Autor Thema: Novemberwunder  (Gelesen 1490 mal)

a.c.larin

Novemberwunder
« am: November 24, 2013, 10:08:49 »
Jede Liebe beginnt mit einem kleinen Wunder.

Hubi kannte ich ja schon länger, ziemlich lange, um genau zu sein.
Der grau getigerte Kater spazierte schon seit Jahren durch unseren Hof und begrüßte jeden freundlich, der sich da zu Fuß, per Rad oder Auto näherte. Meist erhoffte er sich dabei ein paar Streicheleinheiten oder gleich etwas zu fressen – und manchmal hatte er mit der Methode sogar Glück. Hubi fraß wie ein Scheunendrescher. Das Gefühl „satt“ schien er nicht zu kennen. Er fraß rasch und schier alles – auch Futter, das mein eigener Kater längst verschmäht hätte.

Der Kater gehörte einem Nachbarn von uns. Dort durfte er allerdings nie das Haus betreten und verbrachte seine Zeit sommers wie winters immer im Freien. Angeblich vertrug er sich nicht mit anderen Katzen, markierte im Haus und war auch sonst eher unsauber.
Deshalb hatte ihm der Nachbar für den Winter ein kleines, beheizbares Holzhäuschen in seinem Garten eingerichtet. Hubi mochte aber das Holzhäuschen  nicht. Deshalb bettelte er bei jedem Anlieger um Einlass. Hin und wieder hatte er auch Glück: Eine besonders tierfreundliche Nachbarin ließ ihn manchmal für ein oder zwei Stunden zum Aufwärmen in ihr Haus. Dann rollte er sich meist still in irgendeinem fremden Hunde -oder Katzenkörbchen ein und schlief das für ihn absolut notwendige Quantum in der Zimmerwärme. Danach ging er wieder. Besondere Sympathien konnte er dennoch bei niemandem erwecken – sein Fell war meist so klebrig und verzottelt, dass man ihn gar nicht streicheln wollte. Er schien sich selbst kaum um seine Fellpflege zu kümmern.

Oft sah man ihn gemeinsam mit einem anderen Hofkater vor irgendeiner Haustüre hocken, bei Schlechtwetter waren die beiden Kater eng aneinender gekuschelt – spitze Zungen witzelten auch über sie: „Guckt sie nur mal an, die zwei schwulen Kater!“

Als mein eigener Kater eingeschläfert werden musste, tröstete ich mich damit, dass ich den beiden Hofkatern ab und zu etwas Futter vor die Haustür stellte und sie hin und wieder mit einer Knabberstange verwöhnte. Hubi fraß nach wie vor wahllos alles in sich hinein. Der andere Kater blieb aber scheu und ließ sich nur gelegentlich heranlocken. Ich war mit der Situation zufrieden. Ich wollte keine neue Katze mehr haben, oder wenn, dann eben mal nur so für „ein bisschen“.
Dieser Zustand dauerte nun schon seit Monaten an, doch dann passierte etwas, das alles veränderte: Die tierfreundliche Nachbarin zog weg und das einzige Aufwärmplätzchen für Hubi war somit verloren.

Es war Mitte November. Eines Nachts erwachte ich von einem seltsamen Traum.
Ich träumte, mein Mann wäre mit einer Katze heimgekommen, die er gerne aufgenommen hätte. Er war über und über mit Rasierwasser parfümiert und bekuschelte mich zärtlich, um mich willens zu stimmen. Im Traumbegehrte ich auf: „Bist du verrückt? Jetzt sind wir grade erst die eine Katze losgeworden und du schleppst da sofort eine neue an?“
Von der Aufregung wachte ich auf und musste herzlich lachen: Mein Mann – ein Vollbartträger- hatte in seinem Leben  noch nie Rasierwasser benützt. Und es wäre absolut nicht sein Stil gewesen, plötzlich mit einer neuen Katze aufzukreuzen – im Gegenteil, er war über unsere neue „Katzenfreiheit“ selber sogar sehr froh..
So ein verrückter Traum! dachte ich mir.
An Hubi dachte ich dabei nicht. Noch nicht.

Zwei Tage später saß er dann vor der Tür: MIAU!!!
Nein, er saß plötzlich nicht VOR der Türe, er saß IN der Türe – und kaum war sie auch nur einen Spaltbreit geöffnet, so war er schon in der Küche. Wann immer wir das Haus betreten oder verlassen wollten, preschte er zwischen unseren Beinen hindurch und stand dann wie angewurzelt da: MIAUUUU!

Den flehentlichen Blick ,den er dabei aufsetze, kann ich gar nicht beschreiben: MIAU-AU-AU-AU!  Mein Mann und ich sahen einander fragend an – was sollten wir tun?
Wir wussten ja, dass sein Wärmespender weggezogen war.
MIAU-AU-AU-AU!!!
Dass einem die Knochen bei so feuchtkaltem Wetter, wie wir es grade hatten, weh tun konnten, hatte ich selbst schon leidvoll genug erfahren – alte Knochen und Novemberwetter, nein, das passt einfach nicht zusammen!

Unsere Tochter holte also den Katzenkorb aus dem Keller und stellte ihn in die Küche.
Sie zeigte ihn Hubi, der sich sofort darin einrollte und schlief. Es wurde Abend.
Hubis schlief im Katzenkorb.
Es wurde Nacht und Zeit, selbst schlafen zu gehen.
Hubi döste im Katzenkorb und rührte kein Ohr.
Wir komplimentierten ihn trotzdem zur Türe hinaus, wissend, dass er doch unsauber sei.
Abgesehen davon hatten wir ja nicht einmal Katzenstreu im Haus.

