Des Spiegels Riss

[gummibaum]

Der Spiegel riss, und in dem Spalt
sah sich der Jüngling plötzlich alt,
und in der Pracht der Jugendlocken
ein graues Antlitz, schlaff und trocken,
kein Glanz im Aug‘, der Mund ein Strich -
da schloss der Spiegel sich, es wich
die schlimme Ahnung. Nur ein Haar
war ihm ergraut - wie sonderbar.

[Erich Kykal]

Hi, Gum!

Das Gedicht erinnert an Dorian Gray - die Vision einer Lebensangst: Alt werden und sterben!

Die Jugend denkt nicht daran - sie ist per se unsterblich und hat immer recht! Aber irgendwann erlebt jeder Mensch zum ersten mal diese Kartharsis: Den Augenblick, wo ihm klar wird, dass auch er selbst dereinst sterben wird, dass er selbst zuvor altert und verfällt!
Rein technisch weiß man es natürlich von je - ich meine den Moment, wo einem WIRKLICH klar wird - in all seiner stoischen Unausweichlichkeit und gleichgültigen Gnadenlosigkeit - dass die Uhr tickt!

Diesen Moment hast du hier sehr treffend eingefangen, mit einem wunderbaren Gleichnis durch den Blick in den Spiegel!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

[gummibaum]

Hallo Erich,

du gibst ja eine wirklich profunde Analyse des Momentes. Vielen, vielen Dank. Mit lieben Grüßen

gummibaum

[cyparis]

Lieber Gummibaum,

wie konnte ich das übersehen!

Mir lief ein Eisesschauder über den Rücken,
wirkliche Grabeskälte. Als hätte ich einen Blick ins Universum, in die Ewigkeit getan.

Inhaltlich erinnert es mich an Algernon Blackwood.(z.B. Die Weiden)
Stilistisch:
Ganz Gummibaum.


Entschuldigenden Gruß
von
Cyparis

[gummibaum]

Nichts zu entschuldigen, lieber Cyparis. Ich selbst bin viel schlafmütziger.

LG gummibaum