Hi Roc!
Habe beide Werke gelesen. Über Stramms "moderne" Lyrik breite ich lieber den Mantel gnädigen Schweigens, ich kann sie weder als ergreifend noch als überhaupt lyrisch nach meiner persönlichen Definition des Begriffes empfinden. Ich wüsste nichts Positives dazu zu sagen.
Heym schreibt eindeutig mehr nach meinem Geschmack, aber auch er macht unnötige Fehler wie unschöne Verkürzungen und unmelodische Phrasierung - an manchen Stellen holpert es doch ziemlich auf der Zunge. Manche Formulierungen wirken auch ziemlich geschraubt, wie gezwungen, der Sprache abgerungen.
Vielleicht nach dem Geschmack der Epoche, aber heute hört sich da manches ein wenig unnatürlich an - finde ich zumindest. Andere Strophen wiederum sind wirklich großes Tennis - aber was hilft's wenn der Gesamteindruck durch die genannten Schwächen leidet. Ich glaube an dies: Eine einzige, nur eine einzige für den Leser erkennbar miese Stelle macht aus einem ansonsten erstklassigen Gedicht bereits ein durchschnittliches, denn was der Leser dann vor allem davon behält, ist diese eine Stelle, an der er gestolpert ist, die ihn gegen den lyrischen Strich gebürstet und aus dem Takt geworfen hat - nicht mehr primär der Inhalt oder all die anderen wie immer auch noch so toll formulierten Bilder.
Ist mir leider zu oft passiert - sogar mit Gedichten von Rilke! Zum Beispiel hier eins meiner Lieblinge:
DER PANTHER
IM JARDIN DES PLANTES, PARIS
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Was mich hier seit der Erstlektüre immer wieder anranzt und unangenehm berührt, ist diese vermaledeite Wortwiederholung von "geht" in der letzten Strophe - ein leicht vermeidbarer kleiner Lapsus, vom Autor vielleicht sogar bewusst als Stilelement gesetzt - aber von mir als Mangel empfunden.
Jedesmal versaut mir diese Stelle den Genuss des ansonsten genialen Gedichts!
Es wäre so leicht vermeidbar gewesen: "Dann dringt - oder fällt - ein Bild hinein", oder "dann sinkt - oder schleicht - ein Bild hinein", oder "durchmisst der Glieder angespannte Stille -", oder "berührt der Glieder angespannte Stille -"
(die letzteren beiden Alternativen würden auch einen eindeutig unbetonten Auftakt der Zeile garantieren - bei Rilke's "geht durch" ist dieser ein wenig bemüht, denn eigentlich will das "geht" betont sein.)
Meine Lieblingsalternative habe ich unterstrichen. Soll ich dir was sagen? - In meinem persönlichen Rilkeband habe ich die Stelle so ausgebessert! (und noch ein paar andere bei anderen Gedichten ...) Nicht aus Arroganz, oder weil ich glaube, es besser zu können - nein, um das Werk zu perfektionieren. Es geht mir immer um das Werk selbst, um die Sprache.
Nun, vielleicht haben andere da ein weniger empfindliches lyrisches Ohr, oder einfach bloß weniger Macke. Aber mir tun solche Stellen fast körperlich weh ...
LG, eKy