13:47:59 von gummibaum »

cyparis

Re:Altes Bild
« Antwort #1 am: Dezember 09, 2014, 18:01:05 »
Lieber gummibaum,


ich sehe ein Bild vor mir - so deutlich, als sähe ich es erstmals.
Es diente einem Rilke-Band als zeitgemäße Illustration.

Das Gedicht ist zart, schön, romantisch, schwebend, melancholisch, hellfarbig trotz der Schatten, -
in meinen Augen drückt es eine tiefe Sehnsucht aus.
Ein vergangener Traum, den ich mitträumen möchte.


Herzlichen Gruß
von
Cyparis










PS
Leider komme ich mit dem gespaltenen Blick nicht zurecht, obwohl ich weiß, was gemeint ist.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Altes Bild
« Antwort #2 am: Dezember 09, 2014, 19:47:33 »
Hi, Gum!

Das erinnert mich in manchen Satzkonstrukten und Phrasen an Rilke's "Selbstbildnis aus dem Jahre 1906":

Selbstbildnis aus dem Jahre 1906

Des alten lange adligen Geschlechtes
Feststehendes im Augenbogenbau.
Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau
und Demut da und dort, nicht eines Knechtes
doch eines Dienenden und einer Frau.
Der Mund als Mund gemacht, groß und genau,
nicht überredend, aber ein Gerechtes
Aussagendes. Die Stirne ohne Schlechtes
und gern im Schatten stiller Niederschau.

Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt;
noch nie im Leiden oder im Gelingen
zusammgefaßt zu dauerndem Durchdringen,
doch so, als wäre mit zerstreuten Dingen
von fern ein Ernstes, Wirkliches geplant.


Ich hoffe, du fasst dies als Kompliment auf und nicht als Versuch, dir Plagiatentum zu unterstellen! Es interessiert mich auch, ob es vielleicht dieser Text war, der dich zu deinem Gedicht inspiriert hat.

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Altes Bild
« Antwort #3 am: Dezember 09, 2014, 21:01:21 »
Ich hab  ein ganz andres Rilke-Gedicht  vor Augen! :)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Altes Bild
« Antwort #4 am: Dezember 10, 2014, 18:37:40 »
Hallo cyparis und Erich,

mit Rilke hat es nichts zu tun. Danke aber für sein schönes Gedicht, das ich nicht kannte.

Ich hatte nur ein Foto und meine Erinnerung. Der Blick der jungen Frau geht wie durch eine Gardine von Gefühlen und Gedanken.
 
LG gummibaum

Curd Belesos

Re:Altes Bild
« Antwort #5 am: Dezember 16, 2014, 23:33:40 »
Lieber Gummibaum,

ich bin überwältigt von der Schönheit des Gedichtes und deinem Können.

Danke

Curd
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

charis

  • Gast
Re:Altes Bild
« Antwort #6 am: Dezember 21, 2014, 13:33:23 »
Lieber Gummibaum,
Dieses Gedicht wäre mir jetzt beinahe entgangen!  :(
Ich bin berührt und begeistert!
Wenn ich solche Gedichte lesen, weiß ich, warum ich schreiben WILL
und wieviel mir noch fehlt!!
Danke!
Lieben Gruß
charis

gummibaum

Re:Altes Bild
« Antwort #7 am: Dezember 24, 2014, 11:31:59 »
Lieber Curd, liebe Charis,

ganz herzlichen Dank für die lieben Worte. Wünsche euch alles Gute.

LG gummibaum

cyparis

Re:Altes Bild
« Antwort #8 am: Dezember 24, 2014, 14:09:18 »
Lieber gummibaum,


jetzt, da ich weiß, daß es sich um ein realistisches Bild handelt, gefällt mir der Text erneut besonders gut.


Lieben Gruß
von
Romulus
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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