Autor Thema: Die Beständigkeit der Erinnerung  (Gelesen 1358 mal)

gummibaum

Die Beständigkeit der Erinnerung
« am: Juni 20, 2013, 20:55:53 »
Die Zeit zerfließt, die Uhren, sie erweichen
und schmiegen sich der Form der Dinge an,
Erinnerung schlägt Fliehendes in Bann
und lässt Gewesenes nicht mehr verstreichen.

Ein Meer ruht aus, an Bergesufern glänzend,
ein Ölbaum, abgestorben, starrt ins Licht,
in Wüstensand gebettet: ein Gesicht,
still träumend und die Ewigkeit bekränzend.

Von Asseln schon wird eine Uhr zerfressen
und eine Fliege auf der nächsten zeigt,
Verflüchtigung verfliegt, und unterdessen

ist das, was im Erinnern weiter zweigt,
imstande, dich zur Gänze zu durchmessen,
auch wenn der Raum um dich sein Tun verschweigt.  



angeregt durch Cyparis ("tempus fugit")
« Letzte Änderung: Oktober 04, 2013, 22:59:32 von gummibaum »

Erich Kykal

Re:Die Beständigkeit der Erinnerung
« Antwort #1 am: Juni 21, 2013, 11:56:44 »
Hi, Gum!

Ein sehr lyrisch-meditatives Sonett voll intensiver, berückender Bilder - Kopfkino vom allerfeinsten! Sowas kannst du öfter abliefern! Chapeau!

Ein paar Kleinigkeiten:


Die Zeit zerfließt, die Uhren, sie erweichen
und schmiegen sich der Form der Dinge an,
Erinnerung schlägt Fliehendes in Bann
und lässt Gewesenes nun nicht verstreichen. Das "nun" hier stört den Sprachfluss, klingt etwas linkisch, wie ein Lückenfüller eben. Alternative: "nicht mehr".

Ein Meer ruht aus, am Bergsaum immer glänzend, Dasselbe hier mit "immer". Alternative: "..., an Berges Ufern glänzend."
ein Ölbaum, abgestorben, starrt im Licht, Schöner: "..., starrt ins Licht,"
in Wüstensand gebettet ein Gesicht Struktur: "in Wüstensand gebettet: Ein Gesicht,"
träumt ruhig fort, die Ewigkeit bekränzend. Nach "ein Gesicht" sollte der Satz flüssig weitergehen. Alternative: "still träumend und die Ewigkeit bekränzend."

Von Asseln schon wird eine Uhr gefressen Griffigere Alternative: "zerfressen".
und eine Fliege auf der nächsten zeigt, Optional Doppelpunkt am Zeilenende.
Verflüchtigung verfliegt, und unterdessen

ist das, was im Erinnern weiter zweigt,
imstande, dich zur Gänze zu durchmessen,
auch wenn der Raum um dich sein Tun verschweigt.

Ausgesprochen gern gelesen und beklugscheißert! ;) :D

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 19, 2020, 00:19:05 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Die Beständigkeit der Erinnerung
« Antwort #2 am: Juni 21, 2013, 13:44:17 »
Lieber gummibaum,

das ehrt mich!
Ein so tiefschürfendes, schönes und phantastisches Sonett hast Du geschaffen!
Ganz großes Lob
ohne Vorbehalte


von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Die Beständigkeit der Erinnerung
« Antwort #3 am: Juni 22, 2013, 19:52:21 »
Lieber gummibaum,

was wären wir ohne unsere Erinnerung und was wäre die Lyrik-Welt ohne deine Gedichte! Beides unvorstellbar!

Dieses großartige und kunstvoll formulierte Sonett gefällt mir sehr, sehr gut.
Du bist ein wahrer Wortkünstler!

LG Daisy

gummibaum

Re:Die Beständigkeit der Erinnerung
« Antwort #4 am: Oktober 04, 2013, 23:01:18 »
Hallo Erich,

habe heute endlich deine Anregungen übernommen. Danke. LG gummibaum