Autor Thema: Der Streit  (Gelesen 892 mal)

Erich Kykal

Der Streit
« am: Mai 04, 2013, 20:09:49 »
Hast du vor einer gänzlich andern Meinung
schon soviel Angst, dass sie dich fast kastriert?
Dass sie dein Sinn als Angriff definiert
auf eigne Wesensart sowie Erscheinung?

Erhoffst du meine seelische Entbeinung,
wenn dein Ereifern Kränkung intoniert?
Dein Starren streift mich, zornig, indigniert
und kurz vor jener inneren Versteinung,

die, was du in mir siehst, in der Verachtung,
die du nun vorschiebst, ewig zementiert!
Ich spräche gern von geistiger Umnachtung,

befinge mich nicht mahnend der Gedanke,
dass jeder von uns beiden hier verliert -
denn auch in meinem Blick fällt diese Schranke.
« Letzte Änderung: Mai 04, 2013, 20:14:10 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Der Streit
« Antwort #1 am: Mai 05, 2013, 11:08:29 »
Wie wahr!
Je öfter ich dieses Gedicht lese, desto facettenreicher und erkennender wird es.
Der Schluß ist für mich persönlich zu zwiespältig. Will sagen, er drückt zu viel unangebrachte Selbstzweifel aus.

Wieder einmal jenseits allen Tadels!

Herzlichen Gruß, lieber Erich,


von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Der Streit
« Antwort #2 am: Mai 05, 2013, 16:24:47 »
Hi, Cypi!

So bin ich eben. Auch wenn ich furchtbar überzeugt und wie der Herr jeder Situation wirke - ich zweifle und hinterfrage immer. Alles andere, aber zuallererst mich, meine Überzeugung, meine Motive, meine Reaktionen.
Das Sonett wurde aus gegebenem Anlass gestern geschrieben. Es war eigentlich kein Streit. Erst mal war ich gestern ohnehin frustriert, da ich mich schon sehr auf einen Malkurs mit Ölfarben gefreut hatte, der sich dann allerdings als irreführend ausgeschrieben erwiesen hatte und somit für mich ins Wasser gefallen war. Danach fuhr ich - unterschwellig verärgert - nach Freistadt in die Buchhandlung, um dort ein wenig mit anderen Menschen zu interagieren. Ich habe dort jemanden wohl durch eine unbedachte Äußerung gekränkt, der sich daraufhin angegriffen fühlte, und da er mich im Zuge unseres Gesprächs wohl ohnehin für einen arroganten Besserwisser hielt (ich vertrete meine Standpunkte mitunter recht intensiv, außerdem hielt ich dieses Herrn Meinung für arrogant oberflächlich und großteils auf Hörensagen basierend), versuchte er mich intellektuell und zuletzt auch etwas spitzzüngig zu maßregeln. Da ich auch von ihm zuvor offenbar eine falsche Meinung hatte - ich hielt ihn für einen blickescheuen Leisetreter, der nie ausspricht, was er denkt, und er hielt mich wohl für das Gegenteil - nahm ich ihm seine leichten Verbalattacken nicht weiter krumm.
Daheim aber ärgerte ich mich wieder mal maßlos über mich selber, da offenbar meine Zunge erneut schneller gewesen war als mein ohnehin unterentwickeltes soziales Gehirn. Das stürzte mich - zusammen mit der marginalen Demütigung durch diesen Herrn - unvermittelt in eine geradezu körperlich spürbare depressive Phase, in welcher dieses Sonett entstand.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 05, 2013, 19:53:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Der Streit
« Antwort #3 am: Mai 05, 2013, 18:32:09 »
Dann will ich Dir ganz schonungslos offenbaren:

Ein Glück, daß Du solchen "Frust" hattest, denn es ist gutes Sonett daraus entstanden!
Der Schönheit treu ergeben
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copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Der Streit
« Antwort #4 am: Mai 06, 2013, 20:48:58 »
Hallo Erich,

du hast diese Auseinandersetzung so großartig und anschaulich dargestellt, dass ich die Szene deutlich vor mir sehe.
Mir ist, als hätte ich das Ganze hautnah miterlebt.

Hoffentlich hat der Verursacher deines Ärgers auch eine ordentliche Portion davon abbekommen!
Ich bin aber ganz sicher, dass sich dieser Herr gewiss nicht durch das Schreiben eines hervorragenden Sonetts seines Frusts entledigen konnte.

Das Ergebnis deiner Reaktion ist klasse!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Der Streit
« Antwort #5 am: Mai 07, 2013, 13:24:09 »
Hi, Dasiy!

Der eigentliche Verursacher des Ärgers war ja leider ich selbst! Ich hatte durch oberflächlich Dahingeplappertes ungewollt gekränkt, und bei der folgenden Diskussion zu einem anderen Thema vertraten wir obendrein konträre Standpunkte. Ich disputierte wohl etwas zu vehement (ich werde da leicht emotional), wodurch er sich angegriffen fühlte und einen leicht aggressiven, maßregelnden Ton anschlug. Auch seine spätere Randbemerkung bezüglich meinen allzu großen Egos war durchaus treffend und wahr, wenn auch für meinen Geschmack allzu rasch geurteilt und allzu rasch ausgesprochen.
Letztlich ärgerte ich mich hinterher aber doch hauptsächlich für meinen wieder mal deutlich gewordenen Mangel von Einfühlungsvermögen und Empathie.
Der andere mag vorschnell geurteilt haben, über mich, über das Thema, das wir diskutierten, dennoch lag die Hauptschuld bei mir - und das hat mich geärgert und niedergeworfen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.