Der Wolf und die sieben Geißlein
Die alte Geiß hat siebenmal
ein Kind geboren. Prüft die Zahl,
eh sie das Haus verlässt und spricht,
bis ich zurück bin, öffnet nicht.
Besonders auf den Wolf habt acht,
der sich verstellt, auf Geißbock macht.
Doch den erkennt ihr ganz genau,
sein Fuß ist schwarz, die Stimme rau.
Kaum nun ist die Besorgte fort,
kommt schon der Wolf, als Schmeichelwort
ruft er, ihr Kinder, lasst mich ein,
ich bin es, euer Mütterlein!
Doch es erwidern alle gleich,
der Mutter Stimme ist ganz weich,
du bist der Wolf, sprichst rau und kalt,
drum scher dich fort in deinen Wald!
Der Wolf fühlt sich geprellt, er geht
zum Krämerladen und ersteht
ein Stückchen Kreide, das er frisst,
worauf sein Sound verfeinert ist.
Und hell und lieblich ruft er nun,
die Türe, bitt ich, aufzutun
für mich, doch alle lachen nur,
dein Fuß ist schwarz, du Wolfsnatur!
Zum Bäcker nun trabt er, erreicht,
dass der ihm Teig darüber streicht,
und weil er androht, dass er beißt,
den Teig mit Mehl bestäubt und weißt.
Nun kehrt der Wolf ein drittes Mal
zum Restaurant nach seiner Wahl,
zeigt weißes Pfötchen, säuselt fein...
und siehe da, man lässt ihn ein.
Da springt der Kerl in vollem Lauf
ins Haus und sperrt den Rachen auf,
sechs Geißlein hat er gleich entdeckt
und schon verschluckt... eins ist versteckt.
Das ist das kleinste, das gewitzt
im Uhrenkasten lautlos sitzt.
Das findet er nicht, schläft schon bald
auf einer Wiese, nah beim Wald.
Die Mutter kommt nachhause, froh -
Wie trifft das Unglück sie nun roh!
Ein wildes Chaos sieht sie, leer -
Kein Kinderstimmchen hört sie mehr.
Sie ruft die Geißlein namentlich,
doch erst das siebte meldet sich,
steigt aus dem Uhrenkasten und
erzählt den schauerlichen Grund.
Wie schluchzt die Frau, dann treibt der Graus
sie wie im Wahnsinn aus dem Haus,
das Geißlein folgt, die beiden gehn,
bis sie vor sich den Schläfer sehn.
Und siehe da, sein Bauch bewegt
sich so, als ob sich Leben regt.
Der Mutter zucken Herz und Hirn,
sie ruft, hol Schere, Nadel, Zwirn...
Das Geißlein rennt und kehrt zurück,
die Mutter schneidet Stück für Stück
den Wanst auf und ...verdammt nochmal -
sie leben, sechse an der Zahl!
Und springen froh im Kreis umher,
auf Mutters Wink hin schleppt man schwer
ein Dutzend Wackersteine an
und füllt den Bauch, vernäht sodann.
Der Wolf erwacht, fühlt argen Durst.
Zum Brunnen stapft die Rumpelwurst.
Die Steine ziehn ihn dort hinab
und er ertrinkt im kühlen Grab.
Familie Geiß lacht, tanzt und singt,
dass es durch Wald und Wiesen klingt.