Autor Thema: Es strebt mein Herz  (Gelesen 1586 mal)

cyparis

Es strebt mein Herz
« am: Juli 18, 2013, 18:50:40 »
Es strebt mein Herz hinaus aus seinen Zwängen,
strebt machtvoll hin zu Deinem Herzen,
ist müd vom Lachen, matt vom Scherzen
und fühlt das quälend-süße Drängen
von Tag zu Tag mit tiefrer Glut.

So wie mein Pulsschlag, wie mein Blut
nun rascher strömt in stetem Bangen,
verräterisch mir überhaucht die Wangen,
vor Deinem Antlitz jäh verhaltend ruht,
so rinnt nun täglich neuer Mut

durch meine traumbefangen Sinne.
Oh , daß ich dieses eine Mal gewinne
den starken, fernen, blauen Blick,
bestimmend Stunde mir, Geschick
und Los und Zukunftsahnen,
als Fingerzeig, als stummes Mahnen!

Du weißt es nicht. Und gehst dahin
mit locker weitem, sichrem Schritt.
Und hebst die Hand. Und trägst darin
mein Herz. Und weißt es nicht. Und nimmst es mit.
« Letzte Änderung: Juli 20, 2013, 11:36:33 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Aspasia

  • Gast
Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #1 am: Juli 18, 2013, 19:19:50 »
Wunderschön formuliert, es fließt beim Lesen nur so dahin!

Der einzige Schönheitsfehler ist der Wechsel vom Kreuz- zum Paarreim in Strophe 3. Ich traue mich aber nicht, daran zu basteln, denn vielleicht ginge dann der Zauber verloren.

LG
Aspasia

Erich Kykal

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #2 am: Juli 18, 2013, 19:49:47 »
Hi, Cypi!

Wenn Aspasia sich nicht traut - ich tu es gerne! ;) Ein wenig Umstellen reicht ja hier.
Plus den paar anderen Peanuts hab ich hier kaum zu meckern! Wunderbar gelungen!


Es strebt mein Herz hinaus aus seinen Zwängen, 5 Heber hier, einer zuviel. Alternative: "Mein Herz enthebt sich seinen Zwängen," ...oder so.
strebt machtvoll hin zu Deinem Herzen,
ist müd vom Lachen, matt vom Scherzen
und fühlt das quälend-süße Drängen
von Tag zu Tag mit tiefrer Glut.

So wie mein Pulsschlag, wie mein Blut Komma hier am Zeilenende.
nun rascher strömt in stetem Bangen, Strukturfehler! Es muss heißen: "das rascher strömt..." - Zeile 2 und 3 sind nur Einschübe. Der eig. Satz geht in S4 weiter.
verräterisch mir überhaucht die Wangen, Auch hier ein Heber zuviel (5). Alternative: "verräterisch mir tönt die Wangen,"
vor Deinem Antlitz jäh verhaltend ruht, Ein Heber zuviel. Alternative: "vor Deinem Antlitz traulich ruht,"
so rinnt nun täglich neuer Mut

durch meine traumbefangen Sinne. "traumbefangnen"
Oh , daß ich dieses eine Mal gewinne Unnötige Leerstelle nach "Oh". Wieder zu lang. Abhilfe: "Oh, dass ich dieses Mal gewinne"
den starken, fernen, blauen Blick,
bestimmend Stunde mir, Geschick
und Los und Zukunftsahnen, Ein Heber zu wenig. Alternative: "und alles Los und Zukunftsahnen,"

als Fingerzeig, als stummes Mahnen!
Du weißt es nicht. Und gehst dahin
mit locker weitem, sichrem Schritt.
Und hebst die Hand. Und trägst darin
mein Herz. Und weißt es nicht. Und nimmst es mit.

Die Überlänge der letzten Zeile betont die Eindringlichkeit der rilkiesken Conclusio - da wollen wir ein Auge zudrücken! ;D Allerdings würde ich dem letzten Satz doch eine neue Zeile gönnen!

Die "gebügelte" :D Version:


Mein Herz enthebt sich seinen Zwängen,
strebt machtvoll hin zu Deinem Herzen,
ist müd vom Lachen, matt vom Scherzen
und fühlt das quälend-süße Drängen
von Tag zu Tag mit tiefrer Glut.

