Kahler Baum im Frühling

[a.c.larin]

Oh du alte, krumme Stange,
warum dauerts bloß so lange,
bis du wieder grünst wie einst?
Grau und stumm stehst du im Garten
und du lässt mich bitter warten-
weil du Zeit hast, wie du meinst?

Ringsumher ist alles Blühen,
dein Erwachen macht dir Mühen.
Kommst du nur noch Blatt um Blatt?
Kannst du dich nicht mehr erinnern
oder nagt in deinem Innern
gar ein Wurm an Frühlings statt?

Ach, ich muss mir Schlimmes denken,
sehnsuchtsvoll den Blick verrenken
nach der Hoffnung, die vielleicht
doch noch deinen Sinn verändert,
eines Morgens grünbebändert
dich mir lebend überreicht....

[Erich Kykal]

Hi, Larin!

In gekonnter Sprachführung beschwörst du "auf halblustig" ein Gewächs, das sich Zeit lässt - oder tot ist.

Sehr gern gelesen - dafür, dass ich eigentlich nicht so der "lustige" Typ bin, wenn's um Lyrik geht.

LG, eKy

[a.c.larin]

hm- "halblustig" - könnte man vielleicht auch halbernst nennen.....

du kannst mich jetzt für plemplem halten, aber: ich hab das gedicht dem baum vorgelesen und ihn inständig gebeten, er möge doch wieder wachsen.
und es sieht so aus, als ließe er mit sich reden!

manche pflanzen sind spinnert.
einmal hatte ich einen blumenstock, der wollte partout nicht weitertun. da knurrte ich ihn an: wenn du jetzt nicht bald mal wächst, werf ich dich raus!
schwupp! binnen weniger tage waren drei neue blätter da!

gendanken sind energie.
waum sollten die pflanzen nicht daaruf reagieren? sie reagieren ja auch aufs sonnenlicht.

auch meinen ahornbaum hab ich immer wieder getröstet. dem hat ein dicker wurm immer und immer wieder die keimschicht unter der rinde angefressen.
der gärtner meinte, ich solle den baum umschneiden, der würde nicht mehr werden....
habs aber nie getan - nur immer wieder den baum  getröstet, ermuntert, gelobt.
der wächst und wächst und wächst - man sieht ihm gar nicht an, um welches riesenproblem herum der sein leben aufgebaut hat.

vielleicht sollte man die "katastrophen" allesamt nicht so ernst nehmen?

geheimnisvollerweise ist das leben doch ein wunder, das über vielerlei fährnisse hinweg trägt.
man kann es, wenn man will, ernst nehmen - aber vielleicht war das alles ja gar nicht so ernst gemeint?

so oder so: danke für deinen freundlichen kommi!

lg, larin

[cyparis]

Liebe larin -

eher wehmütig als ernst, eher traurig als lustig, eher hoffnungsvoll als resignierend -

und wie ich dem Kommentar entnehme, zu Recht!

Gefällmir sehr, sehr!


Lieben Gruß
von
Cyparis

[Daisy]

Hallo Larin,

dein Gedicht erinnert mich an so manches Jahr, wenn entweder mal ein Strauch oder mal ein Baum in meinem Garten das Frühjahr gänzlich "verschlafen" hat.
Glücklicherweise haben sie sich doch immer wieder durchgerungen zu ergrünen und sind oft im Jahr darauf besonders üppig geworden.
Beste Wünsche für die alte, krumme Stange!

Hab dieses liebevolle Gedicht mit Freude gelesen!

LG Daisy

[galapapa]

Liebe larin,
ein bezauberndes und gleichzeitig traurig berührendes Gedicht! Was Erich als "halblustig" bezeichnet, ist ein ständiges Hin- und Her zwischen einem fröhlichen und doch bangen lyrischen Ich und der düsteren Ungewissheit um das Schicksal des Baumes. Gerade das ist sehr gelungen!
Ein großes Lob von mir, auch für das wunderbare, völlig reibungslose Fließen des Textes.
Liebe Grüße!
Charly