Autor Thema: Intoleranz (Doppelsonett)  (Gelesen 1024 mal)

Erich Kykal

Intoleranz (Doppelsonett)
« am: Juli 25, 2013, 10:23:18 »
I

Wie sind wir doch einander unverständlich,
entfernt dem Nächsten wie ein fremder Stern,
und hat der eine bloß den andern gern,
erscheint das einem weiteren schon schändlich.

Wie innig betet man zu manchem Herrn
und wähnt sich darin gut und gar unendlich.
Der Glaube war von jeher unverpfändlich,
doch immer schon der Liebe - ach wie fern.

Wir wissen viel und meistens alles besser,
mit uns im Reinen kaum, doch gute Esser
in der Gewissheit, auf dem rechten Pfade

von je zu sein, im Gleichton und gerade -
und was sich wegkrümmt unter hartem Schritte,
hat keinen Platz in unsrer reinen Mitte!

II

Was tun wir nicht, einander zu verletzen,
zu töten, was in andrer Augen brennt,
da nur die eigne Wahrheit man erkennt,
doch nie die Furcht davor und das Entsetzen?

Wir reißen uns aus gutem Grund in Fetzen -
so glauben wir, nur fassend, was uns trennt.
Der Zorn ist unser wahres Element,
wenn wir einander jagen und verhetzen!

Wir greifen gern zur Waffe, um zu töten,
was nicht in unser hehres Weltbild passt.
Was sich nicht fügt, wird härter angefasst.

Und alle Chancen, wo sie sich auch böten,
verstummen unter Trommelklang und Flöten,
die uns nur lehren sollen, wie man hasst.
« Letzte Änderung: Januar 16, 2021, 00:14:25 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Intoleranz
« Antwort #1 am: Juli 25, 2013, 10:39:01 »
Beklagenswert, aber wahr!

Mit dem "erböten" komme ich nicht zurecht.
Erbieten sich Chancen? Ich dachte, sie bieten sich.
Könnte man nicht ausnahmsweise mit einem Füllsel arbeiten?


"Und alle Chancen, die sich uns je böten"


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Intoleranz
« Antwort #2 am: Juli 25, 2013, 10:44:27 »
HI, Cypi!

Habe besagte Zeile wieder in die ursprüngliche Version gesetzt - ich hatte sie zuletzt noch umgeschrieben, weil sie so runder klang, aber natürlich hast du Recht von wegen "erböten".

Vielen Dank für den Hinweis!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Intoleranz
« Antwort #3 am: Juli 25, 2013, 10:51:26 »
Hocherfreuten Gruß! :)


Cyparis
(hitzegeschädigt ;))
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Intoleranz
« Antwort #4 am: Juli 25, 2013, 20:23:26 »
Hallo Erich,

keiner könnte Intoleranz besser und anschaulicher erklären, als dir das in höchst vollendeter, poetischer Art und Weise gelingt!

Ein beeindruckendes Sonett auf oberstem Niveau! Chapeau!  :)

Ganz toll!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Intoleranz
« Antwort #5 am: Juli 25, 2013, 23:14:21 »
Vielen Dank, liebe Daisy!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.