So wie mein Pulsschlag, wie mein Blut,
das rascher strömt in stetem Bangen,
verräterisch mir tönt die Wangen,
vor Deinem Antlitz traulich ruht,
so rinnt nun täglich neuer Mut

durch meine traumbefangnen Sinne.
Oh, daß ich dieses Mal gewinne
den starken, fernen, blauen Blick,
bestimmend Stunde mir, Geschick
und alles Los und Zukunftsahnen,

als Fingerzeig, als stummes Mahnen!
Du weißt es nicht. Und gehst dahin
mit locker weitem, sichrem Schritt.
Und hebst die Hand. Und trägst darin
mein Herz. Und weißt es nicht.
Und nimmst es mit.


Wow! Da ist dir was Tolles gelungen! Wunderbare Sprachhabung! Chapeau!

Allergernst gelesen und beklug...fummelt! ;D

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juli 18, 2013, 20:00:22 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #3 am: Juli 19, 2013, 10:48:15 »
Liebe Cyparis,

das ist einfach nur gaaaaanz wunderschön, berührend, herrlich - ein Juwel!  :)

Wie eine Woge erfasst mich dieses großartige Gedicht, von den zauberhaften Versen fühle ich mich davongetragen,
um mich letztendlich in einer sanft umspülenden Brandung wiederzufinden.

Dieses Gedicht rührt mich zu Tränen, es ist etwas ganz Besonderes.  :-*
Poesie auf höchstem Niveau!

Mit Kniefall und bewundernden, ganz lieben Grüßen von
Daisy






gummibaum

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #4 am: Juli 19, 2013, 12:09:34 »
Hallo cyparis,

wenn ich Gedichte gleich wiedererkenne und mich freue, sie wieder lesen zu dürfen, so haben sie mir seinerzeit etwas Besonderes gegeben. Das trifft für dieses Schmuckstück zu. Super! Die Vorschläge von Erich finde ich auch gut.

Danke. LG gummibaum

cyparis

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #5 am: Juli 19, 2013, 18:04:15 »
Herzlichen Dank an Erich und gummibaum -


hier mache ich eine Ausnahme, und ändere gar nichts.
Das ist wohl das einzige meiner Gedichte, das ich wirklich verinnerlicht habe, und zwar genau so wie es da steht.

Nicht böse sein!


Liebste Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Aspasia

  • Gast
Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #6 am: Juli 19, 2013, 18:11:07 »
hier mache ich eine Ausnahme, und ändere gar nichts.
Das ist wohl das einzige meiner Gedichte, das ich wirklich verinnerlicht habe, und zwar genau so wie es da steht.

Dachte ich mir. Das spürt man beim Lesen  :).

galapapa

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #7 am: Juli 19, 2013, 19:49:12 »
Liebe Cyparis,
ich ziehe meinen Hut! Das ist wundervolle Lyrik!
Ich hätte Dir auch geraten, nichts zu ändern; es ist Dein Ding und man spürt es von Vers zu Vers. Erich möge mir verzeihen!
Ein echtes Highlight!
Liebe Grüße! :)
galapapa

wolfmozart

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #8 am: Juli 20, 2013, 11:54:15 »
Ein Meisterwerk!

Sprachlich und inhaltlich.

LG wolfmozart

Erich Kykal

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #9 am: Juli 20, 2013, 12:00:27 »
Lass es so, wenn du meinst, liebe Cypi, allerdings sind überzählige Heber in zu langen Zeilen eben immer überzählige Heber in zu langen Zeilen. Punkt. ;)

Es ist dein Gedicht (...mit Metrikfehlern).

LG, eKy (gaaaanz entspannt)
« Letzte Änderung: Juli 20, 2013, 12:02:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Es strebt mein Herz
« Antwort #10 am: Juli 20, 2013, 12:09:59 »
Liebe Aspasia, liebe Disy, lieber galapapa und lieber wolfmozart -

laß Euch innig für die Lobesworte danken!
Sie machen mir die Tage reich.

Lieber Erich -

ja, ich weiß - Dir stehen die Haare zu Berge, weil es ruckelt und rumpelt. ;)
Hier muß es halt so sein. :)

Euch allen die besten und sehr heiße Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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