Der Kater warf uns einen Blick zu, der uns schier das Herz brach. MIAUUU!
Was tun? Wir wollten doch keine Katze mehr haben– schon gar keine schmutzige, unreine….

Am nächsten Tag saß der Kater wieder vor der Türe und begehrte Einlass.
Na gut, tagsüber konnte er ja hier sein, meinetwegen, man ist ja kein Unmensch…..
Er blieb über viele Stunden im Haus und wollte am Abend wieder nicht gehen.
Wir stellten ihn erneut vor die Türe. Das schlechte Gewissen, das wir dabei hatten, wurde unerträglich. MIAUAUUAU!

Am nächsten Tag kaufte ich Katzenstreu und befüllte das Kistchen.
Hubi blieb über Nacht. E erledigte sein „Geschäft“ dankbar am richtigen Orte und verhielt sich auf jede nur erdenkliche Weise unproblematisch.
Aber mittlerweile schnurrte er beim Betreten das Hauses so laut, dass sich die Balken bogen und setzte, wenn man ihn streichelte, ein zufriedenes Grinsen auf, das von einem Ohr zum anderen reichte. Irgendwie fühlte er sich auch schon weicher an.

Der jämmerliche Ausdruck in seinen Augen verschwand allmählich und sein Fell wurde von Tag zu Tag glänzender. Er begann sich zu putzen, er begrüßte jeden Heimkommenden mit hoch erhobenem Schwanz. Für diese Zeremonie verließ er sogar sein Körbchen. Er fraß sein Futter bis auf den letzten Rest und leckte rundherum den Boden sauber.
Er war eine absolut friedliche, freundliche, problemlose Katze.
Er war meine Katze - und er bedankte sich dafür mit großer Zärtlichkeit.

Jede Liebe beginnt mit einem kleinen Wunder.
Und man muss gar nicht viel dazu tun.
Es genügt manchmal schon, einfach geschehen zu lassen, was eben so geschieht.

Dann kann immer noch alles gut werden.
Fragt einmal Hubi - er weiß das am besten.
« Letzte Änderung: November 24, 2013, 20:40:59 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re:Novemberwunder
« Antwort #1 am: November 24, 2013, 11:29:29 »
Hi, larin!

Ja, Kater sind nicht anders als Männer - wenn sich keiner um sie kümmert und keiner sie liebt, verwahrlosen sie und werden zottelig und verklebt... ;)

Kleiner Fehler: "Er war über und über mit Rasierwasser parfümierte..." - DAS stimmt so nicht ganz, oder? :D

Ein Detail würde mich noch interessieren: Was wurde aus dem anderen, dem scheuen Hofkater, Hubis ehemaligem Gefährten in der Not?

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Novemberwunder
« Antwort #2 am: November 24, 2013, 16:50:29 »
Hab in dieser wunderschönen Novembergeschichte nich zwei Tippfehlerchen entdeckt (vor allem Still statt Stil), aber das tut der Erzählung keinen Abbruch.

Endlich was mit Happy-End!
Und gut geschrieben dazu.
Aber was war denn nun das Wunder?
Ich selbst wäre schon viel früher geschmolzen. :)

Liebe larin,

Du hast mir Wärme ins Stübchen gebracht!


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

a.c.larin

Re:Novemberwunder
« Antwort #3 am: November 24, 2013, 20:38:47 »
Lieber Erich,
deinen Argusaugen entgeht natürlich gar nichts - wird postwendend entfernt.
Soso - Männer sind also wie Kater?
Zum Glück verzotteln und verkleben aber nicht alle, die kein "Frauerl" haben!  ;)

Was aus dem scheuen Toni geworden ist, weiß ich nicht - der geistert wahrscheinlich immer noch durch die Höfe.
Er lässt kaum jemanden an sich ran - angeblich hat er als Kätzchen mal drei Tage in einer Biomülltonne zugebracht, weil man ihn da hinein geworfen hat...
Vor zwei Tagen hab ich ihn jedenfalls noch gesehen.
Wahrscheinlich verkriecht er sich irgendwo vor dem Regenwetter.
Das vor die Türe gestellte Futter ist jedenfalls regelmäßig futsch - aber das könnten auch die Krähen und die Elstern gewesen sein, oder ein Igel oder ein Marder oder ein Wiesel.
Hier am Stadtrand herrscht ja reges "Nachtleben"...

Liebe cyparis,
das Wunder ist eigentlich ein doppelseitiges:
Dass jemand, der eigentlich keine Katze wollte, plötzlich doch eine aufnimmt ( Woher kam denn dieser seltsame Traum?) und dass der angebliche Schmuddelkater im Handumdrehen zum Vorzeigehaustier mutiert.
Um der Liebe willen tut der eine dies und der andere das - und plötzlich sind beide glücklich!
Ich seh da schon was Wunderbares drin.

Es hat mich sogar zum Schreiben gebracht, obwohl ich doch so gar kein Mitteilungsbedürfnis habe im Augenblick.
Und dir wurde warm ums Herz. Ist das nichts?

Ich seh schon: Ich muss euch noch eine Wunder - Geschichte erzählen!

LG, larin