Autor Thema: O Lenz!  (Gelesen 1372 mal)

cyparis

O Lenz!
« am: April 18, 2010, 15:56:56 »
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Beitrag Verfasst am: Mi Apr 22, 2009 10:15             
   
O Lenz,
Du blickvoll wild betörter
Freund des nahen Lichts,
Du warmes, frohes, unschuldvolles Tier!
Dir ist die nahe Sonne süßer Traum.

Bekränz
was kommt: längst zerstörter
Grund, das fahle Nichts,
ferne, längst verschlossne Lebenstür,
weiter, kalter unheilschwangrer Raum.

Deine lockren Frühlingsgaben
frißt der Tod
- sein Bruder kam nach Tschernobyl -
frißt sich fett und grün
an Sein un Haben,
schweigt und droht,
ruht in Märzens Cäsiumpfühl,
dreht sich wild und kühn
in Primula, in Knöterich und in Jasmin.

Ach Mai,
er frißt sich ein in Deine Wangen,
der böse schwärne Feind.
Da, wo eins Deine Lieder klangen
- herbei, herbei! -
weint Flieders Amme. Am Buchenstamme
greint
- vorbei, vorbei! -
Erdenmutter voll Verzagen.

Ach, Du!
Tod frißt Dir Deine Tannenspitzen,
er trinkt der jungen Birken Blut,
er schmückt sein schwarzes Fell mit Veilchenglanz.
Wozu
soll Dir Dein Lächeln nützen,
wenn glühender Verwesung Brut
sich wälzt, sich windet hin zum Todestanz?

Du bist allein,
o Lenz,
wir alle lassen das Gerippe Dir nur stehn.
Wie sind wir Deinem Sterben noch so fern!
Es soll so sein:
Begrenz
Du Arm in Arm mit Tod das Weitergehn.
Doch laß uns im Verderben
Deinen toten Stern!


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Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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a.c.larin

  • Gast
Re:O Lenz!
« Antwort #1 am: Juli 14, 2010, 07:41:16 »
liebe cyparis,

was kann man zu deinem tieftraurig-elegischen text sagen?
nur wenig, denn angesichts der wirklich schlimmen dinge wird man so ohnmächtig und  sprachlos!

was tschernobyl für das leben der menschen auf dieser erde bedeutet, kann man  noch gar nicht wirklich sagen - ebensowenig wissen wir, was die ölpest im golf von mexivo anrichten wird!

aber ( und das ist jetzt vielleicht die gute nachricht): das leben an sich ist bereits im begriff, wege zu finden, mit der katastrophe umzugehen.
habe da unlängst einen bericht über die gegend rund um tschernobyl gesehen: tiere sind zugewandert und überleben dort ! verstrahlt - aber sie überleben. bestimmte pflanzen halten die belastungen besser aus als andere. ein forscher betreibt dort vor ort einen garten und untersucht diverse feldfrüchte und gemüse. erstaunliches ergebnis: manche davon kann man bedenkenlos essen, weil die pflanzen die radioaktivtität anders aufnehmen und speichern!

das leben an sich findet wege , wird immer wege finden, schlimmes zu überwinden
nur: ob der mensch irgendwann noch dabei sein wird, ist die frage.
dem leben selbst ist das aber egal - es erfindet sich selbst stets neu.

über dieses wunder - und auch über andere -  darf man schon ein bisschen staunen......

blicken war also trotz alledem auf das leben , jetzt erst recht!


liebe grüße, larin


cyparis

Re:O Lenz!
« Antwort #2 am: Juli 14, 2010, 22:00:58 »
aber ja, liebe larin!

Man muß jetzt persönlich auch das kleinste Zipfelchen Leben fassen.
Damit meine ich uns als Individuum.
Wir werden zum Glück nicht überleben, das gibt zumindest der Fauna die Gelegenheit, sich zu erholen.

Wer weiß denn noch - hach, es gingen Jahre vorbei! - daß das giftige Cäsium eine Affinität ausgerechnet zu Pilzen hat. Cäsiums Halbwertzeit ist  etwa 50 jahre, also muß ich verzichten, denn Cäsium ist  selbst für alte Leute giftig.
Bei dem hochgiftigen Uran gehts schon um Millionen-Milliarden Jahre.

Na, so deprimierend sollte mein Kommentar nicht werden..
Lieber ein Pilzsüppchen!

Morgen?

Liebe Grüße
von
cyparis
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